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HomePolitikChristoph Schwennicke: Einspruch!

BSW schwächelt vor Bundestagswahl: Gründe für den Absturz


BSW schmilzt ab
Sahra wer? Sahra wo?

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

23.01.2025 - 02:40 UhrLesedauer: 3 Min.
Sahra WagenknechtVergrößern des Bildes
Sahra Wagenknecht: Ihre Partei schwächelt vor der Bundestagswahl. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa-bilder)
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Ausgezogen, um die politische Landschaft umzupflügen – und plötzlich bleiben Sahra Wagenknecht und ihr BSW nahe oder unter der 5-Prozent-Linie stecken. Was ist da passiert? Zwei Gründe stechen ins Auge.

Es gab eine Zeit, und sie ging recht lang, da hatte der dritte Stuhl von links in jeder deutschen Talkshow eine unsichtbare Plakette. "Hier sitzt immer Sahra Wagenknecht", stand da, und etwas kleiner darunter: "Und wenn sie mal nicht hier sitzt, dann sitzt sie nächste Woche wieder hier. Versprochen." Und in ebenso schöner Regelmäßigkeit wie kühler Anmut verkündete Sahra Wagenknecht, wie sie die Welt sieht und was in ihr falsch läuft. Bis tief in bürgerliche Kreise hinein zog sie so das politische Publikum in ihren Bann.

Diese Zeit ist vorbei und damit einhergehend auch der Höhenflug des Bündnisses, das ihren Namen trägt. Eine Umfrage sah das BSW jetzt mal wieder bei sieben Prozent, aber ansonsten ist die jüngste aller bei der Bundestagswahl antretenden Parteien durch die Bank der Institute unter der Wasserlinie von fünf Prozent durchgetaucht.

Christoph Schwennicke
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Christoph Schwennicke ist Politikchef von t-online. Seit fast 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die "Süddeutsche Zeitung", den "Spiegel" und das Politmagazin "Cicero", dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war. Bei t-online erscheint jeden Donnerstag seine Kolumne "Einspruch!"

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erst einmal hat Sahra Wagenknecht vormals viel von ihrer Strahlkraft aus der Abgrenzung von der eigenen Partei, die damals noch die Linke war, bezogen. Man kennt das Phänomen auch von dem einen oder anderen politischen Publizisten. Schreibt ein eher konservativer Kolumnist in einem eher linksliberalen Medium, dann ist ihm eine höhere Markanz sicher, als wenn er das in einem eher konservativen Medium macht. War sie vorher also die Widerspenstige gegen alle, auch ihren eigenen Verein, ist sie jetzt selbst der Verein. Das ist viel langweiliger. Und Langeweile laden Talkshows nicht ein.

Schwerer aber wiegt: Wagenknecht hat sich verzockt. Zweimal in relativ kurzer Zeit. Beim Gründungsparteitag ihres BSW vor genau einem Jahr setzte die begnadete Demagogin überraschend einen ganz neuen Akzent. Kehrte ab von ihrer Kritik an der unbegrenzten Migration als Kernthema und ging fast ausschließlich auf Frieden und Soziales.

Ranschmeiße an Russland

Mit dem Thema Frieden einher ging unweigerlich eine Ranschmeiße an Russlands Diktator und Aggressor Wladimir Putin. Inklusive einer perfiden und skrupelfreien Schuldumkehr, was den Krieg in der Ukraine anlangt und die territorialen Expansionsgelüste Russlands insgesamt. Damit lässt sich leider politische Münze machen in diesem Land, vor allem im Osten, aber auf diesem Terrain bewegt sich auch ihre Widersacherin Alice Weidel von der anderen populistischen Wirkmacht AfD.

Als Wagenknecht bemerkte, dass deren Mischung aus Anti-Migration und Russland-Verklärung besser zieht als ihr Cocktail aus Populismen, versuchte sie es mit dem Evergreen des Antiamerikanismus. Und attackierte ihre Widersacherin Weidel nach deren Gespräch mit Tech-Magnat Elon Musk als eine Art Mätresse der USA.

Damit aber macht sie einen zweiten fatalen strategischen Fehler und Denkfehler. Viele derer, die man bisher zum quasi-pawlowschen Reflex gegen die Vereinigten Staaten triggern konnte, sind mit den USA eines Donald Trump ziemlich einverstanden. Wünschen sich nichts sehnlicher, als dass das neue Reich des Donald Trump in den USA so schnell wie möglich auch in Deutschland kommen möge. Libertär, illiberal, demokratieverachtend.

Zweimal im Setzkasten vergriffen

So hat sich Sahra Wagenknecht zum zweiten Mal in kurzer Zeit in ihrem Setzkasten der Populismen fatal vergriffen und ins Off manövriert. Sie und ihre Partei drohen auf den letzten Metern vor dem Ziel des 23. Februar auf der Strecke zu verdursten. Deshalb geht Wagenknecht in ihrer Verzweiflung nicht mehr nur gegen die etablierten Parteien vor. Sondern attackiert die Konkurrenz im eigenen populistischen Teich. Ein Phänomen, das man aus der Tierwelt kennt: von Kaulquappen etwa. Die sind niedliche kleine schwarze Knöpfchen mit Schwanz, die friedfertig in Trauben nebeneinander die Algen von den Steinen weiden. Aber wehe, die Pfütze, in der sie geschlüpft sind, beginnt auszutrocknen. Dann werden Kaulquappen mit einem Mal zum Raubtier und fressen sich gegenseitig auf. Weil es darum geht, in der verbleibenden Zeit mit möglichst proteinreicher Nahrung groß zu werden und lebensrettend von Kiemen- auf Lungenatmung umzustellen, also Frosch zu werden.

Das ist das eigentlich Neue im politischen Geschehen dieser Tage: dass die Populisten wechselseitig aufeinander losgehen. Übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, wo sich Steve Bannon und Elon Musk hassen und die MAGA-Bewegung in verschiedene Lager zerbricht. Es gibt sie noch, die kleinen Freuden in dunkler Zeit.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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