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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Haushaltsberatungen Das Endspiel der Ampel
Scholz, Habeck und Lindner müssen im Haushalt 2025 ein Milliardenloch stopfen. Kann das klappen? Oder scheitert die Ampel am Streit ums Geld?
Die Uhr tickt. Noch zwei Wochen verbleiben, dann wollen sie eigentlich fertig sein: Am 3. Juli, kurz vor der parlamentarischen Sommerpause, so die selbst gesetzte Deadline, soll die Bundesregierung den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr verabschieden.
Unter strenger Geheimhaltung tüfteln deshalb dieser Tage die drei Spitzenmänner der Ampel – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) – an einem möglichen Kompromiss für den Etat. Die Sache ist vertrackt, denn gegenüber dem laufenden Jahr muss die Regierung einen zweistelligen Milliardenbetrag einsparen. (Mehr zur genauen Höhe lesen Sie hier.)
Es ist das Endspiel der Ampel, das große Finale. Gelingt der Haushalt, so sagen es viele in Berlin, dürfte das Regierungsbündnis bis zur nächsten regulären Wahl im Herbst 2025 halten. Bestenfalls gäbe es dann drei Sieger. Kommt der Etat nicht zustande, ist alles offen – dann sind das vorzeitige Ampel-Aus und Neuwahlen nicht ausgeschlossen, bei der die drei Parteien nach aktuellem Stand der Umfragen alle verlören. Doch wie genau sähe der weitere Weg aus? Ein Haushaltsausblick in drei Szenarien.
Szenario 1: Das Sparen gelingt, alles läuft glatt
Es ist das Wunschszenario des liberalen Finanzministers, der seine Kabinettskollegen Anfang des Jahres per Brief zum Sparen zwang: Nach viel Hin und Her haben am Ende alle Minister ein Einsehen, jeder kürzt, so viel er soll, und die übrigen Milliarden, die noch fehlen, lassen sich auch noch irgendwo rausquetschen.
Vor allem in den Reihen der FDP geben sich dieser Tage viele Akteure extrem optimistisch, dass es genau so kommen wird. Schließlich gehe es ja gar nicht anders. Von der "Macht des Faktischen" ist viel die Rede und davon, dass man am Grundgesetz eben nicht vorbeikomme, was vor allem heißt: Die Schuldenbremse gilt, zu viele neue Staatskredite verbieten sich.
Das Problem dabei: Dieses Sparszenario wäre extrem schmerzhaft, vor allem für die SPD, die Kürzungen am Sozialstaat, wie sie die Liberalen am liebsten wollen, nach den katastrophalen Europawahlergebnissen erneut ausgeschlossen hat. Aber auch für die Grünen. Ein Ampelpolitiker sagt: "Im Moment fehlt mir die Fantasie, dass das alles klappt. Aber noch weniger kann ich mir vorstellen, dass es am Ende nicht doch irgendwie hinhaut."
Szenario 2: Es bleibt ein Haushaltsloch – und es braucht Tricks
Möglich ist deshalb auch ein zweites Szenario, und das geht so: Die Ampelspitzen schaffen es nicht, alle Haushaltslöcher durch Sparen zu stopfen, und müssen sich wieder einmal eines Geldtricks bedienen. Der naheliegendste ist das erneute Aussetzen der Schuldenbremse. Die Regierung müsste dafür eine Haushaltsnotlage erklären, was nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts deutlich schwieriger geworden ist – und was die FDP kategorisch ausschließt.
Für SPD und Grüne wäre es der bestmögliche Ausweg: Der Staat würde sich fehlendes Geld am Kapitalmarkt besorgen. Beide Parteien wollen die Schuldenregeln eigentlich ohnehin lockern und wissen viele Experten auf ihrer Seite.
"Mittlerweile gibt es kaum mehr eine Organisation, die die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form verteidigt", sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Achim Post, t-online. Eine Möglichkeit, um auch kurzfristig mehr Spielräume im regulären Etat zu schaffen, sieht er darin, die Ukraine-Hilfen aus dem Haushalt 2025 auszuklammern.
Posts Hoffnung: Die Liberalen zeigen sich gesprächsbereit, nicht zuletzt um auch das der FDP wichtige Wirtschaftspaket voranzubringen. "Jeder muss sich bewegen, um eine Lösung zu finden, die unser Land insgesamt voranbringt", sagt der SPD-Politiker.
Der zweite mögliche Geldtrick, der derzeit diskutiert wird, ist ein weiteres Sondervermögen ähnlich dem für die Bundeswehr. Es wäre eine Lösung, die auch in der Wirtschaft Anklang findet. Zuletzt sprach sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) für einen Sondertopf von rund 400 Milliarden Euro aus. Das Geld soll in die Infrastruktur und die Bildung investiert werden.
In der Koalition wären SPD und Grüne sicher dafür. Allerdings ist fraglich, ob die FDP dabei wäre. Was die Sache zusätzlich verkompliziert: Für ein Sondervermögen bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und damit die Zustimmung von CDU und CSU.
Dort hat sich die Haltung gegenüber Schulden in den vergangenen Monaten zwar teilweise geändert. Viele sind nicht mehr grundsätzlich dagegen. "Wenn ganz besondere Situationen es erfordern, sind wir bereit, an außerordentlichen Lösungen mitzuwirken", sagt etwa der Fraktionsvize Matthias Middelberg. Allerdings würde die Union dafür wohl eine lange Liste an Bedingungen stellen.
"Wer von 'Zeitenwende' redet, muss konsequent auch die Schwerpunkte im Haushalt neu ordnen", sagt Middelberg. "Deshalb muss auch der reguläre Haushalt entsprechend umgebaut werden." Gerade beim Bürgergeld und bei den Asylausgaben sieht die Union Kürzungspotenzial.
Allerdings rechnet man in der Union gar nicht so sehr damit, dass die Ampel ihre Hilfe brauchen wird. Scholz, Habeck und Lindner würden sich irgendwie einig, heißt es dort unter den erfahreneren Haushältern. Im Zweifel könnten ein paar Ausgaben geschoben werden.
Tatsächlich ist das kein neuer Trick, der auch im Kanzleramt in Erwägung gezogen werden dürfte. Projekte, die in das nächste Jahr und damit den nächsten Haushalt geschoben werden können, schiebt man. Das Problem: Nächstes Jahr wird gewählt. Ob die Vorhaben wirklich alle kommen, das müsste die nächste Bundesregierung entscheiden.
Szenario 3: Die Ampel platzt – oder wird endgültig zum "Zombie"
Doch was, wenn sich Scholz, Habeck und Lindner nicht einigen? Wenn sie zwar viele Projekte finden, bei denen sie sparen können, aber nicht genug? Wenn die Bedenken der FDP gegen eine Notlage stärker sind? Und sich mit der Union keine Mehrheit für ein Sondervermögen oder eine Reform der Schuldenbremse findet?
Es gibt Politiker in der Koalition, die genau das befürchten. Eben weil sich die Ampel gerade kaum noch auf etwas einigen kann. Von einem "Zombie" redet mancher inzwischen, wenn es um die Koalition geht. Noch ist sie zwar nicht tot, soll das heißen. Aber lebendig auch nicht mehr.
Könnte der Haushalt die Ampel jetzt endgültig sterben lassen? Es gibt bei den Grünen Stimmen, die das für realistisch halten. Aller Durchhalteparolen des Führungspersonals zum Trotz. Mit einer Vertrauensfrage des Kanzlers, die im Bundestag scheitert, könnte es schnell gehen, muss es aber nicht. Bevor der Bundespräsident den Bundestag auflöst, könnte er die Parlamentarier dazu anhalten, andere Mehrheiten zu finden.
Weiter so – nur ohne Haushalt?
Die Ampelkoalition könnte sich auch aus anderen Gründen noch weiterschleppen. Es ist zwar üblich, dass die Regierung einen Haushaltsentwurf vor der Sommerpause vorlegt, also Anfang Juli. Im Notfall geht es aber auch anders. Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil legte die Bundesregierung den Haushalt für 2024 erst im Dezember vor. Auch jetzt wäre es denkbar, dass der Etatentwurf erst später steht. Ein paar Tage später – oder deutlich später.
Und wenn selbst das schiefgeht, könnte die Ampel auch ohne Haushalt weiterregieren. Theoretisch. Faktisch wäre sie quasi handlungsunfähig und könnte nur noch die laufenden Kosten begleichen, alle größeren Investitionen müsste das Finanzministerium absegnen.
All das will die Bundesregierung dringend vermeiden, um den Ampelfrust bei den Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im Herbst nicht noch zu verstärken. Und auch, weil selbst Spitzenkoalitionäre nicht ausschließen, dass irgendwer irgendwann doch die Nerven verliert – und die Koalition einen Ermüdungsbruch erleidet.
- Eigene Recherche