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Faeser-Vorstoß und Angriffe auf die Bundeswehr: Hilflos ohne die USA?


Befugnisse deutscher Behörden
Ist Deutschland ohne die USA hilflos?


16.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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Polizisten vor einer Hausdurchsuchung (Archivbild): Zukünftig könnte das auch ohne Kenntnis des Bewohners passieren. (Quelle: Harry Haertel via www.imago-images.de)

Innenministerin Faeser will die Rechte des BKA ausbauen. Gleichzeitig wird die Bundeswehr angegriffen, Hinweise auf die Täter gibt es bislang nicht. Haben die Behörden zu viele oder zu wenig Befugnisse?

Eine Bundesbehörde soll heimlich in Wohnungen eindringen dürfen, um diese zu durchsuchen und sogar Spionagesoftware zu installieren: Was nach Methoden aus einem Überwachungsstaat klingt, soll in Deutschland bald Realität werden – zumindest laut den Plänen von Innenministerin Nancy Faeser. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hat über einen solchen Gesetzesentwurf berichtet.

Am selben Tag musste die Bundeswehr vier Standorte vorübergehend schließen. Am Luftwaffenstützpunkt Geilenkirchen wollte sich ein Mann Zutritt zum Gelände verschaffen, wurde aber entdeckt. Ernster war die Lage am Stützpunkt Köln-Wahn. Dort entdeckte die Bundeswehr nur ein Loch im Zaun. Später wurde auch in Metternich ein Loch im Zaun gefunden, durch das sich offenbar jemand Zutritt zum Gelände verschafft hatte. An der Kaserne in Garching bei München sind derweil Beschädigungen an einem Tor festgestellt worden.

Gefunden wurden die Täter bislang nicht. Ohnehin kommen Hinweise für bevorstehende Gefahrenlagen oftmals von ausländischen Geheimdiensten – denn deutsche Dienste haben weniger Befugnisse. t-online erklärt, inwiefern Faesers Vorstoß zu mehr Kontrolle führen könnte und warum es daran auch von Politikern der Ampelkoalition Kritik gibt.

"Weckt Erinnerungen an vergangene Diktaturen"

Laut Faesers Gesetzesentwurf sollen die geheimen Wohnungsdurchsuchungen einerseits dazu dienen, potenzielle Tatmittel, also Waffen oder Munition, unbrauchbar zu machen. Die heimlichen Besuche können aber auch als "Begleitmaßnahme für die Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung" genutzt werden. Das bedeutet: Das BKA kann Staatstrojaner auf die technischen Geräte der Verdächtigen spielen und sie so quasi hacken.

Konstantin von Notz, stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion, sprach beim RND von "ernsten Zeiten" und verteidigte Faesers Pläne. Das BKA brauche "moderne Ermittlungsbefugnisse und -mittel". Gleichzeitig sei "völlig klar, dass es diese Befugnisse bloß im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung geben kann".

Das ruft viel Kritik hervor, etwa bei Constanze Kurz, ehemalige Sachverständige der Enquetekommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Bundestags und Sprecherin des Chaos Computer Club e. V. Die Maßnahmen "wecken Erinnerungen an vergangene Diktaturen, deren Mittel nach Ende des Zweiten Weltkrieges und nach Ende der DDR zu Recht gescholten wurden", erklärt sie bei "Netzpolitik.org". Kurz befürchtet, dass beim staatlichen Hacken alle Maßstäbe verloren gehen.

Verfassungsminister lehnt Idee klar ab

Wie heikel Faesers Vorstoß ist, zeigt auch die Reaktion von Justizminister Marco Buschmann. "Es wird keine Befugnisse zum heimlichen Schnüffeln in Wohnungen geben", sagte der FDP-Politiker der "Bild"-Zeitung. "Im Staat des Grundgesetzes machen wir so etwas nicht. Das wäre ein absoluter Tabubruch." Als Verfassungsminister lehne er solche Ideen ab und versprach, dass ein solcher Entwurf niemals durchkommen werde.

Auch Wilhelm Achelpöhler glaubt nicht, dass der Vorschlag umgesetzt werden kann. Der Anwalt ist Mitglied im Ausschuss Gefahrenabwehrrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und erklärt t-online: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Wirklichkeit wird bei unserer Sicherheitsarchitektur des Grundgesetzes."

So gebe es eine klare Trennung zwischen Polizeibehörden, die zwar in die Grundrechte der Bürger eingreifen dürfen, aber immer offen agieren müssen, und Geheimdiensten, die zwar im Verborgenen arbeiten, dabei aber die Rechte der Bürger nicht einschränken dürfen. Die neuen Befugnisse würden diese Trennung unterlaufen. Die Trennung hat historische Gründe: Man will keine geheime Staatspolizei mehr haben, die Inlandsgeheimdienst und polizeiliches Eingreifen zusammengeführt. "Man könnte sagen: Die Pläne Faesers wären ein krasser Schritt zurück, wenn man ganz böse wäre", warnt Achelpöhler.

Die zusätzlichen Befugnisse würden den Beamten laut Faesers Entwurf im Rahmen einer Änderung des BKA-Gesetzes erteilt. Dabei stand das Gesetz auch ohne die neuen Vorschläge immer wieder in der Kritik. Zu groß seien bereits die Möglichkeiten der Staatsbehörden zur Kontrolle der Bürger.

Bereits vor Verabschiedung der Neufassung 2008 gab es erhebliche Bedenken. Dabei ging es zu der Zeit vor allem um Online-Durchsuchungen. Der Frankfurter Rechtsprofessor und ehemalige BND-Chef Hansjörg Geiger meinte damals, das Gesetz ignoriere "den Geist der Verfassung". Es berge die Gefahr einer "Rundumüberwachung", sollten mehrere der möglichen Instrumente gegen jemanden angewandt werden.

Droht ein "deutsches FBI"?

Bereits 2008 waren die Stimmen der Kritiker laut, von einem "deutschen FBI" war die Rede. Das Gesetz kam trotzdem. Und es wurde dagegen geklagt. Nach über sieben Jahren erfolgte dann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Das Gesetz war weitgehend verfassungswidrig, mittels der enthaltenen Maßnahmen konnten die Bürger zu sehr überwacht werden, sodass nachgebessert werden musste.

Es ist also fraglich, ob Faeser mit ihrem neuerlichen Vorstoß Erfolg haben wird. Zu groß sind in Deutschland die verfassungsrechtlichen Hürden. Von einem "deutschen FBI" ist man weit entfernt.

"Fast zu 100 Prozent von den USA abhängig"

Dabei sehen viele ebensolche Befugnisse als notwendig an, um Angriffe wie gegen die Bundeswehrstandorte frühzeitig zu erkennen – ohne dauerhaft auf ausländische Informationen angewiesen zu sein. So fordert die Union seit Langem die Vorratsdatenspeicherung, also die anlasslose Speicherung von Standort- und Verkehrsdaten der Telekommunikation, um sie gegebenenfalls für Antiterror-Ermittlungen parat zu haben.

So sagte etwa Sachsens Innenminister Armin Schuster der "Bild"-Zeitung: "Ich habe ein massives Problem damit, dass wir permanent Informationen aus dem Ausland brauchen." Bei den dortigen Sicherheitsbehörden gebe es "die Instrumente, mit denen sie diese Erkenntnisse gewinnen, wofür ich hier in Deutschland keine politischen Mehrheiten finde".

(Quelle: Meisterernst Düsing Manstetten)

Zur Person

Wilhelm Achelpöhler arbeitet seit 1996 als Anwalt in der Kanzlei Meisterernst Düsing Manstetten in Münster. Er ist Mitglied im Ausschuss Gefahrenabwehrrecht des Deutschen Anwaltvereins.

Jurist Achelpöhler sieht dagegen wenig Möglichkeiten für eine solche Anpassung an US-amerikanische Verhältnisse: "Die US-Dienste machen Dinge, die der deutsche Nachrichtendienst einfach niemals machen dürfte. Es gibt dort ein ganz anderes rechtsstaatliches Level."

Es ist ein zwiespältiges Verhältnis: Deutschland nutzt regelmäßig Erkenntnisse US-amerikanischer Geheimdienste. Dabei ist diese Zusammenarbeit nicht institutionell verankert. Gleichzeitig verhindern Deutschland und die EU teilweise auch den Zugriff ausländischer Geheimdienste auf inländische Daten. Nicht immer läuft es also reibungslos, so wie nun im Fall der Bundeswehrstandorte. Achelpöhler fällt ein ernüchterndes Urteil: "Mehr ist von deutscher Seite nicht möglich."

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Abhängigkeit von den USA: Keine andere Möglichkeit?

Denn laut Achelpöhler bleibt Deutschland auch keine andere Möglichkeit. "Es ist schon ein bisschen seltsam, dass man sich seine Informationen über andere geben lässt, aber ich halte es für richtig, dass wir diese Grenzen haben." Das bedeutet: Die Abhängigkeit von den Informationen aus den USA ist für Deutschland unvermeidbar. Denn: "Die Überwachungsmaßnahmen der amerikanischen Dienste lassen sich mit dem deutschen Grundrecht nicht vereinbaren."

Das zeigen auch die Gerichtsurteile. Beispielsweise ordnete 2020 das Bundesverfassungsgericht an, dass sich der Bundesnachrichtendienst im Ausland ebenfalls an die deutschen Grundrechte halten muss – amerikanische Sicherheitsbehörden haben solche Einschränkungen hingegen nicht.

Wie wichtig die US-amerikanischen Informationen sind, zeigt sich immer wieder. Jüngstes Beispiel war ein vereitelter Anschlag auf Rheinmetall-Chef Armin Papperger. Der Hinweis dazu kam zunächst aus den USA. Auch bei zahlreichen anderen, oft islamistischen Anschlagsplänen kamen die entscheidenden Tipps aus den Vereinigten Staaten. "In der Nachrichtengewinnung sind die deutschen Sicherheitsbehörden fast zu 100 Prozent von den US-Nachrichtendiensten NSA und CIA abhängig", sagte bereits 2021 der Terrorismusexperte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Auch der Terrorismusexperte Peter Neumann vom King’s College in London sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass in Deutschland mehr größere Anschläge passiert wären, wenn wir nicht die Informationen von den Amerikanern bekommen hätten."

Ob auch die Vorfälle an den Bundeswehrstandorten hätten verhindert werden können, ist unklar. Der frühere Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, warnt angesichts des Sabotageverdachts vor voreiligen Schlüssen. Man müsse abwarten, ob sich der Verdacht russischer Einflussnahme erhärte, sagte er im Deutschlandfunk. "Das ist die Stunde für Spionage und Sabotage. Klar ist, dass wir also erhöht wachsam sein müssen, aber wir sollten auch besonnen sein und keine Hysterie verbreiten."

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