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Mehr Schulden für Deutschland: Merz' Pläne für Militär und Infrastruktur


Auswirkungen der Staatsschulden
"Das sollte als Warnung verstanden werden"


Aktualisiert am 07.03.2025Lesedauer: 5 Min.
Friedrich Merz (l), CDU-Bundesvorsitzender, und Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender: Die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD beginnen.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz (l.), CDU-Bundesvorsitzender, und Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender: Sie haben sich auf ein Schuldenpaket geeinigt. (Quelle: Christoph Soeder)
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Union und SPD wollen massive Schulden für Militär und Infrastruktur machen. Doch was bedeutet das für die Wirtschaft?

Selten zuvor hat es in Deutschland ein solches Investitionspaket gegeben: 500 Milliarden Euro Sondervermögen für die Infrastruktur und quasi unbegrenzte Ausgaben für das Militär – nur ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) muss aus dem Haushalt stammen. Der Rest wird durch Schulden finanziert.

Das dürfte auch eine große Aufgabe für das deutsche Finanzwesen werden; die Auswirkungen sind bisher nur schwer absehbar, doch erste Folgen gibt es bereits. Fest steht: Deutschlands Schulden werden massiv ansteigen, die Zinslast wird sich erhöhen.

Die Hoffnung ist, dass eine wachsende Wirtschaft die Schulden teilweise ausgleicht. Doch Banken, Unternehmen und Ökonomen sind sich in vielen Punkten uneinig, ob das Programm, das der wahrscheinliche nächste Kanzler Friedrich Merz (CDU) zusammen mit den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie CSU-Chef Markus Söder angekündigt hat, diese Hoffnung auch erfüllen kann.

Banken fordern weitere Reformen

So sehen die Banken zwar die Notwendigkeit der Schulden, warnen aber, dass weitere Schritte folgen müssen. Die Bundesbank hatte erst kurz vor Bekanntgabe der Milliardenpläne dafür plädiert, die Schuldenbremse zu lockern. Die Maßnahmen seien "nur vertretbar, wenn sie von tiefgreifenden strukturellen Reformen begleitet werden", betont Heiner Herkenhoff, Geschäftsführer des Bankenverbandes, gegenüber t-online. Es brauche eine dynamische Wirtschaft für den schnellen Ausbau der Verteidigungsfähigkeiten. Bessere Investitionsbedingungen seien der nächste erforderliche Schritt.

"Andernfalls droht die Gefahr, dass die zusätzlichen finanziellen Mittel ineffizient verpuffen. Der Sprung bei den Kapitalmarktzinsen sollte als Warnung verstanden werden", mahnt Herkenhoff. Diese stiegen nach der Ankündigung rasant, Anleihen werden also teurer. Es deutet darauf hin, dass Investoren höhere Risiken befürchten.

Dass Deutschland sein AAA-Rating verliert und weniger attraktiv für Investoren wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Steffen Dyck von der Ratingagentur Moody’s sagte der "Welt": "Als Hinweis auf die Fähigkeit der künftigen Regierungskoalition, eine entschlossene Politik umzusetzen, ist diese Ankündigung auch ein positives Signal für die Wirksamkeit der Politik." Er glaubt, dass der zu erwartende Ausgabenanstieg das Wachstum langfristig stützen wird.

Ähnlich äußert sich die europäische Ratingagentur Scope. Analyst Eiko Sievert betont in der "Welt", auch bei einem Anstieg der Schulden werde das Schuldenniveau von 2010 nicht wieder erreicht. Damals stieg die Verschuldung Deutschland auf 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, momentan liegt sie bei rund 63 Prozent und ist damit deutlich geringerer als in anderen Industrienationen.

Zwar bleibt Deutschland weiterhin gefragter Schuldner, allerdings müssen Investoren wahrscheinlich mit höheren Zinsen gelockt werden, glaubt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank: "Anleger dürften für deutsche Staatsschulden tendenziell höhere Risikoprämien fordern." Lesen Sie hier mehr dazu, wie Deutschland Schulden aufnimmt. Was Deutschland entgegenkommt, ist hingegen der sinkende Leitzins der Europäischen Zentralbank. Diese senkte den Einlagezins am Donnerstag seit Sommer bereits zum sechsten Mal.

Wie hoch steigt die Schuldenlast?

Fest steht: Deutschlands jährliche Zinslast wird durch die Vorhaben von Union und SPD deutlich steigen. Zuletzt lagen die Zinsausgaben bei 34,2 Milliarden Euro. Nimmt Deutschland pro Jahr nun 180 Milliarden Neuschulden auf und bleibt der Zins gleich, könnte der Bund bereits 2027 rund 47,2 Milliarden Euro nur an Zinsen zahlen, ein Jahr später über 50 Milliarden Euro.

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Auch der Schuldenstand wird mit diesen Ausgaben rasant in die Höhe schnellen. Krämers Berechnungen zufolge würde die Schuldenquote jährlich um 2,5 Prozent zulegen und in zehn Jahren 90 Prozent erreichen. Er schränkt allerdings ein, dass dies auch von der Inflation abhänge und "insofern nicht einfach zu prognostizieren ist".

Von deutlich größeren Dimensionen geht Friedrich Heinemann aus, Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft am ZEW Mannheim. Er prognostiziert, "schon 2034 wird die Schulden-BIP-Quote dann 100 Prozent erreichen" und Deutschland könnte sich "zu den Hochschuldenstaaten der EU gesellen". In dem Fall dürfte das BIP aber in den kommenden zehn Jahren nicht steigen.

Sven Jari Stehn, Chefvolkswirt Europa bei Goldman Sachs, kommt auf geringere Zahlen. Denn er geht davon aus, dass das BIP durch die großen Investitionen in die heimischen Wirtschaft ebenfalls ansteigt und der prozentuale Schuldenanteil moderat ansteigt. "Eine zügige Umsetzung des Haushaltspakets dürfte das BIP-Wachstum bis 2027 um bis zu einen Prozentpunkt pro Jahr erhöhen, aber auch die Schuldenquote auf 67,6 Prozent ansteigen lassen." Würde die Regierung das Geld langsamer ausgeben, stiege die Schuldenquote laut Stehns Berechnungen bis 2027 weniger stark auf 65 Prozent ansteigen.

Mittelstand ist empört: "Von Gönn-Dir-Prinzip verabschieden"

Doch wie wirken sich die Investitionen auf die Wirtschaft aus? Vielerorts ist das Lob groß, viele Branchen hoffen auf zusätzliche Einnahmen durch staatliche Investitionen und ein Ende der Konjunkturflaute. Dagegen zeigt sich der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMV) empört. Geschäftsführer Christoph Althaus kritisiert bei t-online das Fehlen der Priorisierung der Ausgaben, der Einsparungen und des Einsatzes von privatem Kapital.

Er wirft Friedrich Merz Wortbruch vor: "Die Union ist gut beraten, sich vom Gönn-Dir-Prinzip eines möglichen Koalitionspartners zu verabschieden und endlich an Reformen zu arbeiten, die sie selbst immer wieder angemahnt hat." Zwar würden auch mittelständische Unternehmen von den Inventionen profitieren, die negativen Aspekte würden aber überwiegen, glaubt Althaus. "Mega-Schulden verdrängen private Investitionen und heizen Inflation und die Preis-Lohn-Spirale an. Beides schadet nicht nur Unternehmen, sondern auch dem Otto-Normal-Verbraucher."

Anders sieht es erwartungsgemäß die Rüstungsindustrie. Dort zeigt man sich erfreut über die Reform der Schuldenbremse zugunsten des Militärs. So betont Hans Christoph Atzpodien, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV): "Diese Entscheidung wirkt wie eine Art Befreiungsschlag." Nun müssten die Kapazitäten der Rüstungsunternehmen hochgefahren werden.

Dafür plädiert er unter dem Motto "Autos zu Rüstung" für eine Übernahme des Personals der gebeutelten Automobil- und Zulieferbetriebe. "Anstatt einen volkswirtschaftlichen Schaden durch den Abschwung der Auto-Konjunktur zu beklagen, sollten wir versuchen, Produktionseinrichtungen und vor allem Fachkräfte aus dem Automobilsektor möglichst verträglich in den Defence-Bereich zu überführen."

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Noch nicht eindeutig definiert ist dagegen, welche Bereiche das Infrastruktur-Sondervermögen umfassen soll. Dementsprechend hofft auch der Paritätische Wohlfahrtsverband auf Investitionen in den sozialen Bereich. Geschäftsführer Joachim Rock begrüßt das Sondervermögen ausdrücklich und fordert bei t-online: "Die öffentliche und gemeinnützige Bildungs-, Betreuungs- und Pflegeinfrastruktur muss modernisiert und nachhaltig gestaltet werden." Er sieht in der Investitionsoffensive in die gemeinnützige Infrastruktur eine "notwendige Voraussetzung, um soziale und politische Spaltungen zu überwinden".

Ökonomen zeigen sich optimisitsch

Auch viele Ökonomen glauben derweil, dass die Investitionen auch die deutsche Wirtschaft in Schwung bringen dürften. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, spricht von "einer echten Zeitenwende auch für die Finanzpolitik". "Wenn das so gelingt, dann dürfte die Stagnation der deutschen Wirtschaft jetzt schnell überwunden sein", sagte er. "Deutschland ist wieder wirtschaftlich und militärisch handlungsfähig." Bereits im Vorfeld hatte er bei t-online zusätzliche Sondervermögen gefordert. Weitere namhafte Ökonomen stimmten mit ihm überein.

Doch es gibt auch sehr kritische Stimmen unter den Ökonomen. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnt: "Der Reformdruck wird massiv sinken", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Es sei eine "extrem riskante Wette", den Reformbedarf durch Verschuldung immer weiter hinauszuschieben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Anfrage an den Paritätischen Wohlfahrtsverband

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