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Landtagswahl in Thüringen: Das macht Bodo Ramelow (Linke) aus


Wer ist Bodo Ramelow?
Der "Ramelow-Effekt" soll es richten


17.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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Bodo Ramelow (Archivbild): Er schlägt eine deutsche Teilnahme an einer Friedensmission in der Ukraine vor.Vergrößern des Bildes
Bodo Ramelow (Archivbild): Die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten, die Linke, erreicht in Umfragen nur noch etwas mehr als 12 Prozent. (Quelle: IMAGO/Mario Gentzel/imago-images-bilder)

Bodo Ramelow ist Deutschlands erster Ministerpräsident der Linken. Mit den Landtagswahlen Anfang September könnte das vorbei sein. Wie will der Ausnahme-Linke das verhindern?

Ramelow hat nie einen Hehl daraus gemacht, was er will: Erster Ministerpräsident der Linken in Deutschland werden. Geschafft hat er das im Jahr 2014. Seitdem führt er mit einer kurzen Unterbrechung im Februar 2020 – nach der umstrittenen Wahl Thomas Kemmerichs (FDP) zum Ministerpräsidenten – eine rot-rot-grüne Koalition an.

Doch damit könnte es bald vorbei sein. Seine Minderheitsregierung kommt derzeit auf weniger als 30 Prozent, die Grünen sind im nächsten Landtag wohl gar nicht mehr vertreten. Für den Linken-Politiker bedeutet es aller Voraussicht nach sein Karriereende. Dennoch setzt er weiterhin auf den "Ramelow-Effekt". Was treibt ihn an?

Steckbrief Bodo Ramelow

Beruf: Ministerpräsident in Thüringen, zuvor: Bundes- und Landtagsabgeordneter. Früher: Gewerkschaftsfunktionär

Geburtstag: 16. Februar 1956

Geburtsort: Osterholz-Scharmbeck (Niedersachsen)

Familienstand: in dritter Ehe verheiratet, zwei Söhne aus erster Ehe

Berufsausbildung: gelernter Einzelhandelskaufmann

Wofür steht Bodo Ramelow politisch?

Für klassische Werte der Partei die Linke – insbesondere soziale Gerechtigkeit. Günstigeres Wohnen, kostenfreie Kinderbetreuung, mehr soziale Teilhabe für Benachteiligte. Sozialist und Christ sei er, sagt er von sich. Der gebürtige Niedersachse, der nach dem Mauerfall als Gewerkschaftsfunktionär nach Thüringen kam, passt nur bedingt ins gängige Klischee.

Sein Fokus in der politischen Arbeit liegt auf dem Missverhältnis zwischen West- und Ostdeutschland. Er, der erst nach der Wende in die neuen Bundesländer kam, sieht diese als abgehängt und betrogen an.

Viele Menschen im Osten fühlten sich nicht mitgenommen, sagt er dazu immer wieder. Ostdeutschland habe mehr eingebracht als den grünen Pfeil an der Ampel und das Sandmännchen. "Unsere Wahrnehmung ist, dass wir die Verlierer sind, tatsächlich sind wir ein starkes Stück Deutschland", betonte Ramelow im Juni im rbb-Inforadio.

Dazu bringt er gerne eine kurios anmutende Forderung ins Spiel: eine Abstimmung übers Grundgesetz. "Die deutsche Einheit ist wirtschaftlich gelungen, aber emotional geht sie gerade krachen", sagte Ramelow weiter. Das Land drifte gerade wieder auseinander, sagte Ramelow. Eine Volksabstimmung über die Verfassung könne Hetzern das Wasser von den Mühlen nehmen, so Ramelow.

Mit welchen Versprechen geht Ramelow in den Wahlkampf?

Mit wenig konkreten. Auf Plakaten wirbt der Politiker mit Sprüchen wie "Nähe und Vertrauen", "Anstand" oder "Haltung". Die Linke Thüringen setzt voll auf einen Personenwahlkampf um Ramelow, auch wenn dieser einen solchen beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) scharf kritisierte.

Auf immerhin 17.000 Plakaten taucht der Linken-Schriftzug nicht auf, sagte ein Parteisprecher der "Bild"-Zeitung. Dazu passt auch ein jüngst veröffentlichter Wahlkampfspot, in dem Ramelow singend auftaucht.

Video | Video zeigt skurriles Wahlkampfmanöver
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Quelle: t-online

Dahinter steckt ein Kalkül: Immerhin steht Ramelow im Falle einer Direktwahl des Ministerpräsidenten bei 47 Prozent, wie aus einer aktuellen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des MDR hervorgeht. Das Problem: Der Ministerpräsident wird vom Landtag gewählt, und hier sieht es für die Linke schwierig aus. In jüngsten Umfragen rangiert Ramelows Partei nur bei etwa 12 bis 14 Prozent. Es herrscht folglich ein krasses Missverhältnis. Dennoch will der Ministerpräsident auf den "Ramelow-Effekt" setzen, wie er es selbstbewusst nennt.

Einige Ziele hat seine Partei im Januar aber doch beschlossen. Ramelow will etwa Bildung und Betreuung in Thüringen komplett beitrags- und gebührenfrei gestalten. Außerdem strebt der Politiker die Gründung einer Landeswohnungsbaugesellschaft an, um langfristig sozialverträgliche Mieten sicherzustellen.

Außenpolitisch fordert Ramelow eine Waffenruhe in der Ukraine und stellt sich gegen die Langstreckenwaffen, die in Deutschland stationiert werden sollen. Es sind Forderungen, mit denen auch das BSW Wahlkampf macht. Und die für die Thüringer höchstens sehr indirekt eine Rolle spielen.

Welche Kontroversen hat Ramelow ausgelöst?

Ramelow ist ein Freund klarer Worte. Eine Charaktereigenschaft, die ihn mehrfach in die Bredouille brachte. Im Jahr 2021 war er für eine kleine Staatskrise verantwortlich, als er bei der Audio-Plattform Clubhouse freimütig erzählte, dass er gelegentlich Candy Crush spiele, um den Kopf freizubekommen – auch bei Ministerpräsidentenkonferenzen.

Damals trafen in diesen Runden Bund und Länder grundlegende Entscheidungen in der Corona-Pandemie. Zudem nannte Ramelow die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel "Merkelchen", wofür sich Ramelow später entschuldigte.

Der dpa sagte Ramelow: "Die einen spielen Sudoku, die anderen spielen auf ihren Handys Schach oder Scrabble, und ich spiele Candy Crush." Ramelow wurde daraufhin von zahlreichen Politikern scharf kritisiert. Erst im Frühjahr dieses Jahres gab er dann zu, in der Runde sei er "ziemlich angetrunken" gewesen.

Mittelfinger-Eklat im Landtag

Generell sagt und zeigt Ramelow schnell, was er denkt. Besonders in Bezug auf seinen politischen Erzfeind: die AfD. Während einer Landtagsdebatte im Juli 2020 zum Umgang mit den NSU-Akten kam es zu einem hitzigen Zwischenfall. Ramelow zeigte dem AfD-Abgeordneten Stefan Möller während dessen Rede den Mittelfinger und bezeichnete ihn als "widerlichen Drecksack". Möller hatte zuvor in Richtung Ramelow gesagt: "Wer da schon alles Tolles beobachtet wurde, nicht wahr, Herr Ramelow?"

Er spielte damit auf die frühere Beobachtung Ramelows durch den Verfassungsschutz an, die später als rechtswidrig eingestuft wurde. Möller stellte Anzeige gegen Ramelow, ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung stellte die Staatsanwaltschaft gegen eine Zahlung Ramelows von 5.000 Euro ein.

Wahl eines AfD-Politikers zum Vizepräsidenten

Zuvor war Ramelow für seine Erklärung kritisiert worden, im März 2020 Michael Kaufmann (AfD) zum Landtags-Vizepräsidenten gewählt zu haben. "Mir gefällt weder die Partei, noch hege ich Sympathien für Herrn Prof. Kaufmann, aber ich achte die Parlamentsregeln", sagte er damals.

Zudem habe er mit seinem Abstimmungsverhalten als Landtagsabgeordneter auch sicherstellen wollen, dass der lange nicht arbeitsfähige Wahlausschuss für Richter und Staatsanwälte wieder handlungsfähig werde.

Staatssekretär-Affäre in Thüringen

Erst im Juli hat die Staatsanwaltschaft Erfurt Ermittlungen in einer weiteren Affäre gegen die Thüringer Landesregierung eingestellt. Bei den Ermittlungen war es um den Verdacht gegangen, Ramelow oder die Minister seines Kabinetts könnten sich der Untreue schuldig gemacht haben, als sie Staatssekretäre ernannten, die angeblich keine ausreichenden Qualifikationen für diese Ämter vorzuweisen hatten.

Ausgangspunkt für die Ermittlungen war ein Prüfbericht des Landesrechnungshofes gewesen. In diesem wurden der Landesregierung systematische und schwerwiegende Verstöße gegen Regeln zur Einstellung von Beamten vorgeworfen.

Was ist über Ramelow privat bekannt?

Er ist in dritter Ehe verheiratet. Seine Ehefrau heißt Germana Alberti vom Hofe, ist gebürtige Italienerin und arbeitet als Supervisorin. Mit ihr hat er eine Französische Bulldogge namens Lilo, über Jahre war der Jack-Russell-Terrier Attila sein Begleiter, der auch als "First Dog" bezeichnet wurde.

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Ramelow hat zwei erwachsene Söhne aus erster Ehe. Beide kämpften mit einer Krebserkrankung, die sie überstanden haben.

Generell hatte es Ramelow im Leben nicht immer leicht. Er ist bekennender Legastheniker, was ihm besonders in der Kindheit schwer zu schaffen machte, weil seine Lese-Rechtschreib-Schwäche lange Zeit nicht erkannt wurde. Wie Ramelow der "Bild am Sonntag" im Jahr 2015 berichtete, habe seine Mutter ihn aus "purer Verzweiflung" mit der Peitsche geschlagen – weil er nur schlechte Noten in Rechtschreibung nach Hause gebracht habe.

Damals sei das Lebensmittelgeschäft des schwer kranken Vaters pleitegegangen, hoch verschuldet habe die Mutter vier Kinder durchbringen müssen. Er habe deswegen auch der Mutter verziehen.

"Das gibt mir Kraft"

Mittlerweile hat Ramelow Strategien entwickelt, mit dem Handicap umzugehen. Bis heute habe er Probleme beim Schreiben. "Aber ich kann 30 Seiten aus dem Kopf diktieren. Mein Gehirn hat sich enorm dadurch geschärft", sagte der 68 Jahre alte Linken-Politiker der Zeitschrift "Bunte".

Ramelow ist protestantisch, was für einen Linken unüblich ist. Er fremdelt nach eigenen Angaben aber nicht mit katholischen Gottesdiensten. In seiner politischen Karriere hat Ramelow derweil schon oft Halt im Glauben gefunden – etwa nach dem Schulmassaker am Erfurter Gutenberg-Gymnasium im Jahr 2002. "Das sind Erlebnisse, bei denen ich gemerkt habe: Ich fühle mich zugehörig und das gibt mir Kraft." Er spüre, dass Gott da sei. Nachdem sein zweiter Sohn ebenfalls vom Krebs geheilt worden war, trat er laut eigener Aussage wieder in die Kirche ein, mit der er zuvor gehadert hatte.

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