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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Russlandreisende der AfD Da wird Weidel wütend
Hitzig diskutierte die AfD-Fraktion am Dienstag über die Russlandreise eines ihrer Abgeordneten. Konsequenzen drohen ihm nicht. Auch einen anderen Putinfreund belässt sie in prominenter Position.
Reisen nach Russland, Kontakte zu Einflussagenten Putins, Nebenjobs in Moskau: Die AfD hat zurzeit gleich mehrere Skandale zu bewältigen, die ihren Ruf als putinfreundlichste Fraktion im Bundestag befeuern. In der Fraktionssitzung am Dienstag sollten zwei Bundestagsabgeordnete im Fokus stehen, die solche Skandale ausgelöst hatten.
Scharf war dabei der Ton im Fraktionssaal in Fall 1: Rainer Rothfuß. Der Bundestagsabgeordnete aus Bayern war gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Landtagsabgeordneten Ulrich Singer, Mitte November ins russische Sotschi gefahren. t-online berichtete über die Reise exklusiv.
Vermittelt von einem Paar, das als Strippenzieher eines europaweiten Propagandanetzwerks für Putin gilt, hatten Rothfuß und Singer an einer Konferenz, dem "Brics International Forum", teilgenommen. Dort trafen sie den ehemaligen russischen Präsidenten Dimitri Medwedew, posierten mit ihm für ein Foto und gaben diversen russischen Medien Statements, in denen sie Positionen ganz im Sinne des Kreml verbreiteten.
Scharfe Kritik auch von der AfD-Chefin
Scharfe Kritik für diese Reise erntete Rothfuß in der Fraktionssitzung von seinen Kollegen und der Fraktionsspitze, besonders von AfD-Chefin Alice Weidel. So erzählten es im Anschluss mehrere Abgeordnete t-online übereinstimmend. "Selten wurde bei uns jemand so deutlich in einer Fraktionssitzung abgestraft", schilderte einer.
Hauptgrund für den Ärger der Fraktionsspitze war demnach, dass Rothfuß die Reise nach Russland ursprünglich im Namen der Fraktion wahrnehmen wollte und vorab eine Finanzierung über die Fraktion beantragt hatte. Die Fraktionsführung aber lehnte das ab – und verstand das offenbar als unmissverständlich gesetztes Signal, Rothfuß solle die Reise nicht machen. Dieses Signal aber kam bei Rothfuß nicht an – oder er ignorierte es.
Weitere Verstimmung rief dann hervor, dass Rothfuß die Reise nicht etwa selbst bezahlte, sondern sich vom Organisator der Konferenz Flug und Unterkunft zahlen ließ. Parteikollegen von Rothfuß beurteilen das im Gespräch mit t-online wahlweise als "dumm" oder "unmöglich".
Mit der Kritik in der Fraktionssitzung aber dürfte es für Rothfuß dann überstanden sein. Ordnungsmaßnahmen soll es, so der Stand bisher, nicht geben. Vielleicht verschmerzbar für den Abgeordneten, der in seiner Zeit in Russland auch eine Sauna besuchte und im Bademantel vor Bergpanorama und dampfendem Pool ein Video aufnahm, das er später auf TikTok teilte.
"Es ist wirklich der Hammer", sagte er da. "Es ist so traumhaft." Und in ironischem Ton: "Tja, das ist das Russland, das unter den Sanktionen ächzt."
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Moosdorfs Abwahl abgesetzt
Noch glimpflicher kam der zweite aktuelle Problemfall der Fraktion, Matthias Moosdorf, davon. Dabei hatten 28 Kollegen einen Antrag gestellt, um ihn als außenpolitischen Sprecher der Fraktion abzusetzen – darunter auch Mitglieder des Bundes- und Fraktionsvorstands.
Ein Grund dafür: Der Bundestagsabgeordnete aus Sachsen, der vor seiner Politikkarriere Cellist war, hatte im September eine Honorarprofessur an einer Moskauer Musikschule angenommen – und wollte sie auch nach heftiger Kritik aus anderen Parteien sowie der eigenen Partei nicht ablegen. Auch hier spielen Finanzen und Vergünstigungen eine Rolle: t-online berichtete über den Fall zuerst – Moosdorf gab, mit der Recherche konfrontiert, zunächst an, dass über seinen Vertrag noch verhandelt werde, die Stelle aber zu "international völlig üblichen Honoraren" vergütet werden solle. Später änderte er seine Aussage und gab bei anderen Medien an, dass kein Geld aus Moskau an ihn fließen solle.
In der Fraktion gilt Moosdorf vielen allerdings ohnehin als eigensinniger Eigenbrötler. Mehrere Kollegen hat er als außenpolitischer Sprecher und Leiter des Arbeitskreises Außen mit seiner Art schon verärgert. Bereits vor Monaten hatten Kollegen einen ersten Versuch lanciert, ihn als Leiter des Arbeitskreises abzusetzen.
Auch am Dienstag aber kam es dazu nicht. Moosdorfs Abwahl nämlich wurde nach Informationen von t-online überraschend von der Tagesordnung genommen und soll nun ganz begraben werden.
Vor allem zwei Gründe dafür wurden genannt: Einerseits die kurze Zeit bis zur Neuwahl – Moosdorf also sei ohnehin nicht mehr lange außenpolitischer Sprecher, mit Blick auf den Wahlkampf wolle man außerdem Negativ-Schlagzeilen vermeiden. Zweitens sei man sich nicht ganz sicher gewesen, ob die Zweidrittelmehrheit für seine Abwahl zustande kommen würde.
Die AfD bleibt damit auf ihrem gewohnt russlandfreundlichen Kurs.
- Eigene Recherchen