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SPD: Pistorius oder Scholz? Jetzt wird es gefährlich für den Kanzler


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SPD-Debatte um Scholz gegen Pistorius
Es bricht sich etwas Bahn


Aktualisiert am 19.11.2024 - 13:53 UhrLesedauer: 6 Min.
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Olaf Scholz beim G20-Gipfel in Rio de Janeiro: Muss er die Kanzlerkandidatur abgeben? (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Die K-Debatte in der SPD entfaltet sich mit voller Kraft, Olaf Scholz muss ernsthaft um seine Kandidatur fürchten. Setzt sich Boris Pistorius durch?

Durch die SPD rollt eine Pistorius-Welle: Sie begann mit Kommunal- und Landespolitikern, erreichte am Sonntag die SPD-Fraktion im Bundestag und hat nun auch die SPD in Nordrhein-Westfalen erfasst, den mächtigsten Landesverband der Partei. Immer mehr Sozialdemokraten sprechen sich für Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten der SPD aus – und damit gegen Olaf Scholz.

Es ist eine Revolte mit Ansage. Seit Monaten wächst der Frust in der Partei. Die schlechten Umfragewerte, der Dauerstreit in der (geplatzten) Ampel, die ständigen Wahlschlappen und nicht zuletzt ein Kanzler, der mittlerweile unbeliebter als AfD-Chef Chrupalla ist – all das scheint sich jetzt Bahn zu brechen.

An der SPD-Basis ist das Grummeln schon länger zu spüren, Abgeordnete berichten von Wahlkämpfern, "die für Scholz kein Plakat kleben" würden. Dass die Wechselstimmung nun auch das Machtzentrum der Partei erreicht hat, heißt vor allem eines: Für Scholz wird es gefährlich.

Für den Kanzler wird es jetzt gefährlich

Wie ernst die Lage ist, zeigte sich Montagabend. Der SPD-Fraktionsvize und Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Dirk Wiese, und die Co-Sprecherin des linken Parteiflügels, Wiebke Esdar, sagten dem WDR in einem gemeinsamen Statement: "Das aktuelle Ansehen von Bundeskanzler Olaf Scholz ist stark mit der Ampelkoalition verknüpft", im Zentrum stehe die Frage, "was die beste politische Aufstellung jetzt für diese Bundeswahl ist. Dabei hören wir viel Zuspruch für Boris Pistorius."

Zwei Vertreter des konservativen und linken Parteiflügels distanzieren sich gemeinsam vom amtierenden SPD-Kanzler – es ist eine heftige Klatsche für Scholz. Wiese und Esdar sind zugleich Vorsitzende der NRW-Landesgruppe im Bundestag, mit 49 Abgeordneten die größte Landesgruppe der SPD im Bundestag. Ihre offene Distanzierung von Scholz hat Gewicht. Auch könnte sie weitere Sozialdemokraten dazu bewegen, sich offen zu Pistorius zu bekennen.

Offene Feldschlacht

Während der Kanzler derzeit auf dem G20-Gipfel in Brasilien weilt, ist zu Hause das ausgebrochen, was die SPD-Chefs Lars Klingbeil und Saskia Esken unbedingt verhindern wollten: eine offene Feldschlacht. Seit Tagen erklärt die Parteispitze in jede Kamera, dass Scholz der Kanzlerkandidat der SPD bleibe. Doch immer weniger scheinen zuzuhören. Als müsste sie den parteiinternen Widersachern Paroli bieten, lehnte sich Esken am Montag besonders weit aus dem Fenster und sagte, die Scholz-Kandidatur sei "beschlossene Sache".

Ein Statement, das wiederum in der Partei zu Unmut führte. Denn beschlossen ist eigentlich gar nichts. Eine offizielle Entscheidung, die Scholz als Kanzlerkandidaten bestimmt, ist die Parteiführung nach wie vor schuldig geblieben. Warum? Das ist fraglich.

Horcht man in die SPD-Spitze hinein, werden wahltaktische Überlegungen und geordnete Verfahren vorgeschoben. Beides klingt wenig überzeugend. Mancher Sozialdemokrat vermutet daher, die Parteichefs könnten die Debatte absichtlich köcheln lassen. Denn unter Genossen wird längst vermutet: Klingbeil und Esken hadern selbst mit Scholz, so erzählt es ein Abgeordneter t-online.

SPD-Landesverbände wollen mitreden

Ob die Pistorius-Welle am Ende Scholz wegspült, hängt auch davon ab, wie sich die Landesverbände der SPD aufstellen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die NRW-SPD. In den nächsten Tagen stehen dort wichtige Gremiensitzungen an, die der Debatte weitere Schubkraft verleihen könnten. So trifft sich am Mittwoch das Präsidium, am Freitag der Landesvorstand.

Nach t-online-Informationen wird es dabei auch um die schwelende K-Frage in der SPD gehen. Man wolle prüfen, ob sich ein "bestimmter Meinungstrend verfestigt", heißt es aus Parteikreisen. Dieser Trend gehe derzeit in Richtung Boris Pistorius.

Gleichwohl gibt es auch in Nordrhein-Westfalen nach wie vor Genossen, die Scholz weiter die Treue halten. Welches Stimmungsbild sich am Ende im größten Landesverband der SPD durchsetzt, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Klar ist: Die SPD in NRW, die auf Parteitagen rund ein Viertel der Delegierten stellt, will bei der K-Frage ein Wörtchen mitreden. "Natürlich haben die Landesverbände, gerade große wie NRW, ein erhebliches Gewicht bei solchen Entscheidungen", heißt es aus Düsseldorf von einem führenden SPD-Politiker.

Auch in Niedersachsen gibt es Bewegung

Und NRW ist nicht der einzige Landesverband, in dem sich Zweifel an Scholz breitgemacht haben. Auch Niedersachsen ist in der K-Frage gespalten. Offen äußern möchte sich zwar bisher niemand, aber hinter vorgehaltener Hand heißt es, es gebe immer mehr Zuspruch für Pistorius.

"Ich bin eindeutig für Boris Pistorius", sagt auch hier ein einflussreicher Sozialdemokrat. Vor allem an der Parteibasis sei Pistorius der unangefochtene Sympathieträger. Scholz habe einen "großen Fehler" begangen, FDP-Chef Lindner nicht früher entlassen zu haben. Die SPD brauche jetzt jemanden mit klarer Haltung an der Spitze, der die Menschen im Land begeistern könne. Pistorius sei genau der Richtige.

Zwei Männer könnten den Kanzler retten – aber wie lange noch?

Am Ende backt Frust alleine noch keinen neuen Kanzlerkandidaten. Viele in der Partei sagen, es komme vor allem auf Scholz selbst an, ob er den Weg frei macht. Keiner wolle den Königsmörder spielen. Außerdem kommen zwei weiteren Männern Schlüsselrollen zu: Parteichef Lars Klingbeil und Fraktionschef Rolf Mützenich. Sie könnten entweder versuchen, Scholz wegzudrängen – oder ihn davor bewahren, seine Kandidatur zu verlieren. Klar ist dabei schon jetzt: Beide haben eigene Interessen, auch sie müssen in diesen Tagen neu kalkulieren.

So steckt etwa Parteichef Klingbeil in einem Dilemma: Einerseits hat er kein unbedingtes Interesse daran, ein politisches Schwergewicht wie Pistorius zum Kanzlerkandidaten aufzubauen. Sollte die SPD die Neuwahl am 23. Februar verlieren, aber angesichts der Lage ein vertretbares Ergebnis erzielen, dürfte Pistorius in eine mögliche Koalition mit der Union als Vizekanzler eingehen. Klingbeil müsste sich hinter Pistorius einreihen. Verlöre die SPD hingegen mit Scholz die Wahl, wäre Scholz weg und Klingbeil wäre der neue starke Mann der Partei.

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Unangenehme Fragen für den Parteichef

Andererseits hat auch Klingbeil ein Interesse an einem ordentlichen SPD-Ergebnis, schon aus einem Überlebensinstinkt heraus. Denn sollte die SPD mit dem Kandidaten Scholz auf 14 oder 13 Prozent abrutschen, ist auch Klingbeils Autorität als Parteichef angekratzt.

Der andere, Fraktionschef Rolf Mützenich, sieht sich als Politiker mit hohen Prinzipien. Eines davon heißt, als Fraktionschef der Kanzlerpartei dem Bundeskanzler genügend Beinfreiheit fürs Regieren zu verschaffen. Mützenich hat genau das die letzten Jahre getan, organisierte für Scholz die Mehrheiten im Parlament, auch wenn es gegen die eigenen Überzeugungen ging. Genossen, die ihm nahestehen, sagen, dass Mützenich sich auch aus seinem Amtsverständnis heraus schwertue, mit dem Kanzler zu brechen.

Gleichwohl hat auch Mützenich eine Verantwortung der SPD-Fraktion gegenüber, die bei einer Wahlschlappe viele Mandate verlieren könnte. Der Fraktionschef hat bereits ein "Grummeln" seiner Abgeordneten über Scholz öffentlich eingestanden. Wer mit Abgeordneten dieser Tage spricht, weiß, dass das Grummeln in Wahrheit ein heftiges Brodeln ist.

Die Furcht vor der Spaltung

Im Moment scheint alles im Fluss zu sein. Viel hängt davon ab, wie groß der Pistorius-Fanklub in der SPD wirklich ist – und wer sich traut, sein Bekenntnis öffentlich zu machen. Viele Genossen lauern, beobachten das Verhalten der anderen. Andere wiederum werden zum Schweigen verdonnert. So erzählt ein Abgeordneter t-online, dass ihm mit einem hinteren Listenplatz bei der Bundestagswahl gedroht wurde, sollte er sich offen für Pistorius aussprechen.

Und Pistorius selbst? Er spielt perfekt die Rolle des erfahrenen Politprofis: Erklärt sich solidarisch mit dem Kanzler, schließt aber eine Kanzlerkandidatur nicht aus: "In der Politik sollte man nie irgendetwas ausschließen, ganz egal, worum es geht", sagte er jüngst.

Ein Vorteil des Kanzlers scheint die Angst der SPD vor der Spaltung zu sein. Parteichef Klingbeil hat die Demontage der damaligen SPD-Chefin Andrea Nahles hautnah miterlebt, für den Niedersachsen ist seither Geschlossenheit oberstes Prinzip. Aber ist Geschlossenheit wichtiger als das Wahlergebnis? Klar ist: Auch eine kurzfristige Nominierung von Pistorius birgt Risiken. Ob sie die Chancen aufwiegen, müssen die handelnden Akteure nun abwägen.

Am Mittwoch kommt Kanzler Scholz vom G20-Gipfel in Brasilien zurück. Dann könnten ihm unangenehme Gespräche mit der SPD-Spitze drohen. "Die nächsten Tage werden entscheidend", heißt es von einem einflussreichen Genossen. Am Dienstagmittag meldet die "Bild"-Zeitung, dass sich die SPD-Spitze noch am Abend treffen wolle – ohne Scholz, der zu dieser Zeit im Flieger sitzen wird. Einziger Tagesordnungspunkt demnach: die K-Frage.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • wdr.de: Scholz oder Pistorius - K-Frage für NRW-Landesgruppe noch offen
  • bild.de: Noch heute Krisengipfel zur K-Frage
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