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Rentenpaket II: "Wirtschaftsweiser" Werding zerrupft Reform der Ampel im Bundestag


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"Teuer, ungerecht und kurzsichtig"
Heftige Kritik an Rentenplänen der Ampel


14.10.2024Lesedauer: 5 Min.
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Für das Rentenpaket der Ampel mitverantwortlich: Sozialminister Hubertus Heil. (Quelle: Hannes P. Albert/dpa/dpa-bilder)
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Showdown im Bundestag: Das umstrittene Rentenpaket ist erstmals Thema im zuständigen Ausschuss. Dort kritisieren Fachleute den Ampel-Plan scharf.

"Teuer, ungerecht und kurzsichtig", "Einseitige Belastung jüngerer Versicherter": Es sind teils vernichtende Urteile, die Experten und Verbandsvertreter über das Rentenpaket II der Ampel fällen – und die jetzt innerhalb der Ampelkoalition weitere Diskussionen auslösen dürften.

Am Montag haben die Sozialpolitiker im Bundestag erstmals über die umstrittene Rentenreform der Bundesregierung beraten. Erster Schritt dieses parlamentarischen Prozesses nach der Auftaktdebatte im Plenarsaal vor zwei Wochen: die Anhörung von Fachleuten im zuständigen Ausschuss für Arbeit und Soziales.

Mit von der Partie beim Showdown im Saal E.200 des Paul-Löbe-Hauses unter anderem: Der "Wirtschaftsweise" Martin Werding, der angesehene Rentenökonom Axel Börsch-Supan, Vertreter des Bundesrechnungshofs und der Deutschen Rentenversicherung (DRV), Alexander Gunkel von der Arbeitgebervereinigung BDA sowie Ingo Schäfer, Altersvorsorge-Experte beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Sie alle bekamen kurz Zeit für ein Statement, hatten aber auch schon vorher die Möglichkeit, schriftliche Stellungnahmen abzugeben, die sich in Teilen verheerend lesen.

Ärger wegen steigender Beiträge für die Jüngeren

Ein Großteil der geäußerten Kritik richtet sich dagegen, dass durch die Rentenpläne der Ampel absehbar die Rentenbeiträge der Arbeitnehmer deutlich steigen sollen. Damit das Rentenniveau für die wachsende Zahl der Alten bis 2040 auf dem derzeitigen Level von 48 Prozent des Durchschnittslohns bleibt, müssen die Jungen künftig mehr vom Brutto an die Rentenversicherung überweisen. Der Beitragssatz, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer hälftig teilen, soll von derzeit 18,6 Prozent auf zunächst 20 Prozent im Jahr 2028 steigen und dann ab 2035 bei 22,3 Prozent liegen.

Der beitragsdämpfende Effekt des geplanten Generationenkapitals ist dabei schon berücksichtigt: Ab Mitte der 2030er-Jahre sollen die Erträge des zunächst rund 12 Milliarden Euro umfassenden Investments am Kapitalmarkt einen weiteren Anstieg der Beiträge zumindest bremsen – ein Vorhaben, das zumindest in Teilen an die FDP-Idee einer kapitalgedeckten Aktienrente erinnert.

Letzteres sei zwar gut, erklärte der Ökonom Martin Werding, aber: Die Regierung kündige mit der Reform dennoch die bisherige Lastenverteilung zwischen den Generationen auf. Konsequenz sei eine "einseitige Belastung jüngerer Versicherter". Grob ließe sich sagen: Wer heute 47 Jahre und älter ist, profitiere von der Reform – wer 46 oder jünger ist, werde benachteiligt.

Zudem könne der Anstieg der Sozialabgaben dazu führen, dass entweder die Nettolöhne nicht mehr im gewohnten Maße wüchsen oder die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sinke. Seine Warnung in der schriftlichen Stellungnahme: "In beiden Fällen gefährdet dies aber Beschäftigung und Wachstumsmöglichkeiten in Deutschland."

"Teuerstes Sozialgesetz dieses Jahrhunderts"

Auch die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber (BDA) wählte in ihrer Stellungnahme harte Worte für das Rentenpaket. "Das geplante Rentenpaket II wäre das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts", heißt es dort. In den nächsten 20 Jahren würden sich die Zusatzausgaben für die gesetzliche Rente auf eine halbe Billion Euro belaufen – ein Punkt, den sowohl der Rechnungshof als auch der Rentenexperte Börsch-Supan kritisierten. Letzterer sagte in der Sitzung: "Langfristig wird das kaum finanzierbar sein."

Die Deutsche Rentenversicherung, im Tonfall zwar insgesamt etwas milder, sieht am Rentenpaket ebenfalls einiges kritisch. Vor allem mit Blick auf das Generationenkapital moniert sie: Das Ziel, durch die Kapitaldeckung den Anstieg der Rentenbeiträge zu dämpfen, sei "äußerst ambitioniert und lässt gerade langfristig auch Fragen offen".

Eine dieser Fragen betreffe etwa die Ausschüttungen aus dem Generationenkapital an die DRV: "Eine Garantie für die Zuführungen in der geplanten Höhe sieht der Entwurf nicht vor, sodass im Ergebnis die Beitragszahlenden und in geringerem Ausmaß der Bund das Risiko tragen würden, wenn die Nettoerträge in der geplanten Höhe ausblieben."

Gewerkschafter lobt die Reform

Positiv betrachteten derweil Fachleute das Rentenpaket, die unter anderem von der SPD eingeladen wurden, etwa Ingo Schäfer vom DGB. Der Zuschuss des Staates an die Rentenkasse sei seit dem Jahr 2000 gesunken, sagte er: "Wir müssen ein bisschen Dampf aus der Diskussion nehmen."

Auch Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, verteidigte das Konzept gegen Kritik. "Die im Gesetzentwurf vorgesehene Stabilisierung des Rentenniveaus ist notwendig, insbesondere auch im Sinne der jüngeren Generationen", sagte sie. "Der Beitragssatz steigt nicht über Gebühr."

Mit ihren Meinungen jedoch blieben sie während der Anhörung eher in der Minderheit, die Kritik am Vorhaben der Ampel überwog. Das wiederum dürfte nun zu hitzigen Diskussionen zwischen Politikern von SPD, Grünen und FDP führen.

Denn: Die Beratungen der Fachpolitiker im Ausschuss sind lediglich der Startschuss für potenziell langwierige Abstimmungsrunden auf verschiedenen politischen Ebenen. Vor allem für FDP und SPD hat das Thema Rente eine sehr große Bedeutung bekommen, an der sich auch entscheiden kann, ob die Ampel überhaupt noch zu Kompromissen fähig ist.

Sozialdemokraten gegen Liberale

Die Sozialdemokraten, die mit der Rentenpolitik gern einen traditionellen Sozial-Wahlkampf machen wollen, sehen an dem Paket keinerlei Änderungsbedarf mehr. Parteichef Lars Klingbeil rief erst am Wochenende dazu auf, die Reform jetzt schnellstmöglich und eins zu eins umzusetzen.

Sozialminister Hubertus Heil (SPD), der die Reform mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) angeschoben hatte, erklärte am Montag: Wer Beiträge einzahle, müsse dafür "verlässlich eine anständige Rente bekommen". "Wenn wir jetzt nichts machen, werden künftige Rentner ärmer im Verhältnis zur arbeitenden Bevölkerung. Und das will ich verhindern."

Bei den Liberalen haben derweil viele Abgeordnete Bauchschmerzen mit dem Rentenpaket und lassen derzeit noch offen, ob sie der Reform zustimmen. Wortführer der Kritiker ist Johannes Vogel, Parteivize und Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion.

Zuletzt stellte er sich immer wieder gegen den Regierungsentwurf fürs Rentenpaket – womit er auch seinem Parteichef Christian Lindner in den Rücken fiel, der das Paket in seiner Funktion als Finanzminister verhandelt hatte. Immer wieder betonte Lindner: Das Paket sei "ausverhandelt" und im Parlament auch "zustimmungsfähig". Vogel dagegen erklärte mit Blick auf die Generationengerechtigkeit das Gegenteil: "So ist das Rentenpaket im Parlament noch nicht zustimmungsfähig." Die heutige Ausschusssitzung dürfte den liberalen Kritikern der Reform eher noch Aufwind geben – und damit den Machtkampf, den mancher zwischen Vogel und Lindner sieht, verstärken.

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So geht's jetzt weiter mit der Rente

Der weitere Weg bis zur Verabschiedung des Rentenpakets sieht vor, dass sich als Nächstes die Ampel-Fachpolitiker in verschiedenen Arbeitsgruppen treffen und um einen gemeinsamen Weg ringen. Später nehmen sich dann die zuständigen Vizefraktionschefs von SPD, Grünen und FDP des Ganzen an, abschließende Gespräche laufen auf Ebene der Fraktionsvorsitzenden.

Ein Knackpunkt dabei dürfte angesichts der schwierigen Haushaltslage die Frage der langfristigen Finanzierbarkeit der Rentenpläne sein. Eine Lösung dieses Problems wiederum könnte dem Vernehmen nach sein, das Rentenniveau nicht bis 2040, sondern zunächst nur für einen kürzeren Zeitraum bei 48 Prozent zu fixieren, um kurz vor Ablauf der Frist zu schauen, ob sich die Annahmen zur Arbeitsmarktentwicklung bewahrheiten oder nicht.

Einen genauen Zeitplan für die weiteren Verhandlungen, ein Zieldatum für das Verabschieden des Rentenpakets im Bundestagsplenum, gibt es noch nicht. Während die SPD nach der Sitzung auf einen zügigen Fortschritt drängte, trat FDP-Sozialpolitiker Pascal Kober auf die Bremse.

"Wir als FDP haben keine Eile", sagte er t-online. Der Zeitdruck, den der Koalitionspartner mache, sei "verdächtig". "Es kann nicht sein, dass ein Gesetzgebungsverfahren, das massive Auswirkungen auch für künftige Generationen hat, jetzt als Hauruck-Aktion durchgezogen wird."

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen im Sozialausschuss des Bundestags
  • Schriftliche Stellungnahmen der Experten und Verbandsvertreter
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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