Bundesweite Alarme In diese Stadt führt die Spur der Bombendrohungen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Drohungen mit Bezug zur Hamas halten deutschlandweit vor allem Schulen und Einsatzkräfte in Atem. Es ergibt sich ein Muster: Ihren Ausgang nahmen die Terror-Mails offenbar im Südosten Deutschlands.
Eine bislang mysteriöse Serie von Bombendrohungen reißt nicht ab: Auch am Mittwoch und Donnerstag gingen E-Mails an Schulen ein, deren unbekannte Absender mit Anschlägen drohten. Dieses Mal traf es hauptsächlich Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Berlin und Süddeutschland wurden entsprechende E-Mails gemeldet. Mittlerweile handelt es sich seit Ende vergangener Woche um rund 80 bekannte Tatorte, vermutlich sind es mehr. Bomben wurden in keinem der Fälle gefunden.
"Massen-E-Mails" mit ähnlichen Inhalten
Immer wieder nehmen die Droh-Mails laut Polizeiangaben Bezug auf die islamistische Terrororganisation Hamas. Immer wieder ist auch davon zu lesen, dass es sich zumindest in Teilen um "Massen-E-Mails" handele, die sich in Wortlaut und Inhalten ähnelten. Zwar werden Verbindungen zur Hamas geprüft – beispielsweise könnten die E-Mails dazu gedacht sein, ein diffuses Unsicherheitsgefühl oder antiisraelische Ressentiments zu erzeugen.
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Vielfach werden die Drohungen von der Polizei aber mittlerweile als nicht ernstzunehmend eingeschätzt. Nicht ausgeschlossen wird sogenanntes "Swatting" – also durch Drohungen oder Notrufe herbeigeführte Polizeieinsätze, die beispielsweise schlicht zu Schulschließungen oder Betriebsstörungen führen sollen. Ein Phänomen, das lange vor dem aktuellen Angriff der Hamas auf Israel begann und immer wieder zu Evakuierungen von Schulen führte. Alles also nur ein Schülerstreich, womöglich mit Trittbrettfahrern?
Erste Drohung in Hollfeld
Eine von t-online durchgeführte Auswertung der pressebekannten Tatorte lässt einen solchen Schluss zumindest möglich erscheinen. Sie legt nahe, dass es zumindest in den ersten Tagen einen klaren regionalen Schwerpunkt mit einer Stadt im Zentrum gab.
Die Spur führte nach Oberfranken in Bayern: Die erste in Deutschland bekannt gewordene Bombendrohung mit Bezug zur Hamas galt am vergangenen Freitag einer Gesamtschule in Hollfeld, Landkreis Bayreuth, einer Kleinstadt mit rund 5.200 Einwohnern.
In der Nacht traf dort eine E-Mail ein, ein Lehrer rief die Polizei, die das Gebäude bis zum Vormittag mit Spürhunden nach Explosivstoffen absuchte. Der Unterricht fiel aus. Dann blieb es über das Wochenende ruhig. Erst am Montag begann die bundesweite Serie mit weiteren E-Mails, die über Nacht verschickt wurden.
Der regionale Schwerpunkt
Auffällig: Mehr als die Hälfte der 17 bekanntgewordenen Tatorte am Montag lag im Umkreis von zwei bis drei Stunden Autofahrt um Hollfeld in Oberfranken. Dieses Muster setzte sich auch am Dienstag fort, als erneut E-Mails über Nacht verschickt wurden: 35 Tatorte wurden bekannt, erneut ist Hollfeld von mehr als der Hälfte in zwei bis drei Stunden Autofahrt zu erreichen.
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Und einer der Tatorte war wieder Hollfeld selbst – dieselbe Gesamtschule musste erneut aufgrund einer Drohung schließen. Kurz nach Unterrichtsbeginn verließen alle Schüler das Gebäude und die Polizei nahm die Suche nach Bomben auf, ohne fündig zu werden. Bis Mittwochnachmittag war die Schule deutschlandweit die einzige, die zweimal von Drohungen betroffen war.
Geschehen verlagert sich
Erst am Mittwoch wurde eine zweite bekannt. Eine Drohung ging an einer beruflichen Oberschule in Cham ein, erneut rund zwei Stunden Autofahrt von Hollfeld selbst. Die Polizei entschied sich gegen eine Räumung.
An diesem Tag war diese Drohung ein Ausreißer, denn hauptsächlich verlagerte sich das bekannte Geschehen an diesem Tag auf Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Dort gingen mindestens 15 Drohungen ein.
Animierte die Presseberichterstattung mit sich ausweitender Reichweite möglicherweise Trittbrettfahrer eines zunächst regional ausgerichteten Einzeltäters? Oder weitete er seinen Aktionsradius aus, um die Aufklärung früherer Drohungen zu erschweren?
"Inklusive aller Rechtschreibfehler"
Polizeien in ganz Deutschland untersuchen jedenfalls, ob zumindest einige der Taten einen Zusammenhang aufweisen. Bekannt ist, dass sich der Modus Operandi bei vielen Drohungen ähnelt: Die Drohungen gehen meist über Nacht ein und werden über sogenannte Wegwerf-E-Mail-Adressen von anonymen Nutzern verschickt. Lediglich in einer Straubinger Schule wurde stattdessen ein Zettel entdeckt.
Einzelne Stellungnahmen legen einen Zusammenhang nahe:
- Die Polizei Berlin räumte ein, Drohungen dort ähnelten jenen in anderen deutschen Städten.
- In Münster hieß es, es sei eine Massen-E-Mail gewesen, die an zahlreiche Einrichtungen in ganz Deutschland verschickt worden sei.
- In München hieß es, es sei "eine gleichlautende E-Mail kopiert und an Hunderte Stellen in Deutschland rausgegangen".
- In Köln sagte eine Sprecherin des Senders RTL, die dort eingegangene E-Mail sei "offenbar identisch mit den E-Mails, die andere Einrichtungen in ganz Deutschland erhalten haben. Inklusive aller Rechtschreibfehler."
Weder das Polizeipräsidium Oberfranken noch das Innenministerium Nordrhein-Westfalen oder die Polizei Berlin kommentierten auf Anfrage von t-online, ob der Wortlaut der Drohungen deutschlandweit mit der frühen in Hollfeld verglichen worden sei. Auch zum regionalen Schwerpunkt der Drohungen in den ersten Tagen äußerten sie sich nicht.
Am frühen Donnerstagmorgen wurden dort erneut Bombendrohungen gemeldet. Betroffen waren dieses Mal Schulen in Mannheim und Straubing.
- Eigene Recherchen
- Pressemitteilungen der Polizeien
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Presseberichterstattung aus ganz Deutschland