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Robert Habeck auf Sommerreise durch Deutschland: Krisen verfolgen ihn


Vizekanzler unterwegs
Robert Habeck wird verfolgt


14.07.2024Lesedauer: 5 Min.
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Robert Habeck: Wann wird's für ihn wieder richtig Sommer? (Quelle: IMAGO/Marc John/imago)

Robert Habeck will auf seiner Sommerreise durch Deutschland die Berliner Mühen hinter sich lassen. Doch die Krisen holen ihn immer wieder ein.

Robert Habeck hat Schnupfen, dabei will er endlich durchatmen. Der Vizekanzler steht am Montag im Innenhof eines Hotels in Stuttgart, Kameras und Mikrofone sind auf ihn gerichtet. Er muss den Journalisten jetzt etwas sagen, doch seine Stimme ist belegt, sein Gesicht etwas zerknautscht.

Habeck ist in dieser Woche "auf'm Platz", so lautet das Motto seiner Sommerreise in Zeiten der Fußball-EM. Unternehmen besuchen, Hände schütteln, Fotos machen, reden, reden, reden. Oder wie er es sagt: "Das Land in seiner ganzen Breite erleben."

Ein bisschen verschnaufen also nach dem Haushaltsmarathon? Dass daraus nichts wird, dürfte Habeck spätestens an diesem Morgen ahnen. Und das liegt nicht nur an seiner Erkältung. Die Berliner Politik verfolgt ihn durch die sieben Bundesländer seiner Tour.

Robert Habeck muss den schwierigen Haushaltskompromiss verteidigen, den er selbst zu verantworten hat, vor allem gegen Kritik aus den eigenen Reihen. Damit die Ampel eine Zukunft hat in all den Weltkrisen. Und als wäre das nicht genug, wird er bald viele davon überzeugen müssen, dass er selbst die politische Zukunft sein könnte. Auch in seiner Partei.

Früher war irgendwie mehr Sommer.

Kreativ waren sie, aber reicht das?

Es war verdammt knapp. Mehrfach stand es in der Nacht zum vergangenen Freitag Spitz auf Knopf, als Habeck mit Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner über den Haushalt verhandelte.

Die einen wollten die Milliardenlücke schließen, indem sie wegen der Ukraine die Notlage ausrufen und die Schuldenbremse aussetzen. Scholz und seine SPD vor allem, aber auch Habeck und die Grünen. Nur Lindners FDP wollte das auf keinen Fall.

Was also haben die drei gemacht? Sie kratzten in etwa die gleiche Summe mit diversen Tricks zusammen. Sie wollen künftig Zinsen später zahlen, der Bahn und der Autobahn an der Schuldenbremse vorbei viel Geld geben und die nächste Regierung dazu verpflichten, ab 2028 für Verteidigung plötzlich mal 28 Milliarden Euro mehr auszugeben. Denn dann ist das Sondervermögen aufgebraucht. Kreativ ist das, aber reicht es aus?

Die Ampel wäre nicht die Ampel, wenn darüber nicht längst diskutiert würde. Und das, obwohl viele Details noch gar nicht bekannt sind. Alle warten auf den 17. Juli, wenn es mit dem Gesetzentwurf endlich Zahlen, Daten, Fakten geben soll.

Viel Streit und kaum Informationen

Doch schon das Wenige, das bekannt ist, reicht aus für viel Streit. Soll man ausländische Fachkräfte anlocken, indem man sie die ersten Jahre weniger Steuern zahlen lässt als Deutsche? Selbst der zuständige Minister Hubertus Heil findet das schwierig. Und ist es zumutbar, dass Bürgergeldempfänger Jobs annehmen müssen, für die sie drei Stunden fahren müssen?

Für Habeck besonders schwierig: Reicht es in Kriegszeiten, nächstes Jahr nur 1,2 Milliarden Euro mehr für Verteidigung auszugeben? Für den Verteidigungsminister Boris Pistorius, der sich 6,7 Milliarden Euro gewünscht hatte, ist die Antwort klar. Für den Vizekanzler Habeck ist sie komplizierter. Er findet auch, dass es viel zu wenig Geld ist. Aber er hat es eben ausgehandelt. Er ist verantwortlich.

Als er am Montag im Stuttgarter Hotelinnenhof steht und danach gefragt wird, versucht es Robert Habeck also mit zwei Botschaften. Die erste: Der Haushalt halte sich an die Finanzbedingungen, die man sich gegeben habe. Vulgo Schuldenbremse. Die zweite Botschaft: "Die Finanzbedingungen passen nicht zur Sicherheitslage Deutschlands." Das sei seine Meinung und die der Grünen. Aber eben nicht die Meinung aller in der Regierung. Soll heißen: Geht leider nicht anders mit der FDP, auch wenn es falsch ist.

Sommer-Sonne-Sonnenschein klingt anders.

Diese verflixten, praktischen Wärmepumpen

Als Robert Habeck wenig später bei einem Stuckateur angekommen ist und auf dem Hof zwischen vielen neugierigen Handwerkern steht, scheint die Sonne immerhin buchstäblich. Die Jacketts sind längst abgelegt, als sie dem Wirtschaftsminister erklären, dass er mit einer Flächenheizung in der Decke sein Haus auch kühlen kann. Und zwar so, dass die Wärmepumpe besonders wenig Energie verbraucht. Dabei müssen sie ihn natürlich gar nicht mehr von der Technik überzeugen. Andere schon.

Habeck will vom Chef wissen, ob er die heftige Debatte über die Wärmepumpe bei den Kunden noch bemerke. Der sagt: "Ich spüre schon Verunsicherung." Zugleich wisse jeder Hausbesitzer, dass man etwas tun müsse. Habeck nimmt es hin, er hat Ähnliches natürlich schon häufiger gehört.

Das verkorkste Heizungsgesetz mit der noch verkorksteren Debatte klebt an ihm wie sein weißes Hemd bei 30 Grad und Sonne. Es ist ein Hauptgrund für die grüne Krise, für seine Krise. Weil mit dem Gesetz das längst überwunden geglaubte Image der Grünen als regelungswütige Verbotspartei zurückgekehrt ist. Und ausgerechnet Habeck selbst ist schuld, der jahrelang gegen dieses Image angekämpft hat. Es ist verflixt.

Deshalb ist interessant, was Habeck sagt, als ein Journalist ihn fragt, was die Ampel vom Fußball lernen könne. Politik sei auch ein umkämpftes Geschäft, sagt Habeck dann. Niemand könne erwarten, dass alle immer nur füreinander klatschten. Wichtig sei aber, dass man Tore schießen wolle – und nicht nur keine Tore kassieren.

Auf die Politik übertragen bedeutet das für Habeck, dass Wahlkämpfe und die politische Debatte nach vorn gerichtet sein und sich um die besten Ideen drehen müssten. Um das Morgen, nicht ums Gestern. Nur sei das nicht die Stärke von Politik. "Alle sind immer fleißig darauf bedacht, dem anderen die Fehler der Vergangenheit vorzuhalten." So wird das nichts, soll das heißen.

Die Sache mit der Kanzlerkandidatur

Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erahnen, dass Habeck damit auch in eigener Sache spricht. Mehr über das Morgen zu reden und nicht dauernd über das Gestern – das würde ihm natürlich helfen. Besonders jetzt, wo ihm seine Vergangenheit die Zukunft verbauen könnte.

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Immerhin hat sich eines von Habecks Problemen in dieser Woche gelöst. Mit Annalena Baerbocks Verzicht ist der Weg frei für einen Kanzlerkandidaten Robert Habeck. Einen potenziell schmutzigen parteiinternen Wahlkampf darüber, wer der oder die Bessere ist, den wird es nun nicht geben.

Doch Habeck bleibt eben der Kandidat mit der Wärmepumpen-Vergangenheit. Wo auch immer man hingeht, erzählen Grüne, dass es Habecks Heizungsgesetz ist, das viele Menschen noch immer von den Grünen entfremdet. Und derselbe Habeck soll die Leute jetzt davon überzeugen, ihn zum Kanzler zu wählen?

Habeck und seine Leute sind sich natürlich bewusst, dass das eine heikle Operation wird. Sie arbeiten seit Monaten daran, die Fehler der Vergangenheit in eine positive Erzählung für die Zukunft zu verwandeln. Und die geht in Kurzform so: Ich, Habeck, sitze die Probleme nicht aus, sondern gehe dahin, wo es auch mal wehtut, wo etwas schiefgehen kann und man sich möglicherweise korrigieren muss. Aber wenigstens verdränge ich sie nicht wie die anderen, sondern versuche, sie zu lösen.

Kann das funktionieren? Selbst einige seiner Parteifreunde wird er davon noch überzeugen müssen.

Der Krisenexperte

Am Dienstagabend gibt's wirklich Fußball für Robert Habeck. Der Vizekanzler ist im Geißbockheim zu Gast, dem Klubhaus des 1. FC Köln. Würstchen auf dem Grill, Kölsch in den Gläsern, Spanien gegen Frankreich "auf'm Platz" bei der EM.

Endlich Sommer für Habeck? Erst muss er doch noch ein paar Fragen beantworten. Was er über die Bedeutung von Optimismus und Zuversicht sagen könne, die man braucht, um Krisen zu bewältigen, wird er gefragt. Die Krisen habe er, Habeck, doch mit dem 1. FC Köln gemein. Zum siebten Mal ist der Verein gerade abgestiegen. Und der Vizekanzler? Nun ja.

"Oje", sagt Habeck. Er sei ja nun auch kein Krisenexperte. Darüber nachgedacht hat er aber offensichtlich trotzdem schon mal. "Wenn man in einer Krise ist, dann muss man sie annehmen und stehen wollen", sagt er. Wenn man sie nur beklage, habe man keine Chance. "Krise bedeutet einen Arbeitsauftrag, da wieder rauszuwollen." Und: "Kein Selbstmitleid, das ist das Falscheste, genauso wie Selbstzufriedenheit."

Ob die Kölner die Krise so bewältigen? Und Robert Habeck auch?

Verwendete Quellen
  • Begleitung der Sommerreise von Robert Habeck am Montag und Dienstag
  • Eigene Recherchen
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