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Wiederholungswahl Berlin: AfD gewinnt dazu | Experte nicht überrascht


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Experte zur Wiederholungswahl in Berlin
"Das wundert mich nicht"

InterviewVon Charlotta Siemer

Aktualisiert am 12.02.2024Lesedauer: 4 Min.
Tino Chrupalla und Alice Weidel (Archivbild): Die AfD hat bei der Wiederholungswahl in Berlin einen Prozentpunkt dazugewonnen.Vergrößern des Bildes
Tino Chrupalla und Alice Weidel (Archivbild): Die AfD hat bei der Wiederholungswahl in Berlin einen Prozentpunkt dazugewonnen. (Quelle: dts Nachrichtenagentur/imago-images-bilder)

Bei der Wiederholungswahl in Berlin hat eine AfD-Politikerin in Untersuchungshaft Stimmen gewonnen. Politikwissenschaftler Benjamin Höhne zeigt sich nicht überrascht.

Am Ende blieben die Veränderungen durch die Wiederholungswahl in Berlin überschaubar. Dennoch dürften die Ergebnisse der Ampelkoalition zu denken geben: Denn verglichen mit den Ergebnissen von 2021 konnten sowohl SPD als auch FDP deutlich weniger Stimmen einfahren. Die AfD konnte hingegen trotz Skandalen und Protesten an Stimmen gewinnen, und auch die Linke steht zumindest in Berlin gut da. Hier lesen Sie mehr zu den Ergebnissen der wiederholten Bundestagswahl.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki bezeichnete die Ergebnisse für seine Partei als "bitter", SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey die Wahl als "skurril". Der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne erklärt im Interview mit t-online, was die Ergebnisse nun für die Bundesregierung bedeuten und warum er nicht glaubt, dass sich die Zustimmung für die AfD durch die Proteste ändern wird.

t-online: Herr Höhne, insbesondere die SPD und die FDP haben bei dieser Wahl an Stimmen verloren. Wie erklären Sie sich das?

Benjamin Höhne: Wir wissen natürlich nicht, was genau in den Köpfen der Menschen vor sich ging. Aber sicherlich wird bei dieser Wiederholungswahl auch die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Bundespolitik eine Rolle gespielt haben. Die Leistung der Ampel wird oft kritisch oder sogar negativ gesehen. Dies hat sich negativ auf das Ergebnis von SPD und FDP ausgewirkt.

Wie aussagekräftig sind die Ergebnisse denn für die Bundesregierung?

Sie sind nur bedingt ein Meinungsbild für die amtierende Regierung. Es war nur eine partielle Wahlwiederholung in einem Stadtstaat mit sehr spezifischen Gegebenheiten, die zudem Kuriositäten mit sich brachte. So standen dieselben Programme und Kandidierenden von 2021 zur Wahl, aber seit der ursprünglichen Wahl ist viel passiert. Natürlich können wir analysieren, welche Partei gewonnen und welche verloren hat und daraus Schlüsse ziehen. Aber wir sollten die Ergebnisse nicht überinterpretieren.

Trotzdem: Die CDU hat im Vergleich zu 2021 1,3 Prozentpunkte dazugewonnen. Ist das eine Bestätigung für die Oppositionsarbeit der Partei?

Die CDU hat es im Großstadtmilieu von Berlin tendenziell schwer. Deshalb ist es für sie immer wichtig – auch bei einer Wiederholungswahl –, wenn sie in der Hauptstadt ein bisschen zulegen kann. Besonders Friedrich Merz stand ja lange stark in der Kritik, auch intern. Merz scheint seine innerparteiliche Position gefestigt zu haben. Dabei hilft ihm natürlich jedes Wahlergebnis, das einen Zugewinn für die CDU bedeutet.

(Quelle: Gerlind Klemens)

Zur Person

Dr. Benjamin Höhne ist Politikwissenschaftler mit einem Schwerpunkt auf politische Parteien und das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland.

Trotz der großen zivilgesellschaftlichen Proteste und der Recherchen von "Correctiv" hat die AfD an Stimmen gewonnen. Warum?

Das Ergebnis der AfD wundert mich nicht. Die Recherchen von "Correctiv" waren vor allem für die Menschen eine Initialzündung aufzustehen, die keine rechtspopulistischen oder rechtsextremen Einstellungen teilen. Dennoch gibt es weiterhin diejenigen, die Rechtsaußenpositionen befürworten. Daher kam es offenbar zu keinen großen Wählerabwanderungen, sondern sogar eher zu leichten Zugewinnen für den Rechtspopulismus.

Warum?

Ich vermute eine Art Solidarisierungseffekt. Menschen, die der AfD bisher nicht gänzlich abgeneigt waren, sie aber noch nicht gewählt haben, gaben ihr im Kontext der zivilgesellschaftlichen Proteste der vergangenen Wochen womöglich erst recht ihre Stimme. Jede Strategie oder Maßnahme wie etwa die viel zitierte Brandmauer gegen Rechtsaußen hat immer auch eine Kehrseite.

Im Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf stand Birgit Malsack-Winkemann zur Wahl. Die AfD-Politikerin sitzt seit Dezember 2022 wegen Terrorverdachts in Untersuchungshaft und hat dennoch im Vergleich zu 2021 0,2 Prozentpunkte dazugewonnen. Schreckt der Vorwurf von Straftaten Bürgerinnen und Bürger nicht ab?

Wenn bei der AfD schuldhaftes Verhalten festgestellt wurde – ob es nun wie bei Malsack-Winkemann putschgerichtete Verwicklungen in der "Reichsbürger"-Szene sind oder Spendenskandale um die Co-Sprecherin Alice Weidel –, hat das der Unterstützung der Partei bisher kaum Abbruch getan. Offenbar misst die eigene Klientel mit zweierlei Maß: Einzelne Verstöße des politischen Gegners werden mitunter zum allgemeinen Demokratieversagen hochstilisiert, während sie in den eigenen Reihen unter den Teppich gekehrt werden.

Video | Hintergründe zur Wahlwiederholung
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Quelle: dpa

Hat es der AfD geholfen?

Das würde ich auch nicht sagen. Wir haben es inzwischen mit einem ziemlich verfestigten rechtspopulistischen bis rechtsextremen Wählermilieu zu tun. Es hat sich unabhängig von tagespolitischen Ereignissen bei der AfD politisch beheimatet. Dabei ist die Normalisierungsstrategie der AfD aufgegangen.

Inwiefern?

Die AfD ist aus der rechtsextremen Ecke herausgerückt, indem sie eine Art Weichzeichner über sich gelegt und beispielsweise Frauen nach vorne gestellt hat. Weit rechts zu wählen, hat keinen "Igitt-Faktor" mehr. Das war bei den altrechten Parteien wie der NPD beispielsweise noch anders. Es hat eine Entstigmatisierung des Rechtsextremen stattgefunden, die auch dazu beiträgt, dass sich das elektorale Spektrum der AfD erweitert und die Bindung von Wählerinnen und Wählern an die AfD verfestigt hat.

Das heißt, Sie rechnen auch nicht damit, dass sich die Zustimmung zur AfD verändert?

Nein. Unter den derzeit gegebenen Bedingungen im Parteienwettbewerb wäre ich eher pessimistisch, dass wir schon bald einen Abschwung der AfD erleben werden. Es braucht eine geschlossene Abwehr aller pluralistischen Parteien durch einen "Cordon sanitaire".

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Kommen wir zu einer anderen Partei. Die Linke muss laut aktuellen Sonntagsfragen zur Bundestagswahl 2025 um den Einzug in den Bundestag bangen. Bei der Wiederholungswahl hat sie 11,5 Prozent geholt und ihr Ergebnis zu 2021 damit kaum verändert. Kann die Partei nun aufatmen?

Nein, die Linke kann nicht aufatmen. Berlin ist traditionell eine ihrer wichtigsten Hochburgen, insbesondere Ostberlin. Da hat die Partei – ähnlich wie wir es für die AfD besprochen haben – eine Stammwählerschaft, auf die sie sich unabhängig von tagespolitischen Ereignissen stützen kann. Die Wählerinnen und Wähler halten dort die Treue zur eigenen Partei, die sie teils noch als SED kennen.

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Was könnte das also unabhängig von Berlin für die Partei bedeuten?

In Gesamtdeutschland sieht die Lage für die Linkspartei durch das Hinzukommen von Sahra Wagenknechts Partei wesentlich brenzliger aus. Die Grundmandatsklausel ist weggefallen. Die Linke kann sich also nicht mehr über die Direktmandate retten.

Die Wahlbeteiligung lag am Sonntag bei 51 Prozent, 2021 waren es 75,2 Prozent. War die niedrigere Wahlbeteiligung erwartbar?

Ja, 2021 fand zeitgleich mit der Bundestagswahl auch die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin statt. Dies hat die Wahlbeteiligung enorm erhöht. Nunmehr wurde nur noch die Bundestagswahl in einzelnen Berliner Wahlbezirken abgehalten. Da war klar, dass die Menschen nicht in Massen an die Wahlurnen laufen.

Herr Höhne, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • telefonisches Interview mit Benjamin Höhne
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