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Union erklärt Migrationsgipfel für gescheitert


Wollte Merz Gespräche platzen lassen?
Scholz erhebt schwere Vorwürfe gegen CDU-Chef

Von t-online, dpa
Aktualisiert am 11.09.2024Lesedauer: 4 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:240910-911-017350Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Der Bundeskanzler erhebt schwere Vorwürfe gegen Friedrich Merz. (Quelle: Christophe Gateau/dpa)

Nach dem abgebrochenen Migrationsgipfel machen sich die Parteien gegenseitig Vorwürfe. Der Bundeskanzler kritisiert Friedrich Merz scharf.

CDU und CSU haben sich nach Beratungen in Berlin nicht mit Vertretern der Bundesregierung auf weitere Verschärfungen der Migrationspolitik einigen können. Bundeskanzler Olaf Scholz erhob schwere Vorwürfe gegen CDU-Chef Friedrich Merz. "Ich kann nur sagen: Das Rausgehen aus dieser Runde, das stand schon vorher fest. Und das ist blamabel für diejenigen, die das zu verantworten haben", sagte Scholz am Dienstagabend auf einer Veranstaltung des sogenannten Seeheimer Kreises der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin.

"Führung sieht anders aus. Charakter, Ehrlichkeit und Festigkeit sind für dieses Land gefragt und nicht solche kleinen Taschenspielertricks und Provinz-Schauspielereien", sagte der SPD-Politiker. Führung bedeutet Führung, bei den eigenen Leuten. Führung bedeutet, dass man nicht davonläuft. Und Führung bedeutet, dass man Kompromisse machen kann." Aber das müsse man dann auch wollen. Zugleich kündigte Scholz an, dass die Ampel-Regierung die am Dienstag von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgelegten weiteren Maßnahmen für ein effektiveres Grenzmanagement und mehr Zurückweisungen auch ohne die Union umsetzen werde.

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Es habe "kein gemeinsames Ergebnis" gegeben, teilte hingegen der Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU) nach den Gesprächen in Berlin mit. Alle Vorschläge, die von der Ampel gemacht wurden, haben laut Frei "nicht auf zusätzliche Zurückweisungen abgezielt."

Frei kritisierte, vorgelegte Vorschläge zielten nicht auf zusätzliche Zurückweisungen, sondern auf beschleunigte Verfahren im Land. Sie würden damit den Herausforderungen nicht gerecht. Die Union werde aber "alles unterstützen, was unserem Land hilft". Die Union hatte vor dem Gespräch zur Bedingung gemacht, dass dabei auch über umfassende Zurückweisungen an den Grenzen gesprochen wird.

Innenministerin Faeser hatte nach Informationen von t-online vorgeschlagen, die Bundespolizei solle künftig bei unerlaubten Einreisen, wenn jemand ein Asylgesuch äußert, prüfen, ob womöglich ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, sowie den Ausländer befragen. Dabei könne ein Rückgriff auf die Identifizierungs-Datenbank Eurodac helfen. Anschließend könne die Bundespolizei dann beim zuständigen Gericht Haft wegen Fluchtgefahr beantragen, sofern Haftkapazitäten zur Verfügung stehen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Ähnlich kritisch wie CDU-Politiker Frei äußerte sich auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz: "Die Bundesregierung ist intern offensichtlich heillos zerstritten und kann sich nicht auf wirksame Maßnahmen einigen", erklärte der CDU-Vorsitzende nach dem Ende der Beratungen auf der Plattform X. "Die Ampel kapituliert vor der Herausforderung der irregulären Migration", schrieb Merz weiter und fügte hinzu: "Die Bundesregierung ist handlungsunfähig und führungslos."

Video | Union erklärt Gespräche mit der Ampelregierung für gescheitert
Migrationsgipfel: Die Union erklärt Gespräche mit der Regierung für gescheitert.
Quelle: Glomex

Nouripour: "Schmierentheater"

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, kritisierte nach den Beratungen vorwiegend die Grünen: Laut Dobrindt sei die Bundesregierung "grün-blockiert" und sei "nicht zu wirksamen Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration in der Lage", sagte Dobrindt der "Bild"-Zeitung.

Der Grünen-Co-Parteichef Omid Nouripour kritisierte im Gegenzug die Union: "Was für ein Schmierentheater der Union. Es geht ganz offensichtlich nicht um die Sache, nicht um tatsächliche Sorgen, sondern schlicht um Überschriften, Lautstärke und Profilierung", sagte Nouripour t-online. Mit Verantwortung habe das "nichts zu tun". Die Union habe überdeutlich gezeigt, dass sie zu einer gemeinsamen Lösung nicht in der Lage sei. Für die Bundesregierung gelte dagegen weiterhin, dass man "tragfähige, wirksame und europarechtskonforme Antworten" geben wolle.

Schweitzer: Keine "Kanzlerqualität" bei Merz

Auch der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Alexander Schweitzer (SPD), kritisierte Merz für den Abbruch der Gespräche scharf. "Das ist reines Parteidenken, das hat offensichtlich keine Kanzlerqualität", sagte Schweitzer.

Der SPD-Mann warf der Union und Merz zudem fehlendes Verantwortungsgefühl vor: Deutschland habe mit den anlassbezogenen Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien, Polen, Österreich und der Schweiz seit Oktober 30.000 Geflüchtete, die keinen Bleibegrund gehabt hätten, zurückgewiesen. "Ich bin offengestanden entsetzt über so wenig Verantwortungsgefühl bei der Union."

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Friedrich Merz hat sich heute für die Methode Wagenknecht entschieden: Harte Worte, aber kein Mut zur Verantwortung. Dem staatspolitischen Selbstverständnis der CDU wird das nicht gerecht." Offenkundig sei die Angst vor dem innerparteilichen Gesichtsverlust größer gewesen als der unbedingte Wille zur staatspolitischen Verantwortung.

FDP: "Vollkommen unverständlich"

FDP-Chef Christian Lindner versuchte offenbar zu schlichten und schlug ein Spitzentreffen der Ampel und ihres Kanzlers mit Merz vor. "Die Absage der Union an den Asylgipfel darf nicht das letzte Wort sein", schrieb der Bundesfinanzminister am Dienstagabend auf der Plattform X. Merz sollte mit Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und ihm selbst persönlich Verhandlungen führen. "Wir werden gemeinsam das Problem lösen", ergänzte Lindner. Deutschland benötige Kontrolle und Konsequenz bei der Migration.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kritisierte das Verhalten der Union. "Es ist vollkommen unverständlich, dass die Union die Verhandlungen verlassen hat. Schließlich wurde ihr angeboten, dass ihre Vorschläge zur Zurückweisung von Asylbewerbern eins zu eins umgesetzt werden", sagte Djir-Sarai in Berlin.

Es gebe "keinen objektiven Grund, die Gespräch zu beenden", sagte er. Und: "Die FDP ist auch weiterhin bereit, das von der CDU geforderte Modell umzusetzen. Wir sind bereit, diesen Weg mit der Union gemeinsam zu gehen – trotz rechtlicher Bedenken. Das sollte dann aber auch in gemeinsamer Verantwortung erfolgen."

Er forderte die Union auf, staatspolitischer Verantwortung gerecht zu werden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Unionsfraktionschef Friedrich Merz mahnte er, "in so einer heiklen Lage nicht parteitaktisches Agieren vor staatspolitische Verantwortung zu stellen".

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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