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Kampf um Grünen-Fraktionsspitze: Das sind die Stärken und Schwächen der vier Bewerber


Wahl zur Grünen-Fraktionsspitze
Alte Hasen und ein Überraschungskandidat

dpa, Teresa Dapp

23.09.2019Lesedauer: 4 Min.
Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter: Das Duo will sein Amt behalten.Vergrößern des Bildes
Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter: Das Duo will sein Amt behalten. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Grünen wählen ihre Fraktionschefs neu – und es wird spannend. Das Duo Hofreiter und Göring-Eckardt will sich im Amt halten, Ex-Parteichef Özdemir hält mit Teamparterin Kappert-Gonther dagegen. Ein Vergleich.

Bei den Grünen ist ganz oben mehr Platz als in anderen Parteien, das Prinzip der Doppelspitze macht's möglich. Doch auf die beiden Chefposten in der Grünen-Bundestagsfraktion gibt es an diesem Dienstag vier Bewerber. Drei sind altbekannte Gesichter auf der bundespolitischen Bühne, eine hatte bisher kaum einer auf dem Zettel: Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt wollen im Amt bleiben, Cem Özdemir und Kirsten Kappert-Gonther wollen sie ablösen. Es geht dabei um mehr als für zwei Jahre die Fraktion zu führen.

Spätestens 2021 wird der Bundestag neu gewählt. Derzeit spricht viel dafür, dass die Grünen dann mitregieren – etwa mit CDU und CSU. Dann gibt es Ministerposten zu verteilen – und die Fraktionschefs sind dann, neben oder hinter den beiden Parteichefs, in der Pole Position.

Frauen treten im ersten Wahlgang an

Fragt man unter den Abgeordneten herum, scheinen Hofreiter und Göring-Eckardt die besseren Chancen zu haben. Überraschungen sind aber nicht ausgeschlossen. 67 Mitglieder hat die Fraktion, 34 Stimmen brauchen die Bewerber, um gewählt zu sein. Einen der beiden Chefposten muss eine Frau innehaben. Im ersten Wahlgang sollen am Dienstag zuerst die beiden Frauen gegeneinander antreten, auf den zweiten Platz dann die Männer. So haben die vier es vereinbart.

Wie immer es ausgeht, ein Richtungswechsel der Grünen steht eher nicht an – aber in ihren Biografien und Schwerpunkten unterscheiden die Bewerber sich:

Cem Özdemir (53)

Der langjährige Parteichef wollte schon vor zwei Jahren antreten, sondierte die Lage und sagte: "Ich habe erkennbar keine Mehrheit." Diesmal lässt der Schwabe es drauf ankommen.

Was für ihn spricht: Der Erzieher und Sozialpädagoge ist einer der prominentesten Grünen, der sich noch in der Liste der beliebtesten Politiker hielt, als er nur noch Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag war. Als Gastarbeitersohn, Bildungsaufsteiger und erstem Abgeordneter türkischer Herkunft im Bundestag hat er eine Biografie, die Mut machen kann – und sich gut erzählen lässt. Er gilt als exzellenter Redner mit Gefühl für Pointen, hat ein wirtschafts- und außenpolitisches Profil und kann Schwarz-Grün im Bund den Weg ebnen.

Was gegen ihn spricht: Die Grünen denken nicht so gern an die Zeit zurück, in der Özdemir die Partei mit Simone Peter geführt hat. Offener Streit und interne Querelen waren an der Tagesordnung. Vielen Parteilinken und selbst manchen vom Realo-Flügel ist er zu pragmatisch-bürgerlich und zu wirtschaftsfreundlich. Kritiker finden, Özdemir setze sich selbst zu sehr in Szene und sei kein Teamplayer.

Kirsten Kappert-Gonther (52)

Dass die Gesundheitsexpertin aus Bremen gemeinsam mit Özdemir antritt, war eine echte Überraschung.

Was für sie spricht: Die gebürtige Marburgerin hat sich in den vergangenen Wochen als zupackende Politikerin mit Leitungserfahrung präsentiert, die neben Özdemir auf keinen Fall eine Nebenrolle spielen will. "Mein Beruf verhilft mir zu einem besonderen Blick", sagte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie der "taz". Politisch hat sie ein linkes Profil, hält Umverteilung für wichtig – damit könnte sie bei Grünen punkten, die den linken Parteiflügel derzeit für zu defensiv halten.

Was gegen sie spricht: Kappert-Gonther zog erst 2017 in den Bundestag ein und fiel bundespolitisch seitdem außerhalb ihres Fachgebiets nicht weiter auf. In der Bremischen Bürgerschaft war sie Vize-Fraktionschefin und führte 2017 die Landesliste – für den engsten bundespolitischen Führungskreis halten Kritiker das für zu wenig. Mit ihrer Kandidatur hat sie manch einen im linken Flügel der Fraktion überrascht und damit auch vor den Kopf gestoßen.

Anton Hofreiter (49)

Kurz nachdem die Herausforderer ihre Bewerbung öffentlich machten, stellte der Bayer klar, dass er nach sechs Jahren an der Fraktionsspitze noch nicht abtreten will.

Was für ihn spricht: Markiger Dialekt, in ländlicher Umgebung aufgewachsen, benennt als Biologe mühelos Bäume und Blumen – Hofreiter, in der Partei Toni genannt, ist "Öko" durch und durch, er steht für die Kernthemen der Grünen. Der Parteilinke erntet auf Parteitagen oft donnernden Applaus, wenn er auf der Bühne lospoltert. An der Fraktionsspitze folgte er nach dem vermurksten Wahlkampf 2013 auf Jürgen Trittin, hat aber anders als sein prominenter Vorgänger den Ruf, stabile Brücken ins Realo-Lager zu bauen.

Was gegen ihn spricht: Fast immer fällt das Stichwort "Außenwirkung", wenn es um Hofreiters Schwächen geht. Redestil, Auftreten, Erscheinung – so wichtig seine Wirkung nach innen sei, nach außen fehle ihm nun mal die Strahlkraft. Als die Basis per Urwahl die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl bestimmte, landete Hofreiter abgeschlagen auf Platz drei.

Katrin Göring-Eckardt (53)

Gemeinsam mit Hofreiter rückte sie 2013 an die Fraktionsspitze – und hat ebenfalls nicht vor, diesen Platz schon jetzt zu räumen.

Was für sie spricht: Göring-Eckardt kann netzwerken und sich durchsetzen. 2013 war sie neben Jürgen Trittin Spitzenkandidatin – während er in die zweite Reihe abtreten musste, übernahm sie die Fraktion. Dass sie aus Thüringen kommt, ist vor der Landtagswahl im Oktober ein Pluspunkt für die Tanzlehrer-Tochter, die in Gotha aufwuchs. Sie gehört zum Realo-Flügel, hat aber zu Hause Rot-Rot-Grün mitverhandelt und eher ein Mitte-Image. Ihre enge Verbindung zur evangelischen Kirche wirkt in ein Milieu, in dem die Grünen punkten.


Was gegen sie spricht: KGE, wie sie Grünen-intern heißt, ist nicht übermäßig beliebt in der Fraktion. Zu viel Machtinstinkt, zu sehr auf ihren Vorteil bedacht, heißt es, oder auch: zu farblos, nicht leidenschaftlich genug. Liebling der Basis ist sie auch nicht unbedingt, wie sich beim Parteitag in Hannover zeigte – erst im zweiten Anlauf schaffte die 53-Jährige, die schon Großmutter ist, es, in den Parteirat gewählt zu werden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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