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Landtagswahlen: Regiert mit der Ampel eine Minderheitsregierung?


Meinung
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Ampelfiasko bei den Landtagswahlen
Ein Befund, so klar wie niederschmetternd


Aktualisiert am 09.10.2023Lesedauer: 4 Min.
Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz: Der Kanzler hält weiteren Streit in der Ampelkoalition für kontraproduktiv.Vergrößern des Bildes
Lange Gesichter und ein blaues Auge: Die Ampelmänner Christian Lindner (l.), Robert Habeck und Olaf Scholz. (Quelle: Florian Gaertner/imago-images-bilder)
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Die FDP in mindestens einem Landtag raus, die SPD unter ferner liefen, die Grünen gerupft – dieser Sonntag zeigt: In Berlin ist eine Minderheitsregierung gegen eine bürgerliche Mehrheit im Land am Werk. Wie lange noch?

Eine bestätigte bürgerlich-konservative Regierung in Bayern, eine bestätigte schwarz-grüne in Hessen, aus der allenfalls noch eine Große Koalition unter Führung der CDU werden könnte. Das war's schon? So weit, so langweilig, so unspektakulär?

Mitnichten. Diese Doppellandtagswahl zur Halbzeit der Legislaturperiode im Bund hat es in sich und lässt Berlin beben. In Hessen und Bayern haben ein Viertel der Wahlberechtigten über die Halbzeitbilanz der Bundesregierung abgestimmt.

Dieser Sonntag ist insofern auch ein repräsentatives Plebiszit über die Ampel. Und der Befund ist so klar wie niederschmetternd für den Kanzler und seine Koalition: Die Mehrheit der Wahlbevölkerung und die Regierung stehen sich in krassem Gegensatz gegenüber. Das Wahlvolk möchte diese Koalition nicht mehr haben. Hat sie faktisch abgewählt. Und wird sie dennoch einfach nicht los. Schon jetzt fühlen sich zwei Jahre länger an als eine ganze Legislaturperiode.

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Politisch präsentiert sich Deutschland zunehmend als zerrissenes Land. Hier die Mehrheitsmeinung, die sich zu zwei Dritteln um die bürgerlichen Parteien versammelt hat – oder zu einem hohen Prozentsatz in einer Mischung aus Verzweiflung und Missmut vorläufig oder dauerhaft bei der AfD. Dort eine faktische Minderheitsregierung, die aktuell zusammen noch bei 37 Prozent steht, nach zusammen 52 Prozent bei der Bundestagswahl vor zwei Jahren. Für eine intakte Demokratie ist das hochgefährlich. Und für die beteiligten Parteien ein beispielloser Absturz in relativ kurzer Zeit.

Dieses Missverhältnis aus Mehrheitsmeinung und Minderheitsregierung birgt ein explosives Gemisch. Wenn sich das Gefühl vertieft, dass eine Bundesregierung nicht mehr annähernd das politische Meinungsbild im Land widerspiegelt, werden die Spannungen in diesem zerrissenen Land weiter zunehmen. Und sich in kommenden Wahlen weiter entladen. Das Superwahljahr 2024 mit den Europawahlen im Frühjahr und drei Ost-Landtagswahlen im kommenden Herbst hat in Wahrheit schon an diesem Sonntag mit den beiden Wahlen im Westen begonnen.

Fliehkräfte seit dem Ende der Flitterwochen

Die Fliehkräfte in der ohnehin bis auf die Flitterwochen allzeit zerstrittenen Ampelkoalition werden das noch verstärken. Bis hinein in die Fraktionen. Bis zur Halbzeit einer Legislatur schielen die Abgeordneten nur mit einem halben Auge auf die Frage: Wäre ich im Moment, bei diesen Umfragewerten, noch drin im Bundestag oder nicht?

In der zweiten Hälfte der Legislatur werden sie regelrecht darauf starren, mit jeder Woche, die verstreicht, noch mehr. Und für immer mehr dieser Schieler und Starrer könnte es, wenn es so weitergeht, existenziell werden. Diese Koalition ist jetzt schon so zerbrechlich wie ein dünnwandiges Weinglas und nicht eben in Watte gepackt. Der Weg zur Bundestagswahl ist mit Katzenkopf gepflastert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das dünne Glas auf dieser Rumpelstraße vorher zu Bruch geht.

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Am stabilsten stehen die Grünen da, auch wenn sie in beiden Ländern hinter ihren Zielen zurückblieben. Ihre 14 Prozent plus x erweisen sich als vergleichsweise tragfähig, in Umfragen wie in Wahlen. Darüber hinaus haben sie eine politische Hegemonie in diesem Land erlangt, die weit über diese maximal 20 Prozent hinausgeht. Die Agenda wird dort, wo sie mitregieren, weitgehend von ihnen bestimmt. Das ist eine enorme politische Leistung. Und ein massives Problem für die politische Konkurrenz. Vor allem für die Parteien, die mit den Grünen gemeinsam regieren. Denn in deren Klientel wird diese grüne Doktrin nicht geschätzt und also politisch auch nicht belohnt. Am härtesten trifft das die FDP, die ohnehin in die Rolle des bürgerlichen Stützrädchens einer im Kern rot-grünen Regierung geraten ist.

Die FDP als Stützrädchen von Rot-Grün

Auch wenn Parteichef Christian Lindner das bislang von sich weist, es kann der Punkt kommen, an dem er ein zweites Mal sagen muss: Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Falsch aus der Sicht seiner Kernklientel, die sich im Unterschied zu jener der Grünen derzeit ungleich flüchtiger, weil unzufriedener erweist. Und die ihn und seine Liberalen jetzt aus mindestens einem der zwei Landtage geschickt hat. Mit den Freien Wählern erwächst obendrein eine neue Konkurrenz an diesem Ende des politischen Spektrums.

Den Grünen ist etwas gelungen, was anderthalb Jahrzehnte das Markenzeichen Angela Merkels war: Wer sich mit ihr auf eine Koalition einließ, der ließ Federn. Das ging der SPD so, weshalb sie eine zweite Große Koalition um alles in der Welt verhindern wollte und am Ende aus Staatsräson hineingezwungen wurde. Der FDP erging es im schwarz-gelben Intermezzo, obgleich wie die Union Teil des bürgerlichen Lagers, nicht anders.

Dieses Kontaktgift verströmen die Grünen im Moment. Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung möchte nicht die Migrationspolitik, für die die Grünen stehen und unverdrossen einstehen. Auch deshalb könnte es gut sein, dass der hessische Amtsinhaber und erstarkte Ministerpräsident Boris Rhein in Hessen möglicherweise in Richtung eines Bündnisses mit der anderen vormaligen Volkspartei tendiert, also eine Große Koalition anstrebt, anstatt Schwarz-Grün zu verlängern.

Auch mit Blick auf die nächste Bundesregierung, komme sie vorzeitig oder regulär im Herbst 2025, dürfte das eine Lehre für die Partei sein, die sich als angehende Kanzlerpartei die Koalitionspartner zusammensucht. Wer nicht von den Grünen bei der eigenen Wählerschaft runterregiert werden will, wird sich drei- bis viermal überlegen, ob er die Grünen in seine Regierung bittet. Und damit die eigene Schwindsucht für die kommende Zeit besiegelt.

Eine Große Koalition oder, wenn es eng wird, eine Deutschland-Koalition aus Schwarz-Rot-Gelb sind mit diesem Sonntag die wahrscheinlichsten Konstellationen geworden. 2025 oder vorher.

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