"Nicht so vorgestellt" Scholz mit erstaunlicher Aussage zu seiner Arbeit
Der Bundeskanzler gibt sich in einer Talkshow locker. Er plaudert über die Bürde des Kanzlerdaseins und lässt sich einen erstaunlichen Satz entlocken.
Das Amt des Parteivorsitzenden ist bekanntlich "das schönste Amt nach Papst", wie SPD-Urgestein Franz Müntefering einst meinte. Ob das Dasein als Bundeskanzler genauso schön ist, darf laut des aktuellen Amtsinhabers bezweifelt werden. Zwar war Scholz erst vor wenigen Tagen beim Papst und konnte sich im Rahmen einer Privataudienz im Vatikan von den Freuden und Bürden des Pontifexamtes berichten lassen, er selbst scheint jedoch mit der Rolle als Kanzler zumindest zeitweilig zu hadern.
"Ich will gerne sagen, dass ich es mir etwas weniger dramatisch vorgestellt hatte", räumte der SPD-Politiker in der Radio-Bremen-Talkshow "3nach9" ein. Er bezog sich dabei auf das Regieren in der Ampelkoalition, denn das gestaltete sich von Anfang an schwierig. Die politischen Zentrifugalkräfte des Dreierbündnisses erwiesen sich als groß, Streit war programmiert, und Scholz gab nach Meinung vieler Experten bislang nicht immer das beste Bild ab.
Schon nach der Bundestagswahl 2017, als die Koalitionsverhandlungen von CDU, FDP und Grüne gescheitert waren, habe er einen Vorgeschmack auf die Herausforderung eines Dreierbündnisses bekommen. "Das hatte mir ein Gefühl dafür verschafft, was alles auf mich zukommen könnte." Dennoch gab er sich in der Talkshow einigermaßen überrascht davon, wie sehr es schließlich wirklich knirschte im Koalitionsgebälk.
Scholz zeigte sich zugleich verärgert, dass so viel über die Prozesse der Ampel geredet werde und weniger über die gemeinsam erreichten Ergebnisse. "So viel Tempo, so viele Entscheidungen hat es schon lange nicht mehr gegeben. Aber das wird alles verdeckt von dem Lärm", sagte der Kanzler. "Das ist etwas, was wirklich bedrückend ist."
Politik ist auch eine Frage der Details
Der 65-jährige SPD-Politiker plädierte daher dafür, die Regierungsarbeit selbst mehr zu loben. Er verwies auf Erfolge in der Migrationspolitik, wo die Koalition die weitreichendsten Beschlüsse "der letzten 20, 25 Jahre" getroffen habe, unter anderem zum Staatsangehörigkeitsrecht, zur Zuwanderung von Arbeitskräften und zur irregulären Migration. "Das ist eine Entscheidung, die durch viel Arbeit möglich gewesen ist."
Doch anstatt das in den Mittelpunkt zu stellen, werde darüber diskutiert, an welcher Einzelregelung der Bezahlkarte acht Stunden oder zwei Wochen gewerkelt werden sollte, so Scholz.
Die Regierung hat ein Kommunikations-, kein Koalitionsproblem, soll das wohl heißen. Es gibt nicht wenige Beobachter, die das für zu kurz gegriffen halten (Lesen Sie hier eine Kolumne von t-online-Politikchef Christoph Schwennicke zum Thema). Dass Politik auch eine Frage der Details ist, über die oft verbissen gerungen wird, dürfte Scholz eigentlich klar sein. Gerade dann, wenn drei Parteien zusammengehalten werden müssen, und nicht nur eine. Bundeskanzler der Ampel ist eben nicht Parteivorsitzender der SPD.
- dw.com: Bundeskanzler Olaf Scholz zu Besuch beim Papst
- faz.net: Münteferings Rückkehr: „Das schönste Amt neben Papst"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa