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Bevölkerungsschutz appelliert: "Bereiten Sie sich auf Notlagen vor"


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Katastrophenschutz-Chef appelliert
"Bereiten Sie sich auf Notlagen vor"


12.12.2024 - 03:45 UhrLesedauer: 4 Min.
Feuerwehr in der Bremer Straße in Harburg: Am späten Nachmittag kam es hier zu einem Großeinsatz der Feuerwehr.Vergrößern des Bildes
Einsatz der Feuerwehr (Symbolbild): Wenn der Strom ausfällt, sind Einsatzkräfte besonders gefordert. (Quelle: Lenthe-Medien/Reimer)
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Hybride Angriffe auf die deutsche Infrastruktur nehmen zu. Der Vizepräsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz fordert jeden Haushalt auf, sich zu rüsten – auch für lang anhaltende Stromausfälle.

Die Zahl der hybriden Angriffe auf die deutsche Infrastruktur wächst. Staaten wie Russland, China oder der Iran versuchen, lebenswichtige Unternehmen und Institutionen lahmzulegen. Das Ziel: Destabilisierung.

René Funk, Vizepräsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), richtet sich nun eindringlich an die deutsche Bevölkerung: "Ich appelliere an die Bürgerinnen und Bürger: Bereiten Sie sich auf Notlagen vor, dies kann auch länger andauernder Stromausfall sein", sagt er t-online. "Notlagen müssen nicht eintreten, sind aber jederzeit möglich."

Es sei ein "unbequemer Gedanke", an den man sich hierzulande erst wieder gewöhnen müsse. "Wir haben in Deutschland lange von der Friedensdividende profitiert", sagt Funk. Der Gedanke, sich für Bedrohungen von außerhalb zu rüsten, liege vielen Menschen fern.

Doch es sei notwendig: Die Zahl der Attacken auf die kritische Infrastruktur aus dem Ausland steige. "Wir sind bereits jetzt täglich einer Vielzahl von hybriden Angriffen ausgesetzt", so Funk. "Wir müssen nicht nur militärisch verteidigungsfähig sein, sondern auch im Zivil- und Katastrophenschutz."

Wasser und Lebensmittel für 72 Stunden

Der BBK-Vize Funk fordert konkret: "Jeder deutsche Haushalt sollte so gerüstet sein, dass er sich drei Tage lang selbstständig versorgen kann." Das gelte auch für länger anhaltende Stromausfälle. "Viele Menschen bedenken nicht, was dann alles nicht mehr funktionieren würde: das Licht, der Herd, in Teilen die Wasserversorgung, das Internet, die Geldautomaten."

Die Vorbereitungen könnten dabei ganz nach eigenem Bedarf und Geschmack variieren und müssten nicht viel kosten, sagt Funk. "Wichtig sind: Lichtquellen, die nicht vom Strom abhängig sind – also etwa batteriebetriebene Lampen, Kerzen oder Streichhölzer. 1,5 Liter Wasser pro Tag und Person – auch für die persönliche Hygiene. Lebensmittel für 72 Stunden. Das können Konserven von Lebensmitteln sein, die nicht gekocht werden müssen, Nüsse, Kekse oder Salzstangen. Und: ein batterie- oder kurbelbetriebenes Radio, um sich weiter informieren zu können." Auch Bargeld sollte vorgehalten werden.

Internet, Telefon, Supermärkte und Tankstellen fallen aus

Funks Bundesbehörde spielt bei möglichen Krisen und Katastrophen eine zentrale Rolle. Sie ist unter anderem für die Warnung der Bevölkerung sowie für Risikoanalysen zuständig. Ein großflächiger und lang anhaltender Stromausfall ist hierbei ein "reasonable worst case"-Szenario: unwahrscheinlich, aber möglich.

Bisher war die Ursache für solche Ausfälle in Deutschland nicht eine hybride Kriegsführung. 2019 durchtrennte zum Beispiel in Berlin ein Bauunternehmen bei Bohrungen zwei zentrale Stromleitungen. Im Stadtteil Berlin-Köpenick herrschte in 31.000 Haushalten und 2.000 Betrieben Ausnahmezustand, erst nach 31 Stunden gab es wieder Strom. Im Münsterland in Nordrhein-Westfalen führten schwerer Schneefall und Eis 2005 dazu, dass 250.000 Menschen zum Teil bis zu 50 Stunden von der Stromversorgung abgeschnitten waren.

Diese Beispiele illustrieren gut, was der Bevölkerung im Ernstfall bevorsteht: Nicht nur das Licht fällt aus – sondern auch das Internet, die Heizung, Teile des Mobilfunk- und Festnetzes. In den meisten Fällen ist auch die Wasserversorgung lahmgelegt – sie wird in der Regel mit Pumpen betrieben, die ebenfalls auf Strom angewiesen sind. Bahnen können nicht mehr fahren, Ampelanlagen und die Zapfsäulen an den meisten Tankstellen funktionieren nicht. Supermärkte müssen schließen, weil Schiebetüren, Kühlungen und Kassensysteme ausfallen.

Krankenhäuser sind dazu verpflichtet, Notstromaggregate vorzuhalten, die mindestens 72 Stunden lang Strom liefern können. Während des Stromausfalls in Berlin-Köpenick allerdings hatte das Notstromaggregat im DRK-Klinikum Köpenick immer wieder Aussetzer. Patienten auf der Intensivstation wurden deswegen in andere Häuser verlegt.

Katastrophenschutzbehörden als "zentrale Player vor Ort"

Für Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte und Hilfsorganisationen wie die Malteser sind solche Lagen schwer zu stemmen: Sie müssen verstärkt Präsenz zeigen und eine stark erhöhte Zahl an Fällen bearbeiten. Hier sieht BBK-Vize Funk Deutschland in der Vorbereitung auf einem "guten Weg" – allerdings mit Luft nach oben.

Die Katastrophenschutzbehörden der Kommunen seien die "zentralen Player vor Ort", um die zahlreichen zivilen Akteure in der Notfallhilfe zu koordinieren, so Funk. Viele Kommunen seien bereits gut aufgestellt, ihnen sei ihre bedeutende Rolle bewusst. "Doch wir können uns in Deutschland noch besser auf allen staatlichen Ebenen vernetzen, um so schnell reagieren zu können wie möglich."

Russland attackiert kritische Infrastruktur in ganz Europa

Funk ist nicht der Einzige, der nun vor gezielten Angriffen aus dem Ausland als neuer Ursache für Ausfälle in der kritischen Infrastruktur warnt. Die Nato-Außenminister haben bei einem Treffen in Brüssel gerade erst weitere Abwehrmaßnahmen gegen schwere Sabotageakte und Cyberangriffe auf das Bündnisgebiet beschlossen.

Insbesondere Russlands Bereitschaft wachse, "in unseren Ländern durch Sabotage physischen Schaden anzurichten und Menschenleben zu gefährden", äußerte sich ein ranghoher Beamter am Rande des Treffens. Auch China, der Iran und Nordkorea seien mit Cyberangriffen aktiv.

Schadsoftware werde verbreitet, die einerseits der Spionage diene, andererseits aber auch zu einem beliebigen Zeitpunkt Störungen auslösen könne. Russland konzentriere sich dabei auf kritische Infrastrukturen und insbesondere auf industrielle Steuerungssysteme.

Zahlreiche Sabotageakte in Europa gehen inzwischen mutmaßlich auf das Konto russischer Kräfte: Dazu zählen unter anderem die Sabotage von Bahngleisen, Brandanschläge mit Paketbomben auf Logistikunternehmen sowie Anschläge auf Verkehrswege, Strommasten und Unterseekabel. In der Regel in der Öffentlichkeit weniger laut diskutiert werden Cyberangriffe auf Behörden und Unternehmen, die aber noch wesentlich häufiger vorkommen.

Die Stromversorgung ist wegen ihrer Relevanz für die Gesamtversorgung für Angreifer ein besonders attraktives, aber auch gut geschütztes Ziel. Russland hat hier früh begonnen, Erfahrungen zu sammeln: Bereits 2015 legten mutmaßlich russische Hacker mit einem Cyberangriff in der Ukraine an Weihnachten 700.000 Haushalte lahm. Mit dieser Attacke wurde erstmals ein Stromnetz über das Internet ausgeschaltet.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräch mit BBK-Vizepräsident René Funk
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