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Desinformation und Hass: Putins Krieg im Verborgenen – und was zu tun ist


Hass und Desinformation
Putins Krieg im Verborgenen – und was jetzt zu tun ist

MeinungEin Gastbeitrag der Grünen Britta Haßelmann und Renate Künast

21.09.2024 - 09:45 UhrLesedauer: 4 Min.
Meinung
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Wladimir Putin: Russland unterwandert systematisch unsere Gesellschaften, warnen Gesine Dornblüth und Thomas Franke.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Russland betreibt einen hybriden Krieg um Meinungen und Wahrheiten. Was tun? (Quelle: Vyacheslav Prokofyev/dpa)

Desinformation und Hass drohen unsere Demokratie zu zersetzen. Die Grünen-Politikerinnen Britta Haßelmann und Renate Künast machen im Gastbeitrag für t-online Vorschläge, was jetzt passieren muss.

Demokratie ist mehr, als alle vier Jahre sein Kreuzchen zu machen. Demokratie beginnt, wenn Menschen sich am Arbeitsplatz, via Social Media, über den Gartenzaun hinweg oder beim Abendbrot zu ihren unterschiedlichen politischen Standpunkten austauschen, streiten und dann Kompromisse finden.

Genau hier beginnt das Problem: Wir erleben eine zunehmende Beeinflussung demokratischer Meinungsbildung durch Hass und gezielte Desinformation. Gleichzeitig nimmt digitale Gewalt zu und hindert Menschen – insbesondere Frauen – daran, sich überhaupt einzubringen. Autokratische Staaten arbeiten mit demokratiefeindlichen Akteuren in unseren Gesellschaften zusammen, um das Land zu destabilisieren.

Putins hybrider Krieg um Wahrheiten

Wenige Wochen vor den US-Wahlen enthüllen Medienrecherchen gravierende Versuche der Meinungsmanipulation und Wahlbeeinflussung durch Desinformation im Auftrag des Kremls. Putin betreibt längst einen hybriden Krieg um Meinungen und Wahrheiten, der auf den Kern unserer Demokratien abzielt: Vertrauen in das Funktionieren von Staat, Meinungsfreiheit, Pluralismus und den Wettstreit der Ideen. Die Gefahren durch ausländische Einflussnahme sind schon lange sichtbar.

Die Autorinnen

Britta Haßelmann ist Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion. Sie ist seit 2005 Abgeordnete im Parlament. Renate Künast ist seit 2002 Bundestagsabgeordnete und war Landwirtschaftsministerin im Kabinett von Gerhard Schröder. Sie kämpft seit Längerem gegen Desinformation und Hass im Netz. Die Grünen-Bundestagsfraktion diskutiert diese und andere Fragen auch bei ihrem Kongress "Mut macht Zukunft" am 30. September in Berlin.

An ausreichenden Reaktionen mangelt es noch. Zum Beispiel hat das Brexit-Referendum gezeigt, wie aus geopolitischen Interessen Hass und Desinformation eingesetzt werden, um zu manipulieren. Dass auch Deutschland konkret bedroht ist, zeigt sich gerade anhand der aufgedeckten "Doppelgänger"-Kampagne, bei der über gefälschte Webseiten anerkannter deutscher Nachrichtenmedien Falschinformationen in Umlauf gebracht wurden.

Es sind nicht nur autoritäre Regime, die die freie Meinungsbildung in Demokratien als Einfallstor nutzen. Auch Rechtsextremisten und Populisten ist demokratischer Wettstreit um die besten Ideen und Lösungen ein Dorn im Auge. Ihre Strategie: manipulative Einflussnahme. Ihre Methode: Analog und im immer wichtigeren Forum – dem Internet – wird der freie Diskurs massiv durch Desinformationen, Einschüchterung und Bedrohung beeinflusst, oftmals klar über der Schwelle der Strafbarkeit.

Die Öffentlichkeit wird mit Scheindebatten, Feindseligkeiten und Ausgrenzungen beschäftigt. Hier offenbart sich die unheilvolle Allianz zwischen Rechtsextremisten, Populisten und autoritären Regimen: Der Kreml hat als Vehikel für die Destabilisierung Deutschlands die AfD auserkoren.

Die Folgen von Desinformations- und Mobilisierungskampagnen zeigen sich nicht mehr nur im Netz, sondern es kommt mittlerweile auch zu schweren Terrorakten, Sabotage- und Gewalttaten. Aus Worten in Kommentarspalten werden reale Taten.

Hass im Netz bedroht Teilhabe

Eine Bedrohung mit sehr realen Auswirkungen stellen auch Anfeindungen im Netz dar. Angriffe und Hass richten sich besonders gegen Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund sowie gegen queere Menschen. Es besteht die Gefahr, dass sich diese Stimmen zunehmend aus öffentlichen Debatten zurückziehen, um sich selbst zu schützen. Wenn diese Perspektiven fehlen, schwächt das unsere Demokratie insgesamt.


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Wenn diese Perspektiven fehlen, schwächt das unsere Demokratie insgesamt.


Britta Haßelmann und Renate Künast


Wir erleben zudem immer häufiger, dass Amts- und Mandatsträger in den Kommunen beleidigt und bedroht werden. Gerade in ländlichen Gegenden sind Engagierte und Beamte oft weniger anonym als in Großstädten, ihre Wohnadressen sind bekannt.

Sie fürchten ganz konkret, dass digitale Gewalt in physische Gewalt und Bedrohung ihrer Familien umschlägt. Damit Menschen sich für das Gemeinwohl engagieren und für politische Ämter kandidieren, müssen wir sie effektiv vor der Gewalt schützen, die sich zusammenbraut. Dieser Schutz ist im vorrangigen öffentlichen Interesse.

Es braucht eine Taskforce

Doch eines ist klar: Die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die freie Meinungsäußerung, Freiheit der Presse, Kunst, Kultur und Wissenschaft, Rechtsstaatlichkeit und ein selbstbestimmtes Leben sind Errungenschaften, die sich die breite Mehrheit unserer Gesellschaft nicht mehr nehmen lässt. Es braucht politische Entschlossenheit beim Kampf gegen Desinformation und Wahlbeeinflussung.

Wir fordern deshalb, dass die Bundesregierung und der Bundeskanzler die Abwehr von Desinformation und Manipulation endlich höher priorisiert. Eine ressortübergreifende Strategie gegen den Angriff auf demokratische Institutionen und Prozesse ist überfällig. Die Bund-Länder-Gruppe gegen hybride Bedrohungen muss nun Ergebnisse liefern. Es braucht zum Schutz der Demokratie eine Taskforce, in der alle Maßnahmen gebündelt werden.

Darüber hinaus bleibt Regulierung das Gebot der Stunde. Notwendig ist ein ganzes Maßnahmenbündel – von der effektiven Plattformregulierung, der Stärkung unabhängiger Aufsichtsstrukturen samt echter Sanktionsmöglichkeiten und einer verbesserten Rechtsdurchsetzung, über Maßnahmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit und mehr Medienkompetenzvermittlung. Die Nachrichtendienste warnen immer wieder vor staatlicher Desinformation, und so ist es folgerichtig, die Spionageabwehr in diesem Zusammenhang neu aufzustellen.

Gesetz gegen digitale Gewalt muss kommen

Um gegen Hass im Netz vorzugehen, haben wir in der EU mit dem Digital Services Act einen ersten, wichtigen Baustein geliefert. Er verpflichtet die großen Internetplattformen dazu, Risiken wie Desinformationskampagnen zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Der nächste Baustein muss jetzt das Gesetz gegen digitale Gewalt sein, das nun endlich vom Justizministerium kommen muss. Damit wollen wir die rechtlichen Instrumente gegen digitale Gewalt wie beispielsweise richterliche Accountsperren stärken.

Außerdem bedarf es massiver Investitionen in die innere Sicherheit, um Behörden und Gerichte besser ausstatten zu können. Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Wir müssen jetzt die richtigen Maßnahmen ergreifen, um unsere Demokratie und unsere Freiheit zu schützen. Unser Sicherheitsapparat muss an die neuen Entwicklungen angepasst werden, Demokratieprojekte müssen gefördert und es muss dringend in den Ländern in Bildung investiert werden, damit uns junge Menschen nicht in Hass abgleiten.

Das geht uns alle an. Und vor allem die demokratischen Parteien sind gefragt.

Verwendete Quellen
  • Gastbeitrag der Grünen-Politikerinnen Britta Haßelmann und Renate Künast
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