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Groko-Regierungserklärung: Merkel sagt der CSU den Kampf an – die kontert


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Groko-Regierungserklärung
Merkel sagt der CSU den Kampf an – die kontert

Eine Analyse von Jonas Schaible, Bundestag

Aktualisiert am 21.03.2018Lesedauer: 3 Min.
Merkel, im Hintergrund CSU-Chef Seehofer (2. v. l.): Es bahnt sich ein großer Konflikt in der Union an. Schon wieder.Vergrößern des Bildes
Merkel, im Hintergrund CSU-Chef Seehofer (2.v. l.): Es bahnt sich ein großer Konflikt in der Union an. Schon wieder. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)
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In ihrer Regierungserklärung beantwortet die Kanzlerin die Gretchenfrage dieser Zeit. Damit stellt sie sich offen gegen die CSU. Deren Spitze zeigt aber, dass sie sich nicht einfach fügen will.

Manchmal wird langes Warten belohnt. Für die erste Regierungserklärung der wohl letzten Amtszeit der Kanzlerin gilt das. Erst mit dem letzten, dem allerletzten Satz macht Angela Merkel eine klare Ansage. Er lautet: "Deutschland, das sind wir alle."

Beim ersten Hören wirkt er wie ein banaler Satz, aber auch banale Sätze können historische Größe erlangen. Merkel selbst hatte darauf anfangs verwiesen, auf ihr "Wir schaffen das", auch so ein banaler Satz, wie sie sagte, ein Satz, immer wieder gesagt, der sich in einem bestimmten Moment in einem bestimmten Kontext trotzdem mit Bedeutung vollsog – wie ein Schwamm mit Wasser.

Ein solcher Satz könnte auch "Deutschland, das sind wir alle" werden.

Gretchenfrage dieser Zeit

Zweifellos war es der programmatischste Satz einer ansonsten wenig überraschenden Regierungserklärung, in der Merkel überwiegend den Koalitionsvertrag vortrug. Stichpunkt für Stichpunkt, Detail für Detail. Dieser Satz aber gibt eine Antwort auf die Gretchenfrage moderner westlicher Gesellschaften: Sag, wie hältst du es mit dem Ressentiment?

Außergewöhnlich ist: Der letzte Satz dieser Regierungserklärung beschreibt nicht das Programm der Regierung für die kommenden vier Jahre. Sondern er beschreibt das Programm der Kanzlerin – und er markiert zugleich den zentralen Konflikt innerhalb der Regierung.

Merkel sprach nicht in erster Linie zu den Deutschen oder auch nur zum Bundestag, sondern zur CSU.

CSU hat Frage beantwortet

In den ersten Tagen der neuen Regierung hat vor allem die CSU eine Antwort auf die Gretchenfrage unserer Zeit gegeben: Sie versucht, mit dem Ressentiment zu spielen. Erst erklärte Innenminister Horst Seehofer den Islam aus Deutschland heraus, dann erklärte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den Islam "egal in welcher Form" aus Deutschland heraus. Danach erklärte sekundierend der Europaabgeordnete Manfred Weber den Islam gleich aus ganz Europa heraus und schließlich setzte die CSU die Religion in sozialen Medien mit der Burka gleich.

Einen Anlass dafür gab es nicht. Allenfalls die bayerische Landtagswahl im Oktober 2018. Jetzt reden doch wieder alle über den Islam. Und über Flüchtlinge. Deutschland kommt nicht los von diesem Thema – auch weil die CSU nicht davon loskommen will.

Merkel legt sich fest

Jetzt setzte Merkel ihre Botschaft dagegen.

Erst sagte sie, es bestehe kein Zweifel, dass Gastarbeiter etwa aus der Türkei in den Sechzigern zum Wohlstand Deutschlands beigetragen hätten und "dass ihre Kinder und Enkelkinder heute zum Wohlstand ganz Deutschlands beitragen". Die meisten Muslime lehnten Extremismus und Gewalt ab. Und auch wenn die Geschichte Deutschlands zweifellos christlich und jüdisch geprägt sei, so sei doch offenkundig, dass "inzwischen ihre Religion, der Islam, Teil Deutschlands geworden ist".

Zum Schluss dann dieser Satz: "Deutschland, das sind wir alle." Also Deutsche, die an Gott glauben oder an Buddha oder an Jahwe oder an niemanden oder an Allah. Deutsche, deren Urgroßeltern schon im gleichen Dorf lebten, und Deutsche, deren Eltern aus der Türkei stammen. Vielleicht sogar Deutsche, die noch gar keine Deutschen sind, weil sie den Pass nicht haben. Oder noch nicht. Wir alle eben.

Sag, wie hältst du's mit dem Ressentiment? Ich lehne es ab, sagt die Kanzlerin.

Die Frage ist nur: Kann sie sich damit durchsetzen?

Dobrindt redet, als gehöre er zur Opposition

Alexander Dobrindt, der etwa zwei Stunden nach Merkel in der Aussprache zu Wort kommt, stellt sich gegen Ende seines Redebeitrags offen gegen die Kanzlerin. "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", ruft er.

Da zeichnet sich ein Kampf ab, heftiger als im Herbst und Winter 2015, als Seehofer Merkel auf dem CSU-Parteitag abkanzelte und bloßstellte. Ein Kampf, der schon befriedet schien mit dem Kompromiss über die Zuwanderung. Aber offenbar geht er weiter.

Wenn es Gegenmeinungen gibt, hört man sie nicht

In der CSU weicht keiner zurück. Seehofer bisher nicht. Söder sicher nicht. Wer noch etwas werden will, hält sowieso den Kopf unten. Wer schon einmal etwas war, auch. Dobrindt geht sogar zum Gegenangriff über.

Merkel, die so lange unangefochten war und sich unter FDP, Grünen und SPD mühevoll einen Koalitionspartner herbeiverhandeln musste. Die CDU-Vorsitzende, der gern die fast magische Fähigkeit nachgesagt wurde, ihre Konkurrenten aus dem Weg zu räumen, die immer als opportunistisch bis zur Prinzipienlosigkeit galt, sie hat, so sieht es aus, gegen Ende ihrer Kanzlerinschaft noch einmal einen echten politischen Gegner bekommen.

Einen in der eigenen Koalition, aus der eigenen Fraktion. Und einen, dem sie aus Prinzip nicht entgegenkommt. Zumindest darüber hat die Regierungserklärung Klarheit gebracht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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