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Volker Wissing: Verkehrsminister sieht Bahnprobleme als Priorität


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Verkehrsminister Wissing
"Die Menschen sind frustriert"


12.12.2023Lesedauer: 6 Min.
Verkehrsminister Volker WissingVergrößern des Bildes
Verkehrsminister Volker Wissing: Der FDP-Politiker hat bereits in Rheinland-Pfalz mit einer Ampelkoalition regiert. (Quelle: Robert Recker/t-online)
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Auch Volker Wissing ist genervt von der Unpünktlichkeit der Bahn. Im Interview erklärt er, wann mit ersten Verbesserungen für Reisende zu rechnen ist.

Noch immer ist offen, wie die Ampelregierung das Milliardenloch im Bundeshaushalt stopfen will, bislang sind die Verhandlungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ohne Ergebnis geblieben. Einer, der direkt betroffen sein könnte von möglichen Kürzungen, ist Verkehrsminister Volker Wissing (FDP): 12,5 Milliarden Euro für die Sanierung der Bahn stehen für 2024 auf der Kippe.

Im Interview mit t-online erklärt Wissing, warum er dennoch optimistisch ist, wann Bahnkunden mit ersten spürbaren Verbesserungen auf der Schiene rechnen können – und was sich in der Zusammenarbeit mit SPD und Grünen verbessern muss.

t-online: Herr Wissing, sind Sie in einem Jahr noch Minister?

Volker Wissing: Das habe ich vor.

Sie klingen nicht ganz überzeugt.

In einer Demokratie gibt es Ämter immer nur auf Zeit. Wir sind mit einem Mandat für vier Jahre ausgestattet, davon sind zwei vorbei. Ich sehe keinen Grund, warum es nicht weitergehen soll. Ich habe jedenfalls noch viel vor.

Das Karlsruher Urteil verbietet es der Koalition, Schulden umzuwidmen. Damit fehlt nun sehr viel Geld. Kann das zum Zusammenbruch der Ampelregierung führen?

Wäre die Regierung ein Haus, könnte man sagen: Es gibt jetzt erheblichen Umbaubedarf. Und zwar nicht beim Dach, was einfach wäre, sondern am Fundament. Das ist natürlich eine Herausforderung, aber es ist zu schaffen. Und wir kommen mit der Arbeit gut voran.

Bislang konnte man den Eindruck gewinnen: In der Ampel bekommen alle alles. Die FDP den Tankrabatt, die Grünen das 9-Euro-Ticket, die SPD das Bürgergeld. Was passiert, wenn jetzt alle sparen müssen?

Zunächst einmal war das 9-Euro-Ticket eine meiner Ideen, davon abgesehen aber ist Ihre Beobachtung natürlich nicht ganz falsch. Das liegt in der Natur einer Koalition, die eine große Bandbreite der Gesellschaft vertritt. Umso wichtiger ist es, dass wir nun den Staatshaushalt konsolidieren – damit wir das Geld am Ende an der richtigen Stelle einsetzen. Wir sind da bereits auf einem guten Weg, die Staatsverschuldung sinkt. Daran sollten wir weiter festhalten.

Grüne und SPD wollen das eher nicht. Ihre Koalitionspartner erwägen, auch 2024 die Schuldenbremse auszusetzen, begründen das mit einer Notlage durch die erhöhten Ausgaben für die Ukraine. Wie sehen Sie das als studierter Jurist?

Das muss man sich sehr detailliert anschauen. Eine Notlage alleine reicht ja noch nicht aus. Es muss auch eine erhebliche Beeinträchtigung der Finanzlage damit einhergehen. Ob das der Fall ist, prüfen wir noch. Wir als FDP wollen, dass die Schuldenbremse möglichst streng eingehalten wird.

Beim Sparen könnten auch Ihre Sanierungsvorhaben bei der Bahn betroffen sein. 12,5 Milliarden Euro stehen für das kommende Jahr auf der Kippe. Wenn Sie dieses Geld nicht bekommen, bleibt dann alles so wie es ist auf der Schiene?

Wir brauchen dieses Geld für die Sanierung der Bahn, das steht außer Frage. Für 2024 gilt: Die Aufträge für die Sanierungen sind bereits vergeben und erteilt.

Und die Rechnungen wird der Bund bezahlen können?

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die nötige Finanzierung hinbekommen, sowohl kurzfristig im kommenden Jahr als auch mittelfristig. Denn die Bauwirtschaft braucht Planungssicherheit, um mehr Maschinen und Personal zur Verfügung stellen zu können. Sonst dauert alles noch viel länger. Das wäre kurzsichtig.

Was stört Sie am meisten, wenn Sie selbst Bahn fahren?

Die Unpünktlichkeit. Natürlich gibt es bei jedem Verkehrsmittel unvorhersehbare Ereignisse – als ich zum G7-Verkehrsminister-Gipfel fliegen wollte, war zum Beispiel das Flugzeug defekt. So etwas kann immer passieren. Aber die Bahn hat ein systematisches Problem mit der Pünktlichkeit. Sie ist aktuell kein ausreichend zuverlässiges Verkehrsmittel, und das darf auf keinen Fall so bleiben.


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Die Menschen sind frustriert.


Volker Wissing


Der Grund dafür ist die Infrastruktur.

Im Kern ja. Über zwei Jahrzehnte wurden die Schienen vernachlässigt, wir erneuern sie jetzt systematisch nach Korridoren. Sie müssen sich die Belastung des Netzes vor Augen führen: Allein im ersten halben Jahr dieses Jahres wurde mit 21,5 Milliarden Personenkilometern ein absoluter Spitzenwert bei der Verkehrsleistung erreicht. Nie zuvor sind so viele Leute so viele Kilometer mit der Bahn unterwegs gewesen.

Und wahrscheinlich haben nie zuvor so viele über sie geschimpft.

Deswegen sind wir ja jetzt dabei, diese Infrastruktur, die jahrelang vernachlässigt wurde, konsequent zu erneuern.

Was entgegnen Sie eigentlich Leuten, die sagen: "Nun ist Herr Wissing schon seit zwei Jahren Verkehrsminister, und die Pünktlichkeit wird eher schlechter als besser"?

Solche Sätze höre ich immer mal wieder, die Menschen sind schließlich frustriert. Wir können die Missstände aus der Vergangenheit aber nicht über Nacht beseitigen. Die Verbesserungen treten dann ein, wenn die Generalsanierungen beginnen.

Und dazu muss es erst einmal kommen.

Richtig. Die Planung, die Bestellung, die Ausschreibung, die Auftragsvergabe und die Konzeption des Schienenersatzverkehrs für die Korridore, diese Vorbereitungen laufen bereits seit einem Jahr. Nächstes Jahr können wir loslegen. Dann wird der erste große Korridor, die Strecke zwischen Mannheim und Frankfurt, erneuert. Bis Weihnachten sollen die Bauarbeiten durch die DB an der sogenannten Riedbahn abgeschlossen sein. Und dann wird es endlich besser bei der Bahn.

Besser für alle, die zwischen Frankfurt und Mannheim pendeln.

Nein, das wird sich im gesamten Netz auswirken. Jede siebte Reise im Fernverkehr passiert diesen Korridor, über 300 Züge am Tag! Und jeden Tag sind dort mindestens eine, meist gleich mehrere Betriebsstörungen. Das lähmt die Bahn extrem. Sie müssen sich das vorstellen wie bei einem Trichter: Wenn unten der Auslauf verstopft ist, können Sie den Trichter oben so riesig machen, wie Sie wollen – es fließt trotzdem nicht mehr durch. Die Riedbahn ist einer der marodesten und wichtigsten Korridore, ein Auslauf des Trichters sozusagen. Da gehen wir ran.

Und dann werden mit einem Mal alle die Bahn wieder lieben?

Bahnfahren ist trotz allem so beliebt wie nie. Unsere Aufgabe ist es, sie wieder in einen Zustand zu versetzen, dass sie den Ansprüchen unserer Gesellschaft wieder gerecht wird. Darum setze ich mich so für den Abbau des Investitionsstaus und für das Sanierungskonzept ein. Die Menschen werden sehen, dass dann die Pünktlichkeit steigt. Es wird sich Schritt für Schritt verbessern.

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In diesen Tagen läuft die interne FDP-Abstimmung über die Frage an, ob Ihre Partei die Ampel verlassen soll. Haben Sie Angst davor?

Zunächst einmal: Dieses Votum ist nicht bindend. Und nein, ich habe keine Angst vor dieser Abstimmung.

Wie werden Sie abstimmen?

Ich stimme natürlich fürs Weiterregieren. Allein in der Verkehrspolitik gäbe es ohne die FDP kein Deutschlandticket, keine Bahnreform, keinen so rasanten Ausbau der digitalen Infrastruktur! Und solche Erfolge gibt es auch in den anderen liberalen Ressorts. Es ist gut, dass wir regieren.

Woher kommt dann die schlechte Stimmung in Ihrer Partei?

Manche denken noch in klassischen politischen Lagern: Rechts und Links. Die Ampel aber wirkt da auf viele wie eine Durchmischung dieser Lager, in der manch einer noch seine Rolle finden muss. Das erfordert ein gewisses Umdenken.

Ist die kleine Zitrus-Koalition, also der Bund zwischen Grünen und FDP, immer noch das Kraftzentrum der Ampel, wie sie es am Anfang war?

Ach, wissen Sie, wir versuchen einfach gemeinsam gute Kompromisse zu finden. Wir haben eine Halbzeit-Bilanz unserer Koalition gezogen, und die fällt mehr als ordentlich aus. Inhaltlich sieht es sehr gut aus, kommunikativ müssen wir besser werden.

Also in Schulnoten: Inhalt eins minus und Kommunikation eher vier plus?

(lacht) Ich war froh, als ich irgendwann keine Schulnoten mehr bekommen habe. Aber es ist ganz klar: Im öffentlichen Auftritt haben wir als Regierung zu oft Dissonanzen. Es verwirrt die Menschen, wenn die Regierung nach einem Kompromiss sehr vielstimmig auftritt. Das sollten wir ändern – und zwar dringend, denn die Ampel ist viel besser als ihr Ruf.

Herr Wissing, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Volker Wissing am 11. Dezember 2023
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