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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ärger in Ampel über Lindner Die Ersten lästern schon über den Bruchteil-König
Die engen Kontakte von Christian Lindner zur Autoindustrie belasten die Ampelkoalition. Verprellt der FDP-Chef seine Partner?
Christian Lindner liebt Autos. Das war schon immer so. Einem "Spiegel"-Reporter sagte Lindner mal, sein erstes Wort sei "Auto" gewesen. Und eine Automarke liebt Christian Lindner ganz besonders: Porsche. Mit 20 Jahren kaufte er sich seinen ersten Porsche 911, einen Flitzer mit zwei Sitzen. Es folgten etliche weitere, das Hochzeitsauto von ihm vor wenigen Wochen war: ein Porsche.
Mit seinem Porsche lässt Lindner sich bereitwillig fotografieren, er kennt diverse Details des Motors, spricht gern über seine Liebe für die Marke. Man kann sagen: Christian Lindner ist ein Porsche-Fan.
Auf die Porsche-Schlagzeilen, die ihn dieser Tage ereilten, hätte Christian Lindner sicher trotzdem gern verzichtet. Die größte fand sich am Samstag auf Seite eins der „Bild“-Zeitung: „Mauschel-Vorwürfe gegen Lindner und Porsche“ stand dort in riesigen Lettern. Zuvor hatte die ZDF-Satire-Sendung "Die Anstalt" über den Fall berichtet.
"Fast stündlich auf dem Laufenden gehalten"
Angeblich hat Porsche-Chef Oliver Blume, der bald Vorstandsvorsitzender von VW wird, sich vor Mitarbeitern damit gebrüstet, dass die Verwendung von sogenannten E-Fuels in den Ampelkoalitionsvertrag aufgenommen wurde. Dass es auch künftig erlaubt sein solle, Autos mit synthetischen Kraftstoffen anzutreiben, wollten vor allem die Grünen eigentlich verhindern. Dass es anders kam, so der Subtext des Porsche-Chefs bei seinem Auftritt, habe man dem heutigen Finanzminister höchstpersönlich zu verdanken – und Blumes ausgezeichnetem Kontakt zu ihm. "Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten", soll Blume vor Mitarbeitern gesagt haben.
Von Porsche heißt es nur: "Den Austausch hat es so nicht gegeben." Es war kein klares Dementi. Lindner stritt den Kontakt mit Blume in einem Twitter-Statement zwar ab. Über die Pressestelle seiner Partei heißt es jedoch, es habe im Oktober 2021 "ein kurzes Telefonat" von Lindner mit dem Porsche-Chef über E-Fuels gegeben. Wie weit Lindner darin ging, bleibt offen. Und was genau besprochen wurde auch.
Ist Christian Lindner also nicht nur privat ein Porsche-Fan? Sondern setzt sich der deutsche Finanzminister für einzelne Unternehmen ein – und ihre Interessen durch? Wo verläuft da die Grenze zum Lobbyismus?
Der Ton wird gereizter
Der Fall schlägt auch deshalb so hohe Wellen, weil Grüne und SPD in der Ampelregierung von ihrem Koalitionspartner zunehmend genervt sind. Lindners FDP liegt bei etwa acht Prozent in den Umfragen, er vertrete einen "Bruchteil" der Wähler, lästert man bei den Grünen. Und trotzdem drücke Lindner der Regierung wie ein König einen FDP-gelben Stempel nach dem anderen auf. Inklusive eines kleinen Porsche-Skandals. Der Ton in der Ampel wird gereizter, er belastet die Regierung zunehmend.
Da ist zunächst der aktuelle Skandal, der in den sozialen Medien unter dem Schlagwort "PorscheGate" diskutiert wird. "Dass der FDP-Chef und Finanzminister mit Porsche redet, ist zunächst nichts Besonderes. An der Automobilindustrie hängen schließlich ein bis zwei Millionen Arbeitsplätze, ohne oder gar gegen die kann niemand regieren", sagt der Politikwissenschaftler Florian Spohr von der Universität Stuttgart, zu dessen Forschungsschwerpunkten Lobbyismus gehört. "Wenn der Austausch so eng war, wie Blume behauptet hatte, ist das aber schon ungewöhnlich."
Die Grenze sieht Spohr allerdings an anderer Stelle, bei der Frage nach möglichen Gegenleistungen: "Hier wird sich zeigen, ob die FDP aus dem Fall der 'Mövenpick-Steuer' gelernt hat." Als "Mövenpick-Steuer" wird ein Steuerprivileg für Hoteliers bezeichnet, das 2009 von der schwarz-gelben Koalition auf Betreiben der FDP eingeführt wurde.
Keine Rücksicht auf Regierungspartner?
Dabei wurde die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Kurz danach kam heraus, dass der Haupteigentümer der Hotelkette Mövenpick der FDP im Wahlkampf eine Millionenspende hatte zukommen lassen. Die FDP-Führung bestritt damals jeden Zusammenhang.
Klar ist: Über Gegenleistungen von Porsche oder VW für die FDP ist nichts bekannt. Darum geht es aber dem Koalitionspartner auch nicht. Am Beispiel von Porsche sehe man, wie die FDP immer wieder versuche, Klientelpolitik zu machen, glaubt mancher. Ein besonders engagierter Anwalt der eigenen Wähler zu sein — ohne auf Regierungspartner Rücksicht zu nehmen.
Die FDP verhindert aktuell weitere Festlegungen auf Corona-Maßnahmen im Herbst, auch gibt es noch keine Einigung über das Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung. Erst mal in Ruhe verhandeln, heißt es bei den Liberalen. "Bei der FDP trifft die Entscheidungen fast nur Christian Lindner — und der steht wegen drei schiefgegangener Landtagswahlen in Folge unter Druck. Ausbaden müssen wir es in der Koalition" sagt ein Spitzenpolitiker der Grünen.
"Vorurteile gegenüber der Politik als Ganzes"
Öffentlich zeigen sich Grüne und SPD aber eher zurückhaltend bei der Causa Porsche/Lindner. Das dürfte zwei Gründe haben: Zum einen will man die ohnehin gestresste Koalition nicht noch stärker belasten. Zum andern waren auch SPD und Grüne während der Koalitionsverhandlungen mit ihren Lobbygruppen im Austausch.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagt t-online: "Porsche und Lindner verursachen leider wieder einmal Vorurteile gegenüber der Politik als Ganzes, die nicht sein müssen." Das ist in etwa der Tenor bei den Sozialdemokraten: Muss das denn jetzt schon wieder sein?
Da ist man bei den Grünen schon weiter. Dort, so erzählen mehrere Abgeordnete, ohne sich namentlich zitieren lassen zu wollen, ist der Unmut über die FDP mittlerweile immens. Es werde im aktuellen Fall einfach schwierig, wenn die Wähler das Gefühl hätten, es gehe Politikern nicht um das Allgemeinwohl, sondern um Klientelinteressen.
Andererseits kursiert in der Partei auch das sogenannte "Beispiel Baden-Württemberg": Im Ländle regiert der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann seit elf Jahren. Die dortige CDU hatte, als Koalitionspartner, ihn immer wieder scharf angegriffen – und wurde bei den Wahlen dafür abgestraft. So genervt man bei den Grünen daher über die neueste Enthüllung über Porsche und Lindner ist, so sehr hofft mancher, am Ende davon zu profitieren.
So ähnlich sieht das auch Politologe Spohr: "SPD und Grüne werden sich insgeheim freuen, dass die FDP jetzt in der Defensive ist, und die Liberalen selber werden sicherlich das geringste Interesse an einem Konflikt haben." Der Vorgang zeige aber, "dass die drei Koalitionspartner in der Wirtschaftspolitik nicht nur weltanschaulich mitunter weit auseinanderliegen, sondern auch unterschiedliche Interessen bedienen", sagt Spohr.
Christian Lindner kann wohl davon ausgehen, dass die Causa Porsche in einigen Tagen nicht mehr präsent sein dürfte. Zumindest, wenn keine weiteren Enthüllungen kommen. Denn: Noch einmal "Mövenpick", heißt es bei Grünen und SPD intern, werde man sich von der FDP nicht bieten lassen.
- Eigene Recherchen