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Schuldenbremse: Bundesbank schlägt Reform vor – SPD und Grüne offen


Bundesbank-Idee
220 Milliarden Euro Extra-Schulden möglich


04.03.2025 - 16:43 UhrLesedauer: 4 Min.
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Neue Schulden ante portas: Bald-Kanzler Friedrich Merz muss Geld finden, um es in die Aufrüstung der Bundeswehr zu investieren. (Quelle: Axel Schmidt/reuters)
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Kurzfristig erscheint eine Reform der Schuldenbremse unwahrscheinlich, langfristig aber nicht mehr ausgeschlossen. Die Bundesbank hat dafür nun einen umfassenden Vorschlag gemacht, der eine deutlich höhere Kreditaufnahme ermöglicht.

Die SPD will es, die Grünen sowieso und auch die CDU unter ihrem Chef Friedrich Merz schließt es nicht mehr aus: Vor dem Hintergrund notwendiger Investitionen in die militärische Aufrüstung werden neue Staatsschulden in Höhe von Hunderten Milliarden Euro immer wahrscheinlicher.

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Ein Weg dahin: eine Lockerung der Schuldenbremse, für die jetzt die Bundesbank einen Reformvorschlag formuliert hat. Kern der Idee: Der Schuldenrahmen für den Bund soll spürbar wachsen, zumindest wenn die Staatsschulden insgesamt entsprechend niedrig sind. Würde der Vorschlag umgesetzt, dürfte die Bundesregierung der Notenbank zufolge bis zum Jahr 2030 rund 220 Milliarden Euro an zusätzlichen Krediten aufnehmen, was nicht nichts wäre, aber auch nicht den Summen entspricht, die derzeit kursieren.

Deutlich höherer Kreditrahmen vorgeschlagen

Dreh- und Angelpunkt des Reformvorschlags ist die sogenannte Staatsschuldenquote. Sie gibt an, wie hoch die Gesamtverschuldung des Staats in Prozent an der Wirtschaftsleistung ist. Aktuell liegt sie bei 63,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und damit oberhalb der Maastricht-Stabilitätskriterien der EU, die einen Schuldenstand von maximal 60 Prozent erlaubt. Diese 60 Prozent sollten der Bundesbank zufolge eine Art An- und Ausschalter sein für eine höhere Kreditaufnahme, die "zusätzliche Investitionen" ermöglichen soll, etwa fürs Militär oder für eine Modernisierung der Infrastruktur.

Staatsschuldenquote

Staatsschulden werden üblicherweise nicht in absoluten Summen angegeben, sondern als Prozentsatz der Wirtschaftsleistung des jeweiligen Landes, der sogenannten Staatsschuldenquote. Die Quote setzt die Summe aller Kredite von Bund, Ländern und Kommunen ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt.

Aktuell erlaubt die Schuldenbremse lediglich eine strukturelle Neuverschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des BIP – unabhängig davon, wie hoch die Schuldenstandsquote ist. Die Bundesbank plädiert nun dafür, diesen Kreditrahmen auf 1,4 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, sofern die Staatsschuldenquote auf unter 60 Prozent fällt. Von diesen 1,4 Prozentpunkten wiederum sollten 0,9 Prozentpunkte reserviert werden für Investitionen, 0,5 Prozentpunkte sollen nicht zweckgebunden sein und könnten auf sonstige Vorhaben verwendet werden.

Liegen die Staatsschulden dagegen auf einem Niveau von mehr als 60 Prozent, sollen die 0,5 Prozentpunkte entfallen, während der Investitionsanteil des Schuldenrahmens bestehen bleiben soll. "So wird einerseits eine Schuldenquote von unter 60 Prozent belohnt und zugleich Planungssicherheit für Investitionen geschaffen", erklärte Bundesbankpräsident Joachim Nagel den Vorschlag.

Der Idee zufolge würde der Kreditspielraum von Bund und Ländern kräftig steigen. Sollte die Schuldenquote bei unter 60 Prozent liegen, könnte nach Berechnungen der Bundesbank der Spielraum für die Kreditaufnahme bis 2030 um rund 220 Milliarden Euro im Vergleich zum Status quo steigen. Bei einer Schuldenquote von über 60 Prozent würde der jährliche Spielraum bis 2030 dagegen nur rund 100 Milliarden Euro höher liegen.

Schuldenbremse erlaubt kaum Großinvestitionen

Der Vorschlag der Bundesbank ist der bislang detaillierteste und konkreteste in der schon lange schwelenden Diskussion um eine Lockerung der Schuldenbremse. Er fällt mitten in die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD, die angesichts eines drohenden Ausfalls der USA als Schutzmacht für Europa über milliardenschwere Investitionen in die Aufrüstung Deutschlands und Europas verhandeln.

Die Schuldenbremse, so sehen es fast einhellig sämtliche Experten, beschränkt den Staat dabei zu sehr in seinen finanziellen Möglichkeiten: Großinvestitionen, wie sie jetzt nötig sind, seien mit ihr kaum möglich, weil der Schuldenrahmen, den man 2009 im Lichte der Weltfinanzkrise ins Grundgesetz geschrieben hat, zu gering ist.

Neben der jährlich möglichen strukturellen Neuverschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des BIP, erlaubt die konjunkturelle Komponente der Schuldenbremse die Aufnahme zusätzlicher Schulden lediglich während eines wirtschaftlichen Abschwungs. Diese Kredite müssen im Falle einer besseren wirtschaftlichen Lage wieder zurückgeführt werden.

Zudem kann die Schuldenbremse "im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notlagen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen", ausgesetzt werden. Diese Ausnahmeregelung wurde in den Jahren 2020 bis 2022 genutzt – zunächst wegen der Corona-Pandemie, dann, um die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine inklusive Energiekrise abzufedern.

SPD und Grüne offen für Reform

Für das Feststellen einer Notlage reicht im Bundestag eine einfache Mehrheit. Für eine Reform der Regelungen zur Schuldenbremse im Grundgesetz sind zwei Drittel der Stimmen im Bundestag nötig. Eine solche Mehrheit haben die potenziellen Regierungspartner SPD und Union im neuen Bundestag selbst mit den Grünen nicht. Sie wären auf Stimmen von AfD und Linken angewiesen, die zusammen eine Sperrminorität haben.

Grüne und SPD können sich deshalb eine grundsätzliche Reform der Regeln vorstellen, wie sie die Bundesbank nun als Idee präsentiert hat. Dafür aber bliebe nur wenig Zeit, vermutlich zu wenig, damit sich der alte Bundestag vor der Konstituierung des neuen Bundestags ausreichend damit befassen könnte.

Wohl auch deshalb hatte zuletzt Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der bald Kanzler sein könnte, durchblicken lassen, dass er von einer kurzfristigen Reform wenig hält. Vielmehr werden Medienberichten zufolge in den Sondierungsgesprächen mit der SPD andere Wege diskutiert, damit der Bund höhere Kredite aufnehmen kann: sogenannte Sondervermögen, die ebenfalls im Grundgesetz festgeschrieben werden und damit den bestehenden engen Rahmen der Schuldenbremse nicht berühren.

Im Raum stehen dabei Summen, die mehrere Ökonomen in einem Papier zusammengetragen haben und die die 220 Milliarden Euro Schuldenspielraum aus dem Bundesbank-Vorschlag deutlich überschreiten: Gesprochen wird demnach über ein Sondervermögen für die Bundeswehr sowie ein weiteres für Investitionen in die Infrastruktur. Beide könnten, so die Idee der Volkswirte, ein Volumen von jeweils 400 Milliarden Euro bekommen.

Verwendete Quellen
  • Bundesbank: "Solide Staatsfinanzen, gestärkte Investitionen: Ein Vorschlag zur Reform der Schuldenbremse"
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