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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Video zur Situation an der Grenze Auffälliger Trend bei unerlaubten Einreisen
Zahlreiche Politiker fordern derzeit eine härtere Migrationspolitik. Aktuelle Daten zeigen im Video, wie ernst die Situation an unseren Grenzen wirklich ist.
Als Reaktion auf unerlaubte Einreisen haben die Behörden die Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz verschärft.
Und auch in der Politik werden die Stimmen lauter, die einen härteren Kurs in der Migrationspolitik und mehr Konsequenz bei Abschiebungen fordern. Einige Politiker sprechen angesichts steigender Zahlen bei Asylanträgen von einer Überforderung der Kommunen und warnen vor einer neuen Flüchtlingskrise.
Ist diese Sorge berechtigt? t-online hat aktuelle Zahlen der Bundespolizei und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge analysiert und zeigt auf, wie die Situation an unseren Grenzen tatsächlich ist.
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Wer darf oder soll nach Deutschland kommen? Wie viele Geflüchtete kann unser Land aufnehmen? Und wie gehen wir mit den Menschen um, die bereits hier sind? Darüber wird seit Monaten intensiv diskutiert. Einige Politiker sprechen von einer dramatischen Situation an den deutschen Grenzen mit immer mehr Geflüchteten. Sie befürchten eine Annäherung an die Zahlen der Jahre 2015 und 2016. Ist diese Sorge berechtigt? t-online hat aktuelle Daten der zuständigen Behörden analysiert.
Diese Grafik zeigt die Anzahl unerlaubter Einreisen nach Deutschland, die seit Januar 2021 von der Bundespolizei festgestellt wurden. Dabei fällt auf, dass die Werte aus 2022 und 2023 teilweise deutlich über denen der Vorjahresmonate lagen. Im aktuellen Jahr sind die Zahlen insbesondere im August und September erheblich angestiegen, mit mehr als 21.000 Fällen im September. Zum Monatsende waren damit bereits über 92.000 unerlaubte Einreisen für das Jahr 2023 registriert – mehr als im ganzen Jahr 2022. Die Daten der Bundespolizei legen nahe, dass derzeit tatsächlich mehr Menschen nach Deutschland flüchten als noch vor einigen Jahren. Zudem dürfte es eine hohe Dunkelziffer geben, da nicht alle unerlaubten Einreisen von den Behörden entdeckt werden.
Befürworter einer strikteren Integrationspolitik sprechen angesichts steigender Geflüchtetenzahlen von einer Überforderung deutscher Kommunen und wähnen uns auf dem Weg zu einer weiteren Flüchtlingskrise wie in den Jahren 2015/2016. Daten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zeigen, ob wir uns tatsächlich Werten aus diesen Jahren nähern. Hier ist die Anzahl der Erstanträge auf Asyl pro Jahr seit 1995 dargestellt. Es ist deutlich zu sehen, dass die Werte für 2015 und 2016 weit über denen aller anderen Jahre liegen, auch deutlich über denen für 2022 und das bisherige Jahr 2023. Seit der Flüchtlingskrise istdie Anzahl der Erstanträge auf Asyl generell höher als noch vor 2013. Die Jahre 2022 und 2023 zeigen allerdings tatsächlich einen Anstieg. Bis Ende des Jahres wird die Marke von 300.000 Erstanträgen wahrscheinlich überschritten.
Doch woher kommen die Menschen, die derzeit unerlaubt nach Deutschland einreisen? Bei einer Schleierfahndung der Bundespolizei im Oktober an der Grenze zu Polen, die t-online begleitete, wurden im Laufe des Tages zwei größere Gruppen Geflüchteter aufgegriffen. Alle Männer gaben an, aus Syrien zu stammen. Die Daten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zeigen, dass Syrer im Zeitraum von Januar bis Oktober 2023 tatsächlich die meisten Erstanträge auf Asyl in Deutschland stellten – beinahe ein Drittel aller Anträge. Dahinter folgen Menschen aus der Türkei und Afghanistan mit jeweils gut 16 Prozent. Diese drei Staatsangehörigkeiten machen also rund zwei Drittel aller Erstanträge auf Asyl aus. Alle weiteren Nationalitäten liegen bei Werten unter vier Prozent.
In der Diskussion um die Aufnahme von Geflüchteten wird immer wieder auch von einer drohenden Überlastung der Kommunen gesprochen, doch wie verteilen sich die Asylsuchenden innerhalb Deutschlands? Offizielle Daten zeigen, in welchen Bundesländern die meisten Erstanträge auf Asyl gestellt werden. Dabei wird klar, dass sich die Rangliste mit wenigen Ausnahmen an der Bevölkerungsgröße der Bundesländer orientiert. In Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, wurden die meisten Erstanträge auf Asyl gestellt, gefolgt von Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Lediglich in Berlin und Hamburg wurden 2023 mehr Erstanträge auf Asyl gestellt als in einigen Bundesländern mit mehr Einwohnern.
Nicht alle Asylanträge der Geflüchteten werden positiv beschieden. Bei endgültiger Ablehnung folgt in der Regel die Abschiebung. Diese Grafik zeigt, wie viele Menschen seit 2007 jährlich aus Deutschland abgeschoben wurden. Wenig überraschend lagen die Zahlen in den Jahren der Flüchtlingskrise und danach deutlich höher als im Zeitraum davor. Mehr als 25.000 Menschen mussten Deutschland 2016 wieder verlassen. Nach einem deutlichen Rückgang zum Jahr 2020 stieg die Zahl der Abschiebungen zuletzt wieder leicht an. Im ersten Halbjahr 2023 wurden 7.861 Menschen abgeschoben. Hier ist bis Ende des Jahres ebenfalls eine leichte Steigerung gegenüber 2022 zu erwarten.
Die meisten Abgeschobenen im ersten Halbjahr 2023 stammen aus Georgien, knapp neun Prozent aller Fälle. Das geht aus einer Drucksache des Deutschen Bundestags hervor. Dahinter folgen Geflüchtete aus Nordmazedonien und Afghanistan mit jeweils über acht Prozent. Syrer machten gut fünf Prozent der Abschiebungen aus. Aus Platzgründen sind hier nur die zehn Nationalitäten mit dem größten Anteil aufgeführt. Sie machen knapp zwei Drittel aller Abschiebungen aus.
Tatsächlich kommen also derzeit wieder mehr Geflüchtete nach Deutschland, die Zahl unerlaubter Einreisen nimmt zu. Auf dem Niveau der Flüchtlingskrise von 2015 und 2016 befinden wir uns allerdings noch nicht.
Wie viele Menschen tatsächlich derzeit unerlaubt nach Deutschland einreisen, in welchen Bundesländern die meisten Asylanträge gestellt werden und wie viele Geflüchtete wieder abgeschoben werden, erfahren Sie im Video direkt hier oder oben.
- Daten der Bundespolizei, des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, des Deutschen Bundestags und von Statista
- Aufnahmen einer Schleierfahndung der Bundespolizei an der Grenze zu Polen