"Sture Verweigerungshaltung" Seehofer stoppt Rassismus-Studie und sorgt für Empörung
Justiz- und Innenministerium wollten gemeinsam die Aufarbeitung von Rassismus bei der Polizei voranbringen. Doch eine zunächst geplante Studie wird es nun nicht geben. Der Innenminister will sie nicht.
Die von der Bundesregierung geplante Studie zu möglichen rassistischen Tendenzen in der Polizei kommt doch nicht. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) halte eine Studie unverändert nicht für sinnvoll, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Sonntag. Bei SPD, Grünen und Linkspartei stößt die Entscheidung auf scharfe Kritik.
Die Studie sollte untersuchen, ob es in der Arbeit der Polizei Racial Profiling gibt. Davon spricht man, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale, aber ohne einen konkreten Anlass, kontrolliert werden. Die Studie war von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) in ihrem aktuellen Bericht über Deutschland empfohlen worden.
Das Bundesinnenministerium lehnte diese Empfehlung nun ab. "Wir werden eine solche Studie, wie ECRI sie empfohlen hat, nicht in Auftrag geben", sagte der Sprecher des Innenministeriums der Nachrichtenagentur dpa. Zuvor hatte "Zeit Online" berichtet. Zur Begründung erklärte das Innenministerium, dass Racial Profiling in der polizeilichen Praxis verboten ist. Das gelte im Besonderen für die Bundespolizei. "Insbesondere Personenkontrollen müssen diskriminierungsfrei erfolgen", teilte ein Sprecher mit. Entsprechende Vorkommnisse seien absolute Ausnahmefälle.
SPD: Studie könnte Diskussion versachlichen
Die SPD reagierte mit Unverständnis auf die Entscheidung. Vizechef Kevin Kühnert sagte dem "Spiegel", Seehofer tue der Polizei damit keinen Gefallen. "Eine Studie könnte die Diskussion durch Fakten versachlichen. Diese Chance droht Seehofer nun zu verspielen."
Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic warf Seehofer eine "sture Verweigerungshaltung" vor. Die Aktion erinnere sie an die drei Affen aus einem japanischen Sprichwort: "Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen." Dabei sei es "unbestritten, dass es Fälle von Racial Profiling in der Polizei gibt", sagte Mihalic. "Wir müssen wissen, wie groß das Problem ist, um Lösungen entwickeln zu können."
Grüne: Innenministerium darf nicht wegschauen
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt schrieb auf Twitter: "Statt Pauschalurteilen brauchen wir mehr Forschung & Daten zu Racial Profiling und Missständen in der Polizei." Das Innenministerium dürfe nicht wegschauen.
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Schärfer reagierte die Linkspartei. "Solange schon der offene Diskurs und wissenschaftliche Studien über rassistische Strukturen und Einstellungen in den Behörden auf diese Weise unterbunden wird, ändert sich nichts", kritisierte Linken-Vizechefin Martina Renner. "Vielmehr erhalten die angeblichen 'Einzelfälle' Rückendeckung von höchster Ebene."
BMI hielt Studie ursprünglich für sinnvoll
Noch Mitte Juni sah alles danach aus, als würde die Studie in Auftrag gegeben werden. Man stehe noch am Anfang, hatte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums (BMJV) in der Regierungspressekonferenz vom 12. Juni gesagt. "Es ist aber klar, dass es diese Studie geben soll." Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums (BMI) hatte damals auf Anfrage erklärt: "BMI und BMJV sind derzeit in der konzeptionellen Entwicklung für eine Studie zu Racial Profiling in der Polizei. Da das genaue Studiendesign im Einzelnen noch nicht feststeht, können noch keine konkreteren Angaben zu weiteren Details gemacht werden."
Dass der Innenminister die Studie nicht für sinnvoll halte, wollte ein Sprecher des SPD-geführten Justizministeriums am Sonntag nicht kommentieren. Er verwies aber auf eine frühere Aussage seines Hauses: "Aus Sicht des Bundesjustizministeriums ist eine Studie zu Racial Profiling – bezogen auf den Bund und die Länder – ein wichtiger Schritt, um fundierte Erkenntnisse über das Phänomen zu erlangen und darauf aufbauend über mögliche Gegenmaßnahmen zu diskutieren."
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP