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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schlagabtausch bei "Caren Miosga" Dann verfällt Lindner plötzlich in Selbstmitleid
Caren Miosga fühlt FDP-Chef Lindners Glaubwürdigkeit mit knallharten Fragen auf den Zahn. Der verfällt in Selbstmitleid – und sucht Hilfe beim Publikum.
Caren Miosga hat am Sonntagabend Ex-Finanzminister Christian Lindner im Studio begrüßt und bei dieser Gelegenheit seine Glaubwürdigkeit auf den Prüfstein gestellt. Die Frage, die es zu klären galt: "Wollten Sie die Wirtschaft oder die FDP retten, Herr Lindner?" Was Miosga selbst am Ende des Abends als "lebhafte Diskussion" beschreibt, empfand der FDP-Chef offenbar zwischenzeitlich etwas anders. "Hier ist kein Tribunal", beschwerte er sich an einer Stelle, als Miosga ihm mal wieder ins Wort fiel.
Die Gäste
- Christian Lindner (FDP), Bundesvorsitzender
- Moritz Schularick, Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft
- Eva Quadbeck, Leiterin Hauptstadtredaktion RedaktionsNetzwerk Deutschland
Das kam während des Zweiergesprächs zu Beginn der Sendung gleich mehrfach vor. Mit Blick auf das sogenannte D-Day-Papier – ein internes FDP-Strategiepapier zum Ausstieg aus der Ampel – wollte Miosga Lindner entlocken, wie viel er denn wirklich von dessen Existenz wusste. "Warum so ein Dokument?", hakte sie nach und verwies darauf, dass es darin um "aktive Sabotage der Regierungspolitik gehe".
"Das weise ich zurück", entgegnete Lindner und erklärte, dass zeitgleich zur Erstellung des umstrittenen Dokuments der FDP im Kanzleramt drei verschiedene Reden für Bundeskanzler Olaf Scholz vorbereitet worden seien, von denen eine für den Fall eines Koalitionsbruchs vorgesehen war. "Sie lenken ab!", rief Miosga Lindner zur Ordnung. "Ich lenke nicht ab, diese Diskussion lenkt vom politischen Kern ab!", schoss der zurück und erntete Publikumsapplaus für seine Bitte darum, nicht ständig unterbrochen zu werden.
Lindner weicht Miosga aus
Ansonsten war es jedoch eher Miosga, die den Rückhalt des Publikums in Form von Applaus zu spüren bekam. So etwa als sie Lindner damit konfrontierte, dass sie sich einfach nicht vorstellen könne, dass er "von so einem massiven Plan", wie dem im D-Day-Dokument dargelegten, nichts gewusst habe. "Das sage ich doch überhaupt gar nicht", wich der FDP-Chef aus. Er habe nicht nur gewusst, dass man sich auf ein Ampel-Aus vorbereite, sondern das auch so gewollt. "Das leugne ich doch gar nicht", erklärte er.
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"Haben sie das dann doch in Auftrag gegeben?", beharrte Miosga. Bei seiner Antwort geriet Linder ins Stocken und brachte das Publikum damit zum Lachen. "Nicht dieses Papier", erklärte er. Das Dokument sei in seiner Stilistik "nicht so, dass man es billigen könnte", distanzierte er sich. Abgesehen von der Wortwahl gebe es derartige Papiere jedoch in den Schubladen aller Parteizentralen, so der FDP-Chef. An anderer Stelle verwies er darauf, dass er nicht jedes Dokument kennen könne, das in seiner Zentrale verfasst werde.
Mit Blick darauf, dass nach Bekanntwerden des internen Dokuments sowohl FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai als auch der Bundesgeschäftsführer der Liberalen Carsten Reymann zurückgetreten waren, wollte Miosga von Lindner wissen: "Inwiefern stellen Sie sich vor ihre Mitarbeiter?" Indem er die Gesamtverantwortung dafür übernehme, dass das Ampel-Aus eine Option war, erklärte Lindner.
Miosga kontert Lindner-Kritik
Einen kritischen Einwurf Miosgas schmetterte er mit der Feststellung ab: "Also Frau Miosga, das, was Sie letzte Woche zu wenig kritisch waren, müssen Sie diese Woche jetzt nicht alles nachholen." Die Moderatorin ließ sich dadurch nicht von kritischen Fragen abbringen. "Die alte Leier", kommentierte sie nur und erklärte, dass ihr das quasi jeder Politiker-Gast vorwerfe.
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Emotional wurde Lindner bei der Frage, wieso ihm die Bürger trotz aller Probleme noch vertrauen sollten. Weil seine Partei "ihre Existenz in die Waagschale geworfen" habe, um einen politischen Richtungswechsel zu erreichen, so die Antwort des Liberalen. Die Tatsache, dass die FDP Neuwahlen trotz ihrer schwachen Position angeregt habe, habe Ernsthaftigkeit demonstriert und rechtfertige deswegen auch Glaubwürdigkeit, so Lindner.
Was sie eigentlich glaube, was "da auch bei einem selbst los ist", wenn man gerade aus der Regierung ausgeschieden sei, fragte der Ex-Finanzminister die Moderatorin. Ob sie nicht auch glaube, dass er sich über die Entwicklung mehr als jeder andere ärgere, so Lindner. "Natürlich hat das Krisenmanagement da nicht funktioniert", räumte er ein, sprach dann aber weiter über seine Gefühle.
Lindner: "Aber da muss ich jetzt eben durch!"
Dann verfiel der FDP-Chef plötzlich in Selbstmitleid. Nun erlebe er in ihrer Talkshow, dass das Publikum bei ihren kritischen Fragen applaudiere: "Wo ich gerade mein Staatsamt aufgegeben habe für meine Überzeugungen", führte er aus. Stattdessen hätte er lieber Applaus, mit dem die Leute ausdrückten "Da steht einer für irgendwas". Teile des Publikums kamen seiner Bitte mit Klatschen nach.
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"Ich hätte es auch gern anders gehabt", schloss Lindner. Niemand ärgere sich mehr darüber, dass es derzeit nicht um die Inhalte der Sache gehe und das, was nach den Neuwahlen komme. "Aber da muss ich jetzt eben durch!"
Auf Nachfrage Miosgas stellte Lindner am Sonntagabend auch klar, dass er trotz aller Kritik keine Absicht hege, das Amt des Parteichefs niederzulegen und sich auch weiter als Spitzenkandidat bewerbe. Durch den derzeitigen "Hagelschauer mit faustgroßen Hagelkörnern" gehe er, weil er an etwas glaube und wissen wolle, ob das bei den Bürgern Unterstützung finde. "Wir werden sehen, wie glaubwürdig das wirkt – nämlich am 23. Februar", kommentierte Miosga nüchtern.
- ard.de: "Caren Miosga" vom 01. Dezember 2024