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AfD gegen Verfassungsschutz: Das dürfte nur der Startschuss sein


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AfD vs. Verfassungsschutz vor Gericht
Das ist erst der Anfang


Aktualisiert am 12.03.2024Lesedauer: 5 Min.
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AfD-Chefs Tino Chrupalla, Alice Weidel: wichtiges Urteil vor Gericht. (Quelle: dts Nachrichtenagentur/imago-images-bilder)
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Die AfD wehrt sich gegen die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall vor Gericht. Das Urteil wird von ihren Gegnern mit Spannung erwartet. Es könnte für sie der Auftakt sein, um alle Register gegen die AfD zu ziehen.

Wenn heute in Münster vor Gericht darüber verhandelt wird, wie rechtsextrem die AfD ist und ob der Verfassungsschutz sie beobachten darf, wird ein Mann genau hinschauen: Marco Wanderwitz. Denn der sächsische CDU-Politiker, der unter Merkel Ostbeauftragter der Bundesregierung war, hat einen Plan: Er will die AfD verbieten. Seit Monaten führt der Jurist Gespräche mit Kollegen im Bundestag, sammelt Namen, führt Listen, rechnet die Mehrheiten und Chancen für einen Verbotsantrag im Parlament aus.

Wenn es nach Wanderwitz geht, kann es damit nicht schnell genug gehen. "Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist", sagt er zu t-online. "Und gerade ist die Dynamik hoch." Bisher aber fehlt eine wichtige Marke: das Verfahren in Münster. Wanderwitz wartet seit Monaten darauf. Eine "entscheidende Rolle" spiele das Urteil für ein Verbotsverfahren, sagt er.

Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein: Hört man sich in den anderen Parteien zu einem in den Medien wabernden Verbotsverfahren um, dann heißt es seit Wochen: Münster. Wir warten auf Münster.

Demokratiecheck vor Gericht

Deswegen geht es ab Dienstag in Münster nicht bloß um ein Berufungsverfahren. Es geht, gerade für die AfD, um mehr. Das Urteil nämlich könnte der Startschuss für Gegner der Partei sein, um alle Register gegen sie zu ziehen. Der Partei, der man politisch nicht beikommt – juristisch hofft man nun darauf, das Rüstzeug zu erhalten, sie zu untersagen.

Denn das Oberverwaltungsgericht Münster wird sich mit den Fragen befassen, die auch relevant sind, wenn eine Partei verboten oder ihr die Parteienfinanzierung gestrichen werden soll: Wie sehr wendet die Partei sich gegen die Grundpfeiler unserer Demokratie, gegen den Rechtsstaat? Wie rechtsextrem ist sie? Darf sie vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft und mit allen Mitteln beobachtet werden?

Es ist ein Parteien- und Demokratiecheck, bis auf die Nieren, durchgeführt von einer hohen und vor allem: einer unabhängigen Instanz.

Schon jetzt steht auch der Verfassungsschutz in den Startlöchern, um die AfD weiterzustufen, sie vom "Verdachtsfall" zu einer "gesichert extremistischen Bestrebung" zu erklären. Das zumindest berichtete Ende Februar die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf interne Mails und Vermerke des Inlandsgeheimdienstes. Ein entsprechendes Gutachten soll seit Monaten in Vorbereitung sein, auch damit warte man: auf Münster.

275 Aktenordner und 15.000 Seiten

Der Ausgang des Verfahrens ist offen. Selbst in der AfD aber rechnet man sich wenig Chancen aus, das Verfahren zu gewinnen. Schon vor dem Kölner Verwaltungsgericht unterlag die Partei im März 2022 gegen den Verfassungsschutz. Parteichef Tino Chrupalla reiste zu dem Verfahren an – und wurde fotografiert vor einer meterlangen Wand aus grauen Aktenordnern, in denen unter anderem von Ermittlern die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der AfD gesammelt wurden. Ein Foto, das Bände spricht.

Seither ist die Partei noch einmal deutlich weiter in Richtung "rechtsextrem" gerückt – und hat viele weitere Aktenordner geliefert. Spitzenpositionen bekleiden immer häufiger Mitglieder des nur offiziell aufgelösten Höcke-Flügels, er hat seine Macht so erheblich ausgeweitet. Und die Scheu davor, ihre Gesinnung offen zu zeigen, haben viele von ihnen schon lange abgelegt.

275 Aktenordner steuert der Verfassungsschutz inzwischen zum Verfahren bei, wie eine Sprecherin des Oberverwaltungsgerichts t-online erklärt. Hinzu kommen 15.000 Seiten Gerichtsakten, die zum großen Teil digitalisiert sind. Zwei Drittel der Seiten wurden in Münster erarbeitet, ein Drittel stammt noch aus dem Verfahren in Köln.

Die prominenten Köpfe, die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla, sparen sich dieses Mal den Weg nach Münster. Stattdessen sollen die Bundesvorstände Carsten Hütter, Schatzmeister, und Roman Reusch die Partei dort vertreten. Reusch war Oberstaatsanwalt in Berlin, bis er von 2017 bis 2021 für die AfD in den Bundestag einzog. Nun wird er, der ehemalige Staatsdiener, helfen, die in Teilen rechtsextreme AfD gegen den Staat zu verteidigen.

AfD mit neuer Strategie vor Gericht

Und kämpfen will die AfD vor Gericht, mag ihre Hoffnung zu gewinnen auch nicht allzu groß sein. Sie hat mehrere Strategien vorbereitet, um die Beweisführung des ihr so verhassten Verfassungsschutzes anzufechten, heißt es. Eine davon: Sie will seine Quellen anzweifeln.

Wie das funktioniert? Der Verfassungsschutz darf bereits jetzt nachrichtendienstliche Mittel gegen die AfD einsetzen – er darf zum Beispiel verdeckte Ermittler einsetzen, gegebenenfalls sogar Funktionäre beobachten, E-Mails mitlesen und Telefonate abhören. Die AfD will die so erlangte Materialsammlung in Zweifel ziehen – unter anderem, indem sie wohl behaupten wird, dass gesammelte Aussagen von Verbindungsmännern stammen, die der Verfassungsschutz in die Partei eingeschleust hat oder bezahlt.

Der Gedanke dahinter: Der Inlandsgeheimdienst agiere nicht als Staatsschutz, sondern als Scharfmacher innerhalb der Partei.

Die Strategie ist nicht abwegig und aus der Vergangenheit abgeschaut: Im Jahr 2003 scheiterte ein NPD-Verbotsverfahren daran, dass zu viele Funktionäre der Partei zugleich Informationen an den Verfassungsschutz lieferten. Bis zu 15 Prozent der NPD-Vorstandsmitglieder in Bund und Ländern arbeiteten damals wohl als Informanten für den Verfassungsschutz.

Eine ausreichende Minderheit der Richter kippte damals das Verfahren. Sie kritisierten: Die V-Leute hätten früher abgeschaltet und ihre Aussagen im Verfahren deutlich gekennzeichnet werden müssen.

Eine herbe Klatsche für den Verfassungsschutz. Das Verfahren in Münster dürfte nun auch zeigen, ob die Behörde aus der Vergangenheit gelernt hat – oder alte Fehler noch einmal begeht.

"Die schreckt der Verfassungsschutz nicht ab"

Egal, wie das Urteil ausfällt: Für die Wählerschaft und Ausrichtung der AfD werde das Urteil nur eine geringe Rolle spielen, denkt Rechtsextremismus-Experte Hajo Funke. Ein guter Teil der AfD-Wähler sei inzwischen "rechtsextrem überzeugt", sagt Funke t-online, "die schreckt der Verfassungsschutz nicht ab".

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Und der radikale Teil der Partei würde die Bestätigung der Stufe "Verdachtsfall" sogar begrüßen, schätzt Funke: "Das ist der stetig wachsende Teil der AfD, der eine autoritäre, rassistische Republik plant."

CDU-Politiker Marco Wanderwitz hofft auf drei Dinge aus dem Verfahren. Erstens eine weitere Bestätigung für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD, nun noch einmal von einem höheren Gericht verbrieft. Zweitens auf neues und aktuelles Beweismaterial, auf das sich ein Verbotsverfahren stützen ließe. Und drittens: Wind unter den Flügeln jener Kollegen, die bisher noch zögern, sich für ein Verbotsverfahren gegen die so erfolgreiche Oppositionspartei auszusprechen.

"Zurzeit wollen manche Kolleginnen und Kollegen noch nicht den Kopf rausstrecken", sagt er. "Kein Wunder: Wer das tut, wird zum Ziel von Hass und Hetze." Wanderwitz aber hofft: Nach dem Urteil werde sich das ändern.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Marco Wanderwitz
  • Gespräch mit Hajo Funke
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