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Friedrich Merz exklusiv: CDU-Hoffnungsträger spricht über AKK


Interview
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Friedrich Merz im Interview
“Große Koalitionen zehren die politische Mitte aus”

InterviewEin Interview von Tim Kummert und Florian Harms

Aktualisiert am 01.02.2020Lesedauer: 7 Min.
Friedrich Merz: Der CDU-Politiker hatte mit einem Tweet über Antisemitismus viel Kritik auf sich gezogen. Im Interview mit t-online.de steht er zu seiner Äußerung.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz: Der CDU-Politiker hatte mit einem Tweet über Antisemitismus viel Kritik auf sich gezogen. Im Interview mit t-online.de steht er zu seiner Äußerung. (Quelle: Urban Zintel für t-online.de)
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In der CDU wird ein Wechsel der Minister diskutiert,

Seit Wochen gärt es in der Union: Noch im Frühjahr könnte es zu einem Austausch von Ministern im Bundeskabinett kommen, sowohl die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer als auch CSU-Chef Markus Söder haben dafür ihre Offenheit signalisiert.

Ein möglicher Kandidat als neuer Minister ist dabei Friedrich Merz. Der ehemalige CDU-Fraktionschef unterlag auf dem Parteitag im Dezember 2018 Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Wahl um die Parteispitze. Doch große Teile der Union drängen seitdem immer wieder darauf, dass Merz stärker eingebunden werden soll.

Im Interview mit t-online.de erklärt Merz, wie er die aktuelle Debatte wahrnimmt, worin für ihn der inhaltliche Kern der Union besteht – und warum er die Grünen als schärfsten politischen Konkurrenten, aber auch als möglichen Koalitionspartner sieht:

t-online.de: Herr Merz, Ihre Partei sinkt seit Jahren in den Umfragen und liegt aktuell konstant unter 30 Prozent. Was macht die CDU falsch?

Friedrich Merz: Zunächst: Die CDU hat die letzte Bundestagswahl mit knapp 33 Prozent gewonnen, die vorletzte mit 41 Prozent. Wir befinden uns in einer Phase des Übergangs, und dieser Übergang dauert nun relativ lange. Damit nimmt die Verunsicherung auch bei den Wählern zu. Dennoch bin ich für die nächste Bundestagswahl sehr zuversichtlich, dass wir mindestens 35 Prozent der Stimmen bekommen können, das Potenzial gibt es.

Sie betonen immer, dass Sie sich einbringen wollen, auch Parteichefin Kramp-Karrenbauer begrüßt Ihr Engagement – aber Sie haben ein Jahr nach Ihrer Rückkehr auf die bundespolitische Bühne immer noch kein relevantes Amt und keine wichtige parteiinterne Funktion. Meinen Sie Ihre Bereitschaft, sich einzubringen, wirklich ernst?

Selbstverständlich, ich komme beispielsweise gerade aus Pinneberg, ich mache Veranstaltungen in ganz Deutschland für die Union. Es gibt nicht viele, die im Augenblick mehr im Land für die Partei unterwegs sind als ich. Zudem trage ich dazu bei, dass die CDU wieder ein inhaltliches Profil bekommt.

Dass Sie aktuell kein Amt haben, empfinden Sie also nicht als Makel?

Das ist im Augenblick kein Problem. Wir reden über Ämter, wenn es so weit ist.

Auch über die Kanzlerschaft?

Es sind zurzeit alle Personalfragen beantwortet.

Die Union ist doch längst mittendrin in der Personaldebatte: Markus Söder wünscht eine Kabinettsumbildung und ist damit ja nicht der Einzige.

Die Personalentscheidungen liegen in der Hand der beiden Parteivorsitzenden, und sofern das Bundeskabinett betroffen ist in der Hand der Bundeskanzlerin. Diese drei führen den Prozess, und sie haben Anspruch darauf, dass die, die in der Partei arbeiten, sie dabei unterstützen. Da schließe ich mich selbst ausdrücklich mit ein.

Viele Unionsanhänger wünschen sich aber, dass Sie endlich wieder ein Amt übernehmen.

Wissen Sie, wir reden jetzt seit Anfang dieses Interviews fast nur über Personalfragen. Ich kann Ihr Interesse daran verstehen, aber gibt es auch noch Sachthemen, an denen Sie interessiert sind?

Sie haben doch selbst damit angefangen. Im Oktober sagten Sie: Das Bild, das die Bundesregierung abgibt, sei "grottenschlecht". Und da wundern Sie sich, dass wir Sie fragen, ob die richtigen Personen im Amt sind?

Es hat sich eine Menge getan seit Oktober: Die Bundeskanzlerin ist außenpolitisch sehr aktiv. In einigen Themen ist die Koalition ganz gut vorangekommen, die neue Führung der SPD hat beigedreht. Und der Parteitag der CDU in Leipzig liegt hinter uns, wo Annegret Kramp-Karrenbauer von den Delegierten erneut und eindeutig das Vertrauen ausgesprochen bekommen hat.

Wie bewerten Sie denn gegenwärtig die Arbeit von Annegret Kramp-Karrenbauer?

Sie hat unter extrem schwierigen Bedingungen begonnen, und sie hat das Verteidigungsministerium zusätzlich übernommen. Das Adenauerhaus hat auch dank der Arbeit des Generalsekretärs offenbar Tritt gefasst, und die Partei ist mitten im Prozess eines neuen Grundsatzprogramms. Das sind alles ganz gute Voraussetzungen, um im Jahr 2020 voranzukommen.

Weniger klar scheint die Position Ihrer Parteifreunde in Thüringen in Bezug auf mögliche Koalitionen zu sein: Dort wollten Teile des Landesverbands mit den Linken, andere mit der AfD zusammenarbeiten. Finden Sie das in Ordnung?

In Thüringen zeigt sich, was passieren kann, wenn die politische Mitte immer weiter ausdünnt und keine rechnerischen Mehrheiten in der Mitte mehr möglich sind. Aber gleichwohl muss der Beschluss der CDU gelten: Keine institutionelle Zusammenarbeit mit den Extremen von Links oder Rechts.

Die unklare Linie der CDU dort ist also nicht symptomatisch für die ganze Partei?

In Thüringen ist eine schwierige Situation entstanden, und die CDU dort musste sich intern erst darauf einstellen. Mike Mohring fährt jetzt einen klaren Kurs.

Trotzdem stellen sich offenkundig immer mehr Bürger die Frage, was eigentlich noch der inhaltliche, unverrückbare Kern der CDU ist.

Dieser Kern ist unverändert: Die Union steht als Volkspartei für liberale, soziale und – so hoffe ich jedenfalls – wertkonservative Positionen.

Was bedeutet das konkret?

Als bürgerliche Partei der Mitte müssen wir vor allem drei Gruppen in unserer Gesellschaft erreichen: die Leistungsträger, die Umweltbewussten und diejenigen, die sich um den Zusammenhalt und die Identität unserer Gesellschaft Sorgen machen. Wobei sich die Gruppen ja auch zu einem erheblichen Teil überschneiden. Zusammen genommen ergibt sich daraus ein Potenzial, das sicher bei 35 bis 40 Prozent liegt.

Was verstehen Sie denn genau unter dem Begriff "wertkonservativ"?

Wertkonservativ ist es, die Werte, die unsere freiheitliche Gesellschaft ausmachen, zu erhalten und zugleich an der Spitze des Fortschritts zu stehen.

Das ist ziemlich allgemein, das könnten so vermutlich auch die Anhänger des konservativen Seeheimer Kreises der SPD unterschreiben.

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Die sind aber in der SPD, die eine ziemlich strukturkonservative Partei ist, vollkommen in der Minderheit.

In der SPD vielleicht nicht alle, aber womöglich die FDP-Anhänger. Deren Parteichef Christian Lindner hat kürzlich bei uns im Interview ähnliche Prioritäten genannt. Daher noch mal die Frage: Was genau zeichnet nur die CDU aus?

Wir sind eine Partei für die ganze Gesellschaft, nicht nur für einzelne Gruppen. Wir sind nicht die etwas härteren Sozialdemokraten und auch nicht die etwas weicheren Liberalen. Wir haben ein Grundverständnis von Politik und Verantwortung in unserer Gesellschaft, das sich mit unserem christlichen Menschenbild verbindet.

Also gibt es in der CDU keinen Platz für Muslime?

Ich bitte Sie! Muslime werden sogar in der CSU gebeten, zum Beispiel als Bürgermeisterkandidat anzutreten.

Aber der Kandidat im bayerischen Wallerstein, auf den Sie anspielen, hat seine Kandidatur zurückgezogen. Der Widerstand an der erzkonservativen CSU-Basis gegen ihn als Muslim war zu groß.

Und in Neufahrn kandidiert jetzt für die CSU ein Muslim als Bürgermeister, der einstimmig nominiert wurde. Das zeigt: Auch ein Muslim, der auf dem Boden unserer Wertvorstellungen steht, ist herzlich willkommen.

Eine Möglichkeit zur klaren Positionierung bietet sich jetzt: Die neuen SPD-Vorsitzenden fordern in der großen Koalition eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Da müsste die CDU Ihrer Ansicht nach hart bleiben und das ablehnen, richtig?

In der Tat, denn die SPD beharrt an anderer Stelle ebenfalls darauf, an diesem Vertrag festzuhalten, und das gilt dann natürlich für beide Seiten. Und im Koalitionsvertrag ist von einem Mindestlohn in dieser Höhe nicht die Rede.

Fänden Sie es gut, wenn die große Koalition vor Ablauf der Legislaturperiode beendet wird, damit solche Kämpfe nicht mehr ausgefochten werden müssen?

Es ist ja kein Geheimnis, dass ich große Koalitionen immer für eine Notlösung halte. Leider haben wir uns in Deutschland zu sehr an dieses Modell gewöhnt. Doch letztendlich zehrt das die politische Mitte aus, der permanente Druck auf Konsens und Kompromisse zwischen den Koalitionspartnern verlagert die streitigen Diskussionen an die politischen Ränder. Und dann ist die AfD die größte Oppositionsfraktion geworden, das muss ein Warnsignal für alle Demokraten sein!

Nach der nächsten Wahl könnte Deutschland von einer schwarz-grünen Bundesregierung regiert werden. Finden Sie als Konservativer diese Vorstellung attraktiv?

Die Grünen sind vermutlich und zuerst einmal unser Hauptgegner bei der nächsten Bundestagswahl. Was danach kommt, muss man sehen. Ich schließe nicht aus, dass es rechnerisch auch eine grün-rot-rote Mehrheit im Bundestag gibt. Bis zum Wahltag ist sich jeder selbst der Nächste.

Sollte es tatsächlich zu einem schwarz-grünen Bündnis kommen, wo wären aus Ihrer Sicht die roten Linien der CDU gegenüber den Grünen?

Die roten Linien verlaufen dort, wo die Grundlagen unserer Industriegesellschaft infrage gestellt werden. Die Unternehmen müssen auch in Zukunft in Deutschland produzieren können, egal ob große Industrieunternehmen oder eigentümergeführter Mittelstand. Diese Unternehmen entwickeln auch die Technologien für die Zukunft, nicht zuletzt um die Herausforderungen des Klimawandels zu lösen. Ich bin sehr dafür, dass wir noch mehr für den Umweltschutz tun – aber bitte und vorrangig mit marktwirtschaftlichen Instrumenten.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther von der CDU verfolgt in seiner Koalition mit den Grünen und der FDP das Prinzip, dass man sich nicht bei jedem Thema auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt, sondern jede Partei ressortintern ihre Positionen durchsetzen kann. Eine gute Idee?

Das macht Sebastian Kurz ja auch gerade in Österreich: Jeder Koalitionspartner hat seine Themen, die er hundertprozentig durchsetzen kann. Das könnte durchaus auch ein Modell für zukünftige Koalitionen unter Führung der Union auf Bundesebene sein.

Was würden Sie denn hundertprozentig den Grünen zugestehen?

Die Antwort auf diese Frage gehört sicher nicht in ein Interview, und schon gar nicht vor der Wahl!

Wenigstens ein kleiner Hinweis?

Wichtig ist, gegenseitig abzuklären, wo die Grenzen sind, und dabei auch Spielräume zu lassen. Ich bin kein Befürworter eines mehrere hundert Seiten umfassenden Koalitionsvertrages, der alles bis ins kleinste Detail regelt, um dann seitenweise die Themen abzuhaken. Diese Arbeit könnte man auch den Beamten überlassen. Politik besteht darin, bei Bedarf auch situationsbezogen zu handeln und immer wieder neue Antworten zu geben.

Herr Merz, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Friedrich Merz in Berlin.
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