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Constantin Schreiber: "Muslime nur als Opfer von Rassismus einstufen"


Meinung
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Debatte um "Tagesschau"-Sprecher
"Dass seine Stimme schweigt, ist schade"

MeinungEin Gastbeitrag von Ahmad Mansour

Aktualisiert am 20.09.2023Lesedauer: 5 Min.
Tagesschausprecher Constantin Schreiber: Die Kritik fand seine Bücher oft zu lax.Vergrößern des Bildes
"Tagesschau"-Sprecher Constantin Schreiber: Die Kritik fand seine Bücher teils zu spöttisch gegen das grün-diverse Milieu. (Quelle: IMAGO/STAR-MEDIA)
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Die Causa Schreiber legt offen, wie zerrüttet die Debattenkultur in Deutschland in Bezug auf die Themen Islam und Migration ist. Ein Gastbeitrag von Ahmad Mansour.

Constantin Schreiber spricht exzellent Arabisch. Eine Zeit lang hat der heutige "Tagesschau"-Sprecher sogar in Ägypten eine populäre Wissenschaftssendung moderiert. Schon als Schüler hatte der Junge, 1979 in Cuxhaven geboren, angefangen, die Sprache zu erlernen, die ihn fasziniert. Während der Flüchtlingskrise hat er sogar die deutsch-arabische Sendung "Marhaba – Ankommen in Deutschland" moderiert, 2016 wurde er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.

Ein Rassist? Ein Islamhasser? Schreibers Interesse hat ihn unter anderem zu einer Recherche in deutschen Moscheen motiviert. Er lauschte Predigten, war oft erschrocken über radikale Worte von Geistlichen und brachte 2017 seine Analyse als "Inside Islam" heraus, eines seiner drei themenverwandten Sachbücher.

Schon damals hieß es öfter: Der ist ja sehr islamkritisch, vielleicht sogar muslimfeindlich! Kritiker hielten ihm vor, seine Analysen seien nicht repräsentativ, seine Auswahl sei tendenziös.

Groteskes erzählt Schreiber mit Humor und Leichtigkeit

Von Muslimfeindlichkeit, das vorweg, kann bei Constantin Schreiber keine Rede sein. Aber der Kenner von Sprache und Kultur der arabischen Welt hat einen klaren, kritischen, analytischen und differenzierten Blick auf den politischen Islam und auf dessen Verharmlosung in Westeuropa.

Schreiber wies nur deutlich hin auf Probleme und Herausforderungen bei der Integration von Muslimen in unserem Land. Seine Analyse galt demokratiefeindlichen Tendenzen, insbesondere in den Moscheen.

Einer breiteren Öffentlichkeit machte er damit bekannt, was die Fachwelt längst wusste. 2021 veröffentlichte Schreiber den satirischen Roman "Die Kandidatin". In einer nahen Zukunft rivalisieren zwei politische Gruppen miteinander. Eine "woke" und diverse Gruppe mit einer muslimischen Kanzlerkandidatin und eine rechte, völkisch gesinnte Gruppe, die ein homogenes Bio-Deutschland will. Beide Gruppen verabscheuen und bekämpfen einander. Auch das Groteske wird hier mit viel Humor und Leichtigkeit erzählt. Die Kritik fand die Satire teils zu spöttisch gegen das grün-diverse Milieu, teils wurde erkannt, dass die Sorge des Autors beiden Richtungen gilt.

Schreiber muss sich schützen dürfen – aber was sagt das über die Debattenkultur?

Schreiber will jetzt nichts mehr zum Islam sagen. Ende August wurde er bei einer Lesung an der Universität Jena als "Rassist" und "Islamhasser" beschimpft und mit einer Torte beworfen. Die anonymen Angreifer hatten im Publikum Flugblätter gegen Schreibers Roman "Die Kandidatin" verteilt. Die Universität erstattete Anzeige gegen Unbekannt.

Video | "Tagesschau"-Sprecher wird mit Torte abgeworfen
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Quelle: t-online

In einem Interview mit Giovanni di Lorenzo in der "Zeit" hat Schreiber daraufhin erklärt, dass ihn mehrere Angriffe und bedrohliche Situationen zum Entschluss gebracht haben, sich nicht mehr öffentlich zum Islam zu äußern. Schreiber sagt: "Ich werde mich zu allem, was mit dem Islam auch nur im Entferntesten zu tun hat, nicht mehr äußern. Ich werde keine Bücher dazu schreiben, ich lehne Talkshow-Anfragen ab." Und er fügte an: "Ob das ein Gewinn ist für die Meinungsfreiheit und für den Journalismus, ist eine andere Frage."

In der Tat eine ganz andere Frage. Ohne Zweifel ist Schreibers Entschluss zu respektieren. Er muss sich schützen dürfen. Doch was sagt der Vorgang über die Debattenkultur in Deutschland? Wie stark und wie destruktiv sind die Tabus im Diskurs über politischen Islam, religiöse Radikalisierung, Salafismus, Islamismus? Wie offen und klar ist der Umgang mit Zuwanderung von Menschen, die aus religiös-radikalen, autoritären, patriarchalen Milieus kommen? Und wie groß ist mittlerweile die Schnittmenge zwischen linksradikalen Aktivisten und jenen, die intoleranten Islam und fundamentalistischen Islamismus als Teil einer "diversen" Kultur verharmlosen?

Am liebsten ist den Gegnern der Diskurs, der Muslime nur als Opfer von Rassismus einstuft

Gerade in Debatten um Integration wird deutlich, wie emotional, faktenarm und polarisierend über diese Themen gestritten wird. Schon wenige Codes, Memes oder Wörter können Ablehnung und Denkverbote auslösen. In Teilen der politischen Linken ebenso wie unter islamischen Aktivisten wird auch differenzierte Kritik an undemokratischen Einstellungen in der muslimischen Community schnell als "Rassismus" oder "Verrat" bezeichnet.

Wer Kritik übt, ob von innen oder außen, etwa an patriarchalen Strukturen, am Verhindern sexueller Selbstbestimmung, an mangelnden Rechten für Frauen und Homosexuelle, am Unterlaufen von Integration oder am Antisemitismus in den Communitys, der wird schnell als "Islamhasser" abgestempelt, um Diskussionen unmöglich zu machen oder in Verruf zu bringen.

In jüngerer Zeit haben Hamed Abdel-Samad, Güner Balcı, Seyran Ateş, Susanne Schröter und ich selbst ähnliche Erfahrungen gemacht wie Constantin Schreiber. Am liebsten ist den Gegnern der Diskurs, der Muslime nur als Opfer von Rassismus einstuft, die keine Verantwortung übernehmen müssen.

Es ist einfacher, kritische Stimmen zu diffamieren, als sich Problemen zu stellen

So bleibt Kritik an radikalen Tendenzen zaghaft. Als ob wir nicht genügend Akteure wie die DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) beim Schiitischen Islamischen Zentrum Hamburg hätten, die die Moscheen nutzen, um undemokratische Ideologien zu verbreiten.

Eine Demokratie darf all dies nicht länger ignorieren, im Interesse der Integration, der Demokratie und vor allem im Interesse der vielen Muslime in Deutschland und weltweit, die diese Einstellungen innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft noch schärfer kritisieren als Schreiber es je getan hat.

Doch wie bereits erwähnt, ist es einfacher, kritische Stimmen zu diffamieren, als sich den Problemen zu stellen und eine nachhaltige innerislamische Auseinandersetzung zu führen – um Islam und Demokratie in Einklang zu bringen und insbesondere jungen Muslimen eine Chance zu geben, sich emotional mit den Grundwerten unserer Gesellschaft zu identifizieren.

Dass seine Stimme der Vernunft schweigen wird, ist schade

Constantin Schreibers "Die Kandidatin" skizziert satirisch ein Szenario der Unterwanderung von Demokratien durch islamistische und völkisch-rechte Ideologien. Dass solche extremistischen Strömungen die Demokratie gern sabotieren wollen, bestätigt uns der Verfassungsschutz, der Muslimbrüder ebenso im Blick hat wie Scientology und die AfD und deren Hoffnung auf einen "Marsch durch die Institutionen" der Demokratie. Islamisten nutzen das längst für sich, etwa in den Vororten von Paris, wo sie Einfluss auf die Lokalpolitik nehmen.

Im Iran, in Teilen der Subsahara, im Gazastreifen, in der Türkei oder in Ägypten spielt der politische Islam teils bereits eine große Rolle bis hin zur Unterwanderung der Gesellschaft. Kritik an Demokratiefeindlichkeit im Islam will keineswegs alle Muslime unter Generalverdacht stellen oder ihnen das Recht absprechen, sich politisch zu engagieren. In Deutschland gibt es großartige Beispiele von Muslimen, die sich demokratisch in Parteien und Ehrenämtern engagieren. Gegen solche Tendenzen in Europa und der übrigen Welt mit klarem, analytischem Blick anzugehen, ist notwendig und geboten.

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Dass Constantin Schreibers Stimme der Vernunft dazu künftig schweigen will, ist schade. Doch seine Bücher bleiben ja da, und sollten jetzt erst recht gelesen werden. Es stimmt: Wer sich traut, öffentlich seine Meinung zu den angesprochenen Fragen zu äußern, lebt oft gefährlich, benötigt zeitweise Personenschutz und muss mit Rufmordkampagnen und Diffamierung rechnen.

Aber es werden so viele Stimmen wie möglich gebraucht, für die Integration von Muslimen in die Demokratie, für Menschenrechte, für Vielfalt und Zusammenhalt. Sonst dominieren radikale Gruppierungen den Diskurs, die kein Interesse an Lösungen oder Reform haben, sondern politisches Kapital aus Hass und Hetze schlagen wollen. So weit darf die Demokratie es nicht kommen lassen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung des Gastautors
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