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Zum journalistischen Leitbild von t-online.CDU feiert Merkel Auf diesen Moment hat er lange gewartet
Die CDU richtet eine Veranstaltung zum 70. Geburtstag von Angela Merkel aus. Auch Parteichef Friedrich Merz feiert mit – aber nicht nur die Altkanzlerin.
Ein bisschen angestrengt wirkt es schon, als Friedrich Merz und Angela Merkel am Mittwoch in Berlin durch einen der steinernen Torbögen in den großen Saal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften hineintreten. Sie lächeln, nicken sich zu, schütteln Hände. Für die Zuschauer reicht das. Es gibt großen Applaus und Standing Ovation.
Irgendwie passt es, denn der Weg hierher war kein leichter. Nicht für Merz – und offenkundig auch nicht für Merkel. Seit Merz den Parteivorsitz übernommen hat, soll es noch kein Treffen zwischen den beiden gegeben haben. Jetzt hat es zumindest auf diesem Wege geklappt. Rund 200 Personen aus Politik und Wissenschaft sind an diesem Mittwochabend zu Ehren der Altkanzlerin gekommen. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp hält den Festvortrag.
Merz tritt auf die Bühne, sieht auf seinen Zettel und dann zu Merkel. Lange habe es Überlegungen gegeben, wie man diesen Tag angemessen feiern könne. "Als Partei haben wir gesagt, die beste Ehrung liegt doch eigentlich darin, dass wir uns gemeinsam Zeit nehmen, für das Gespräch über Dinge, die uns gelungen sind – und die uns weniger gelungen sind", sagt der CDU-Chef.
In der Partei hat man im Vorfeld gewitzelt, es werde Merz Überwindung kosten, eine Rede auf Merkel zu halten. Tatsächlich könnte es andersherum sein.
Ein lang ersehnter Moment für den CDU-Chef Merz
Nach dem Beenden ihrer politisch aktiven Laufbahn hat die Altkanzlerin eigentlich mehr als deutlich gemacht, wie sehr sie sich weiter in ihre Partei und den Politbetrieb überhaupt einbringen will, nämlich gar nicht. Kein Besuch auf Parteitagen, keine gemeinsamen Auftritte, sogar aus der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung ist Merkel ausgetreten. Die Frau, die die Partei 18 Jahre lang angeführt hat, davon 16 als Kanzlerin, ist nach ihrem Abgang so gut wie untergetaucht.
Als der CSU-Chef Markus Söder Merkel im Februar 2022 bei der Bundesversammlung trifft, fragt der einem Abgeordneten zufolge sogar: "Was machst Du denn jetzt den ganzen Tag? Schreibst Du nur Deine Memoiren? Man hört gar nichts mehr von Dir."
Mindestens für einen ist die Zurückhaltung Merkels ein Segen: Friedrich Merz. Denn das Verhältnis zwischen dem CDU-Chef und seiner Vorgängerin ist kein sonderlich gutes. Über Jahre pflegten die zwei eine Rivalität, die weit über den sportlichen Wettkampf hinausging. Merz soll gleich mehrfach versucht haben, die damalige CDU-Chefin abzusägen. Ohne Erfolg. Den Machtkampf gewann damals sie. Erst 12 Jahre und drei Kandidaturen für den Parteivorsitz später ist Merkel in Rente und Merz CDU-Chef.
Dass ausgerechnet er nun zum Geburtstag von ihr ein paar Worte der Wertschätzung spricht, ist fast etwas komisch. Doch als CDU-Chef ist das seine Pflicht. Und tatsächlich könnte darin für Merz doch auch ein Moment der Genugtuung liegen.
Seehofers Geburtstagsgeschenk: "Merz versteht sein Handwerk"
Für Merz ist es ein angespannter – und doch schöner Moment. Er, frisch gekürter Kanzlerkandidat an der Spitze der CDU. Sie, am Spielfeldrand. Und eine Partei, die sich mittlerweile, zweieinhalb Jahre nach ihrem Rückzug, zunehmend von ihr distanziert. "Auch wir haben in 16 Jahren viele Fehler gemacht", so geht er, der klassische Satz aus dem Wahlkampf, der zunehmend häufig genutzt wird. Zu Beginn nur von Merz und seinem Generalsekretär Carsten Linnemann. Mittlerweile verwenden ihn weite Teile der Partei.
Merkel scheint schon länger so, als habe sie die CDU hinter sich gelassen. Seit einer Weile tut ihre Partei es ihr offenbar gleich. Während zu Beginn der Legislaturperiode die "Ihr habt doch auch 16 Jahre regiert"-Kritik noch mit aller Kraft abgewehrt wurde, macht man sie sich jetzt zu eigen.
Und nicht nur aus der CDU hallt es, wenngleich oft zwischen den Zeilen, Kritik an der Altkanzlerin. Auch der ehemalige CSU-Vorsitzende und Merkels letzter Innenminister, Horst Seehofer, gibt ihr zuletzt einen mit. "Ich finde, Angela Merkel würde sich keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn sie mal erklärt: In der Migrationsfrage habe ich nicht jeden Tag richtig gelegen", sagte Seehofer der "Süddeutschen Zeitung". Er habe "keine Triumphgefühle, dass jetzt sehr viel von dem getan wird, was ich schon vor Jahren gefordert habe – und dafür von einigen sogar als Rechtsextremist beschimpft wurde. Genugtuung nach innen, die habe ich aber schon."
Seehofer geht sogar noch weiter: "Eine der schlimmsten Folgen von Merkels Kurs ist das gefährliche Aufblühen der AfD", glaubt er und begrüßte deshalb den Kurs von CDU-Chef Friedrich Merz – und seine Ausrufung zum Kanzlerkandidaten der Union. "Der Merz versteht sein Handwerk", so Seehofer.
Merz probiert etwas Neues: es könnte ja helfen
Merz jedoch probiert es an diesem Abend etwas anders. Konzentriert sieht er noch einmal auf seinen Zettel. Eigentlich spricht der CDU-Chef meist frei, heute liest er lieber ab. Ganz zentral im Grundsatzprogramm sei die Freiheit und "über die Freiheit können nur wenige eindrucksvoller erzählen als Angela Merkel", sagt Merz. "Wir haben in der Rhetorik unserer Partei mit dem Titel des neuen Grundsatzprogramms gewissermaßen noch einmal unterstrichen, was du schon sehr früh gewusst hast: Freiheit muss immer an erster Stelle stehen." Er hält an diesem Abend kein Loblied auf Merkel, bindet sie aber dennoch bewusst ein. Aus dem Thema ihres Lebens macht er das Fundament seiner neuen Programmatik.
Es ist ein Moment, der dem CDU-Chef noch nutzen könnte. Denn, wenn es Merz gelingt, sich vom Merkel-Kurs inhaltlich so zu distanzieren, dass er etwa in der Migrationsfrage Vertrauen gewinnt, wenn er aber gleichzeitig das Erbe der Altkanzlerin für die bevorstehende Wahl zu nutzen weiß – dann könnte ihm das durchaus einen Vorteil einbringen.
Während die Altkanzlerin an diesem Abend also sichtlich mit ihrem Nachfolger fremdelt, sagt Merz, ganz bewusst: "Im Namen der gesamten CDU Deutschlands wünsche ich dir und wünschen wir uns, dass dir deine Neugier noch lange erhalten bleibt. Und dass du deiner Partei, der du angehörst und nicht nur nahestehst – am besten beides – dass du der CDU gewogen bleibst."
- Eigene Recherche