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Messerattacke in Mannheim: Politiker uneins bei Afghanistan-Abschiebungen


Uneinigkeit in der Ampel
Abschiebungen nach Afghanistan? Baerbock skeptisch

Von dpa, reuters
04.06.2024Lesedauer: 4 Min.
imago images 0492732211Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock: Die Außenministerin sieht Probleme bei Abschiebungen von Afghanen. (Quelle: IMAGO/Tomas Tkacik / SOPA Images/imago)

Die Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan nimmt Fahrt auf. Unter anderem Nancy Faeser und Friedrich Merz sprechen sich dafür aus. Die Grünen äußern sich zurückhaltender.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will "so schnell wie möglich" wieder Straftäter und Gefährder nach Afghanistan oder Syrien abschieben. Sie lasse seit mehreren Monaten "sehr intensiv" prüfen, wie Abschiebungen von schweren Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan wieder ermöglicht werden könnten, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin und bestätigte damit einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters von Montag. Damit steht die Ampel-Regierung vor einer neuen Debatte. Denn während die SPD- und FDP-Fraktionschefs sowie die Union Faeser bei der Forderung nach Abschiebungen unterstützten, äußerten sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und die Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge skeptisch.

"Sicherheit geht vor Bleiberecht", betonte dagegen Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU), der gemeinsam mit Faeser in Berlin über die Sicherheitsvorkehrungen vor der in zehn Tagen beginnenden Fußball-Europameisterschaft informierte. Auslöser der Debatte ist, dass am Wochenende ein aus Afghanistan stammender Mann bei einer Messerattacke einen Polizisten in Mannheim getötet und mehrere Menschen verletzt hatte. Faeser betonte allerdings, dass der Attentäter von Mannheim nicht ausreisepflichtig gewesen sei. Nach einem Bericht der "Welt" war der Asylantrag des Afghanen 2014 abgelehnt worden. 2023 sei ihm eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden, weil er das Sorgerecht für ein Kind habe.

Nach Informationen des Bundesinnenministeriums gab es Ende April 13.396 ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige in Deutschland. Allerdings hatten von diesen 11.666 einen Status als "Geduldete". Bei den Syrern sieht es ähnlich aus: 10.026 Personen sind ausreisepflichtig, 8.914 hatten einen Status als "Geduldete".

Innenminister einig, Ampel nicht

Sowohl Faeser als auch Reul verwiesen darauf, dass es eine einheitliche Haltung der Innenminister von Bund und Ländern in der Frage der Abschiebungen gebe. "Für mich ist klar, dass Personen, die eine potenzielle Gefahr für die Sicherheit Deutschlands sind, schnell abgeschoben werden müssen. Und da bin ich auch ganz entschieden, die Sicherheitsinteressen Deutschlands überwiegen hier eindeutig gegenüber den Bleibeinteressen von Betroffenen", sagte Faeser. Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich schlossen sich der Forderung an.

Reul wies darauf hin, dass man von der Einschätzung des von den Grünen geführten Außenministeriums etwa zu Afghanistan abhängig sei. Es sei aber unverständlich, wenn Menschen in bestimmte Staaten reisen könnten, "um sich mal von einem Aufenthalt in Deutschland zu erholen" und dann nicht dorthin ausgewiesen werden dürften.

Merz bietet Zusammenarbeit an

CDU-Chef Friedrich Merz forderte das Außenministerium auf, endlich die seit Monaten laufende neue Einstufung Afghanistans abzuschließen. "Das Auswärtige Amt prüft jetzt seit Monaten. Wir fordern die Bundesregierung auf, nun mal endlich ein Ergebnis dieser Prüfungen vorzulegen", verlangte er. "Nach unserer Auffassung sind Abschiebungen von schweren Straftätern nach Syrien und nach Afghanistan heute schon möglich." Bei den Prüfungen geht es darum, ob die Sicherheitslage in den Ländern eine Abschiebung schwerer Straftäter aus Deutschland ermöglicht.

Darüber hinaus forderte März die Ampel-Regierung zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung gegen den politischen Islamismus in Deutschland auf. "Ich weiß, dass das schwierig ist. Aber ich biete der Bundesregierung ausdrücklich an, dass wir dies gemeinsam tun" sagte der CDU-Vorsitzende am Montag vor einer Sitzung der CDU/CSU-Abgeordneten in Berlin. "Denn das ist für uns alle eine Herausforderung unserer Demokratie. Es ist es eine Herausforderung für die Sicherheit in unserem Land."

Dobrindt spricht von "mangelndem Willen"

"Wie will man mit einem islamistischen Terrorregime zusammenarbeiten, mit dem wir gar keine Beziehungen haben?", fragte Baerbock dagegen mit Blick auf die in Afghanistan herrschenden radikal-islamischen Taliban. Eine Abschiebung nach Afghanistan sei zudem schon logistisch ein Problem, sagte sie. "Wie unsere europäischen Partner haben wir keine Botschaft vor Ort, die die Rückführungen begleiten könnte." Deutschland schiebe nicht in Länder ab, in denen Menschen mit dem Tode bedroht werden, sagte Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge. Sie finde diesen Grundsatz richtig.

Die Union warf den Grünen dagegen vor, sie wollten eine Lösung verhindern. Die Gegenargumente seien vorgeschoben, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei. "Ich bin davon überzeugt, dass es jenseits der Anerkennung eines solchen Regimes immer auch technische Möglichkeiten gibt, damit umzugehen. Wir wissen im Übrigen, dass zahlreiche westliche Länder genau solche technischen Beziehungen unterhalten", sagte er. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von "mangelndem politischen Willen" der Ampel-Regierung.

Faeser verwies darauf, dass man zudem auch mit den Nachbarstaaten Afghanistans über eine Aufnahme spreche. Länder nannte sie nicht, es dürfte aber um die zentralasiatischen Staaten wie Usbekistan oder Tadschikistan gehen.

Schutz vor der EM hochgefahren

Faeser begrüßte, dass der Generalbundesanwalt am Montagabend die Ermittlungen im Fall des Mannheimer Attentäters übernommen habe. "Unsere Sicherheitsbehörden haben die islamistische Szene fest im Visier und wir verstärken diesen Kampf weiter", sagte sie. Es gebe keine konkreten Gefährdungshinweise für die Fußball-EM.

Sowohl Faeser als auch Reul betonten die enge Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern bei der EM, für die laut Faeser 2,7 Millionen in den Stadien und zehn Millionen Menschen auf den Fanmeilen erwartet werden. Beide warben für eine längere Vorratsdatenspeicherung in Verdachtsfällen, um Täter identifizieren zu können. Auch dies ist in der Ampel umstritten. Faeser sagte zudem, dass vorübergehend Kontrollen an den deutschen Grenzen zu allen Nachbarstaaten während der EM eingerichtet würden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
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