"Schwierige Partner" Bundesregierung verteidigt Erdoğans Besuch
Politiker kritisierten den bevorstehenden Besuch des türkischen Präsidenten Erdoğan. Die Bundesregierung aber sieht in der Türkei einen wichtigen Faktor.
Die Bundesregierung hält am Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan trotz dessen anti-israelischer Haltung fest. Es bleibe bei der bisherigen Planung, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin in der Bundespressekonferenz. "Wir haben immer wieder auch schwierige Partner, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen." Die deutsche Position gegenüber Israel sei felsenfest. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) werde diese auch im Gespräch mit dem türkischen Präsidenten "sehr deutlich machen".
Die Türkei sei bei einer ganzen Reihe von Themen ein wichtiger Faktor, sagte Hebestreit. Es gehe darum, in diesen Fragen voranzukommen. Unter den aktuellen Umständen werde der Besuch auch "herausfordernd" sein.
Lang: Erwarte von Scholz "ganz klare Worte"
Die Parteivorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, verteidigte den Besuch: Es sei wichtig, diplomatische Kanäle aufrechtzuerhalten und im Gespräch zu bleiben, auch um sich für die Belange und die Sicherheit Israels einzusetzen, sagte Lang am Montag in Berlin. "Und gleichzeitig haben wir am Wochenende abscheuliche Worte von Erdoğan zu Israel erlebt und auch eine Relativierung des Terrors der Hamas." Angesichts der Bombardierung des Gazastreifens durch Israel hatte Erdoğan zuletzt von "Faschismus" gesprochen.
"Ich erwarte hier von Olaf Scholz und auch vom Bundespräsidenten ganz klare Worte in Richtung dieser unausstehlichen Auslassungen von Erdoğan", betonte Lang mit Blick auf den Kanzler und auf Frank-Walter Steinmeier. "Ganz klare Worte, dass für uns klar ist: Das Existenzrechts Israels ist nicht verhandelbar."
Söder: Brauchen neuen Flüchtlingsdeal
Scholz muss nach Ansicht von CSU-Chef Markus Söder mit Erdoğan ein neues Abkommen zur Senkung der Flüchtlingszahlen aushandeln. "Wir erwarten uns vom Bundeskanzler bei dem anstehenden Besuch von dem türkischen Präsidenten Klartext, Klartext in der Sache, aber auch klare Ergebnisse", so der bayerische Ministerpräsident nach der CSU-Vorstandssitzung in München. Scholz müsse mit Erdoğan auch über dessen Äußerungen zur Rolle der Hamas im Krieg mit Israel sprechen.
"Es braucht einen neuen Türkei-Deal, aber auch nicht einfach um jeden Preis, sondern auch mit einem klaren Bekenntnis zu den Positionen, die für uns wichtig sind", betonte Söder.
Deutschland, die Nato und die EU brauchen die Türkei bei der Steuerung der Zuwanderung nach Europa. In dem Gespräch zwischen Scholz und Erdoğan wird es unter anderem um eine Wiederbelebung des EU-Türkei-Abkommen zur Unterbringung von Flüchtlingen in der Türkei gehen. Umgekehrt müsse die Bundesregierung auch die Versprechen, die Deutschland bislang gemacht habe, einhalten, sagte Söder.
Dağdelen ist für Ausladung
Die Außenpolitikerin Sevim Dağdelen forderte Scholz gegenüber der Nachrichtenagentur AFP auf, den Präsidenten wieder auszuladen. "Erdoğans Besuch und Empfang in Deutschland kommen zur Unzeit", sagte die Bundestagsabgeordnete.
Die Bundesregierung dürfe "Erdoğan nicht den roten Teppich ausrollen, während der türkische Staatschef die Terrororganisation Hamas schönredet und Israel das Existenzrecht abspricht", sagte Dağdelen. Der "militante Islamismus" dürfe nicht "aus falsch verstandener Rücksicht hofiert werden", sagte sie.
Erdoğan nennt Hamas Terroristen "Befreier"
Erdoğan hatte Israel wegen des Militäreinsatzes gegen die Hamas im Gazastreifen "Kriegsverbrechen" vorgeworfen. Die Terrororganisation, die bei ihrem Großangriff auf Israel am 7. Oktober Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt und etwa 1.400 Menschen getötet hatte, bezeichnete er als Gruppe von "Befreiern".
Die Abgeordnete Dağdelen hatte bislang die Linke im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags vertreten. Seit ihrem Austritt aus der Linken ist sie parteilos. Sie hat sich dem Verein der ebenfalls ausgetretenen Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht angeschlossen.
Schirdewan warnt vor "schmutzigen Deals"
Auch die Linkspartei übte scharfe Kritik am den geplanten Besuch. Erdoğan habe "eine Geschichte als Terror-Unterstützer" in Syrien und im Nahen Osten und unterdrücke zu Hause die demokratische Opposition, sagte Parteichef Martin Schirdewan. Dies sei kein Partner für eine glaubwürdige deutsche Außenpolitik. "Erdoğan darf für Deutschland kein normaler Staatsgast sein." Zu befürchten seien neue "schmutzige Deals" der Bundesregierung mit dem türkischen Präsidenten.
Bundeskanzler Scholz empfängt am Freitag kommender Woche den türkischen Präsidenten. Geplant ist nach Angaben der Bundesregierung ein Abendessen. Zentrale Themen dürften die Eskalation in Nahost und die Zukunft des EU-Türkei-Abkommens zur Rücknahme syrischer Flüchtlinge sein.
- Nachrichtenagentur dpa und AFP