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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Illegale Wilderei in Deutschland "Dies sollte die Bundesregierung ernst nehmen"
Der Handel mit Wildtieren ist ein Milliardengeschäft weltweit. Auch Deutschland und Europa sind längst zu wichtigen Umschlag- und Zielplätzen geworden. Die Grünen fordern konsequentes Handeln von der Regierung.
Neben Drogen- und Waffenhandel gehört der Handel mit Wildtieren und Wildtiererzeugnissen längst zu den lukrativsten illegalen Geschäften weltweit. Laut einer Analyse der NGO Global Finance Integrity von 2017 werden jährlich bis zu 23 Milliarden US-Dollar mit dem Handel geschützter Tiere umgesetzt – Tendenz steigend. Die Fraktion der Grünen im Bundestag wollte von der Bundesregierung wissen, welche Kenntnisse sie über den illegalen Handel mit geschützten Tier- und Pflanzenarten in Deutschland hat. Konkret bezog sich die Frage auf zwei von Interpol und der Weltzollorganisation durchgeführte Operationen, bei der weltweit Tausende Tiere und Tierprodukte sichergestellt wurden.
"Beide Operationen geben Hinweise darauf, dass Deutschland und Europa weniger Herkunfts-, jedoch durchaus Transit- und auch Bestimmungsregionen von Exemplaren und Erzeugnissen geschützter Arten sind", heißt es in der Antwort, die t-online.de exklusiv vorliegt. Zudem wiesen die Funde darauf hin, dass besonders tote Exemplare und zunehmend Reptilien und andere "Exoten" in die EU und nach Deutschland eingeführt würden.
3.854 Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz zwischen 2010 und 2018
Bei den Aktionen von Interpol, "Operation Blizzard" und "Operation Thunderball", wurden in Deutschland neben verschiedenen Tierprodukten wie Krokodil- oder Schlangenleder auch lebende Exemplare geschützter Tiere, insbesondere Schlangen, beschlagnahmt. Hinzu kamen Funde wie Korallen, medizinische Produkte aus geschützten Pflanzenarten oder Elfenbein. Insgesamt kam es nach Angaben der Bundesregierung zur Einleitung von sieben Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Bundesnaturschutzgesetz und illegalem Besitz von geschützten Reptilien.
Zwischen 2010 und 2018 wurden laut Bundesregierung insgesamt 3.854 Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz registriert. Wie viele dieser Verstöße auf Handel mit international geschützten Arten zurückzuführen sind, ließe sich aber nicht bestimmen.
Der Anteil der nach dem Bundesnaturschutzgesetz begangenen Straftaten betrug im Jahr 2016 2,5 Prozent der gesamten Umweltstraftaten. Genauere Erkenntnisse über den Stellenwert des illegalen Wildtierhandels in Deutschland lägen der Bundesregierung jedoch nicht vor, hieß es in der Antwort.
Kontrolldefizite der EU in der Bekämpfung von illegalem Wildtierhandel
Auf die Frage, wie die Bundesregierung die Rechtslage in Deutschland und Europa bewertete, hieß es in der Antwort, dass man die deutsche Gesetzgebung und den europäischen Rechtsrahmen zur Bekämpfung des illegalen Tierhandels für ausreichend erachte. Gleichzeitig räumte die Regierung ein, dass Kontrolldefizite in der EU die Bekämpfung von Umweltkriminalität und auch des illegalen Wildtierhandels erschweren würden.
Einen der Schwerpunkte in der Bekämpfung von illegalem Artenhandel sieht die Bundesregierung beim illegalen Handel mit Glasaalen. Ein anderer Schwerpunkt sei der Handel mit Amphibien und Reptilien, die vermehrt für den Heimtierbedarf nach Deutschland und in die EU gehandelt würden.
"Die Bundesregierung muss endlich ihren Koalitionsvertrag umsetzen"
"Es ist klar: Wilderei mit ihren Milliardengewinnen gehört längst zur international organisierten Kriminalität und gilt laut UN als schweres Verbrechen. Diese Ausbeutung von Wildtieren ist auch Ursache für den Rückgang des Reichtums von Tieren und Pflanzen. Auch Europa und Deutschland gelten inzwischen als Umschlagplatz und Zielregionen für Exemplare und Erzeugnissen geschützter Arten. Diese Zusammenhänge sollte auch die Bundesregierung sehr ernst nehmen" , kommentiert die Sprecherin für Naturschutzpolitik, Steffi Lemke, die Antwort auf die Kleine Anfrage.
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"Besonders das konsequente Elfenbeinhandelsverbot wäre ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Wilderei", sagt Lemke weiter. "Die Bundesregierung muss endlich ihren Koalitionsvertrag umsetzen und im Bereich Exoten und Tierbörsen handeln".
- eigene Recherche