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Reiner Haseloff über Impfgipfel: "Können nicht über konkrete Lockerungen reden"


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Haseloff vor Impfgipfel
"Wir schmeißen das System nicht über Nacht um"

InterviewVon Tim Kummert

Aktualisiert am 01.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff: "Es braucht jetzt die gemeinsame Kraftanstrengung."Vergrößern des Bildes
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff: "Es braucht jetzt die gemeinsame Kraftanstrengung." (Quelle: Imago)

Das Impfen in Deutschland läuft schleppend. Was ist vom Impfgipfel von Bund und Ländern am heutigen Montag zu erwarten? Ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff.

t-online: Herr Haseloff, sind Sie neidisch auf Benjamin Netanyahu, den israelischen Staatschef?

Reiner Haseloff: Wieso sollte ich?

Weil dessen Land mit großem Abstand weltweit am schnellsten gegen Corona impft. Deutschland liegt dagegen hinter Dänemark und Kroatien.

Den Weg Israels durch die Untiefen der Corona-Pandemie erkenne ich völlig neidlos an. Ich glaube aber auch, dass wir mit Angela Merkel eine hervorragende Kanzlerin haben, die sich unter den ganz anderen Bedingungen des vereinten Europa auch in dieser Krise bewährt. Wir müssen jetzt mit dem Impfen aufholen, und alles dafür tun, dass es schneller geht. Darüber wollen wir uns austauschen.

Das soll heute beim Impfgipfel von Bund und Ländern passieren. Letzte Woche hat der Regierungssprecher aber bereits mitgeteilt, dass davon keine Beschlüsse zu erwarten sind. Warum konferieren Sie sich dann eigentlich miteinander?

Moment, Moment! Es gab auch den Wunsch der Länder, sich abzusprechen. Wir brauchen das dringender denn je. Denn die erste Säule in der Pandemiebekämpfung bleibt das Einhalten von Hygieneregeln, das wird auch dieses Jahr noch eine dominante Größe bleiben. Damit die zweite Säule, das Impfen, möglichst schnell erfolgen kann, reden wir miteinander. Und, wenn ich das noch hinzusetzen darf: Die Einladung ist vom Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, ausgesprochen worden, und es werden auch externe Fachleute dabei sein.

Aber auch Jens Spahn erklärte bereits letzte Woche: Allzu große Hoffnungen auf die zügige Bereitstellung von weiteren Impfdosen sollten auch nach dem Gipfel nicht aufkommen.

Der Impfstoff ist weltweit noch eine Mangelware. Doch darüber hinaus braucht es mehr: Das medizinische Equipment muss bereitstehen, der Betrieb in den Impfzentren ist abzustimmen, die Kommunikation zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist wichtig. Hier bleiben wir in einem engen Austausch. Wichtig ist jetzt vor allem, dass wir klären, wann wir vor Ort wie viel Impfstoff zur Verfügung haben. Alles andere haben wir in Bereitschaft.

Verstehen Sie Menschen, für die das klingt wie eine PR-Veranstaltung mit dem Titel 'Liebe Leute, wir reden mal aber bitte erwartet keine konkreten Taten'?

Nein, ehrlich gesagt nicht, das wäre ein Missverständnis. Wir werden zu konkreten Absprachen kommen. Es gibt viele Bundesländer, die diesen Gipfel für notwendig hielten, daher werde auch ich mich dem nicht verweigern. Abstimmung ist und bleibt in föderalen Systemen das zentrale Element in dieser Pandemie.

Für die Umsetzung der Impfung sind die Länder verantwortlich, die sich jetzt abstimmen. Die Beschaffung des Impfstoffs übernehmen aber der Bund und die EU. Warum wird das Impfen nicht von einer zentralen Stelle koordiniert?

Weil wir nicht über Nacht das System umschmeißen. Es gibt das Infektionsschutzgesetz, das liegt beim Bund, der Bund kommt aber, nach dem seit über 70 Jahren geltenden Grundgesetz, in die Strukturen vor Ort nur über die Länder und Kommunen. Und das ist gut so. Länder und Kommunen bauen die wichtigen regionalen Impfzentren auf, die sich schon bewährt haben. In Sachsen-Anhalt haben wir alles, was an Impfstoff da ist, problemlos jeden Tag verimpft. Vor Ort läuft es ordentlich, das muss man auch mal sagen.

Es läuft vor Ort "ordentlich" meinen Sie das ernst?

Ja, selbstverständlich. In Sachsen-Anhalt haben wir bislang 48.000 Erstimpfungen und 17.000 Zweitimpfungen, gerade in den so wichtigen Pflegeheimen. Es hat sich gezeigt, dass unsere Impfzentren bereitstehen und funktionieren, wir warten jetzt auf mehr Impfstoff.

Immer noch verzweifeln in ganz Deutschland aktuell Tausende Menschen daran, dass sie keinen Impftermin bekommen, Server und Hotlines sind überlastet.

Impftermine sind auch knapp, weil wir noch nicht genug Impfstoff haben und nicht wissen, was in den nächsten Monaten zur Verfügung steht. Und natürlich ist es eine technische Herausforderung, wenn Millionen Menschen gleichzeitig einen Termin haben wollen. Hier besteht nach wie vor ein Steuerungsproblem. Aber wir arbeiten an einer Verbesserung. Ein großes Callcenter sitzt auch in Sachsen-Anhalt. Wir sind in Kontakt und sprechen darüber, wie wir den Service verbessern können. Wir lernen immer weiter in dieser Krise. Und trotzdem ist das Impfen nur ein wichtiger Faktor im Moment.

Wie meinen Sie das?

Es sind aktuell etwas mehr als 2 Prozent der deutschen Bevölkerung geimpft, darunter Gott sei Dank überproportional viele aus vulnerablen Gruppen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass wir zu 98 Prozent davon abhängig sind, dass die Corona-Regeln eingehalten werden. Wie es mit der Inzidenz weitergeht, wird zu großen Teilen über die aktuellen Maßnahmen und ihre Akzeptanz weiter entscheiden.

Ihr Amtskollege Daniel Günther, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, spricht bereits über einen Stufenplan: Angekoppelt an die jeweiligen Inzidenzen kann immer mehr geöffnet werden. Was halten Sie davon?

Also ich schätze Daniel Günther, aber das Rad müssen wir nun wirklich nicht neu erfinden. Wir haben das doch alles schon mal durch: Im Frühsommer haben wir sukzessive geöffnet — und jetzt haben wir die Hygienepläne schon vorliegen. Es ist nur noch die Frage, ab welcher Inzidenz und in welchen Kombinationen wir das dann umsetzen. Das gilt es abzuwägen.

Über Weihnachten waren die Inzidenzzahlen in einigen ostdeutschen Bundesländern sehr hoch, mittlerweile sind die Werte auch in Sachsen-Anhalt stabilisiert. Wie ging das?

Sehen Sie: Die Menschen halten sich wieder zunehmend an die Regeln, die Bilder von überfüllten Krankenhäusern und Krematorien lassen niemanden kalt. Es braucht daher insgesamt jetzt die gemeinsame Kraftanstrengung, weiterhin die Zähne zusammenzubeißen. Die große Unbekannte ist aktuell die Mutation, die die Prognosen hinsichtlich des weiteren Verlaufs und der Entwicklung der Todeszahlen schwierig macht. Mindestens bis zum 15.2. bleiben wir im Lockdown. Noch können wir nicht über konkrete Lockerungen reden. Wir bereiten uns in Bund und Ländern darauf vor, aber dafür sind die Zahlen eindeutig noch immer zu hoch.

Herr Haseloff, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Gespräch mit Reiner Haseloff
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