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"Scholz ist ein Pinocchio-Kanzler": Cum-Ex-Prozess und Steuerbetrug


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Scholz und der größte Steuerraub der deutschen Geschichte


Aktualisiert am 18.09.2023Lesedauer: 5 Min.
Scholz sitzt nicht auf der Anklagebank: Dennoch spielt er vor dem Landgericht Bonn eine gewichtige Rolle.Vergrößern des Bildes
Scholz sitzt nicht auf der Anklagebank: Dennoch spielt er vor dem Landgericht Bonn eine gewichtige Rolle. (Quelle: Florian Gaertner/photothek.de)
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Der Warburg-Banker Christian Olearius sitzt ab heute wegen Steuerbetrugs auf der Anklagebank. Doch auch für Kanzler Scholz kann der Prozess zum Problem werden. Vielleicht muss er sogar vor Gericht aussagen.

Es ist der größte Steuerraub in der Geschichte der Bundesrepublik. Um eine zweistellige Milliardensumme haben Banker und Großinvestoren mithilfe dubioser Finanztricks den Staat und damit den Steuerzahler betrogen. Einer der kriminellen Trickser soll Christian Olearius sein. Ein Privatbankier aus Hamburg, der Inhaber der Warburg-Bank. Ab diesen Montag steht er deshalb in Bonn vor Gericht. 14 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung werden ihm vorgeworfen. 28 Verhandlungstage sind bislang angesetzt.

Schon das allein hätte für Aufsehen gesorgt. Doch brisant ist das Verfahren gegen Christian Olearius vor allem deshalb, weil sein Name in dieser Sache eng verknüpft ist mit dem von Kanzler Olaf Scholz. Denn es gibt den Vorwurf, dass Scholz damals als Erster Bürgermeister Hamburgs in das Steuerverfahren gegen die Warburg-Bank eingegriffen haben soll. Bislang argumentierte Olaf Scholz immer mit Erinnerungslücken. Doch neue Erkenntnisse lassen immer mehr Zweifel an fehlenden Erinnerungen aufkommen. Es gibt sogar eine neue Strafantrag gegen ihn. Sollte er als Zeuge vor Gericht geladen werden, könnte es eng werden für den Kanzler.

Unvergleichbarer Vorgang

Bisher hielt sich die Empörung über den Steuerskandal gemessen an der Höhe des Betrugs in Grenzen. Das mag auch daran liegen, dass das dafür verantwortliche Finanzgebaren nicht so einfach zu erklären ist. Cum-Ex ist das Stichwort. Vereinfacht gesagt, ließen sich Banken und Spekulanten über komplexe Verfahren zwischen 2001 und 2016 Steuern zurückerstatten, die sie nie gezahlt hatten. Der Schaden soll mehr als 30 Milliarden Euro betragen.

Im Fall von Christian Olearius geht es um 170 Millionen Euro, um die er den Steuerzahler mit seiner Bank betrogen haben soll. Seine Chancen, ungeschoren davonzukommen, stehen schlecht. Die bislang 12 wegen Cum-Ex-Geschäften Angeklagten wurden laut Managermagazin alle verurteilt.

Treffen mit Olaf Scholz

Unvermeidlich wird in dem Prozess gegen ihn auch der damalige Erste Bürgermeister der Stadt Hamburg eine Rolle spielen: Das war damals Olaf Scholz. Denn als vor mehr als sieben Jahren der Steuerraub in der Hamburger Finanzbehörde aufgefallen war, soll sich Olearius an Scholz gewandt haben. Der in der Hansestadt hoch angesehene Banker Olearius wollte offenbar verhindern, dass die Finanzbehörde die Steuerschulden zurückfordert und soll deshalb seine Kontakte in die Hamburger "High Society" bemüht haben. Zunächst sogar mit Erfolg. Die Finanzbehörde pfiff das Finanzamt zurück.

Dreimal traf sich Olearius mit Scholz und der soll dem Bankier Tipps gegeben haben. Er solle eine Protestnote an den Finanzsenator schicken, habe Scholz ihm geraten, notierte Olearius in sein Tagebuch. Dieses Tagebuch wird im Prozess eine wichtige Rolle spielen, ebenso wie in der Frage, wie sehr Scholz den Steuersünder unterstützte.

Beweismittel Olaf Scholz

Sollte der Vorsitzende Richter am Landgericht Bonn mehr zu Olearius' Absichten bei diesen Treffen wissen wollen, könnte er den Kanzler als Zeugen vorladen und zu den drei Treffen befragen. Das wäre eine Sensation: Ein amtierender Kanzler, der in einem Strafprozess aussagt.

Gefahr für "Amnesie-Olaf"

Für Scholz wäre es zudem das erste Mal, dass er im Cum-Ex-Komplex vor Gericht aussagen müsste. Bislang wurde er in dem Fall zwar vor einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hansestadt Hamburg und im Finanzausschuss des Bundestages befragt. Nach beiden Aussagen gab es erhebliche Zweifel daran, ob Olaf Scholz immer die Wahrheit gesagt hatte. Eine Falschaussage vor Gericht ist zwar ähnlich strafbar wie eine vor einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Doch die moralische Hürde wäre noch einmal deutlich höher.

Scholz hatte zunächst gesagt, er könne sich an kein Treffen mit Olearius erinnern. Erst nachdem mehrere Medien Einträge aus Olearius' Tagebuch veröffentlichten, räumte Scholz zunächst ein, später drei Treffen widerwillig ein. Aber an die genauen Inhalte dieser Treffen könnte er sich angeblich nicht mehr erinnern. Das Steuerverfahren habe eine Rolle gespielt, sagte Scholz, er und Olearius hätten aber auch über andere Dinge geredet.

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Der renommierte Strafverteidiger Gerhard Strate hat deshalb schon mehrfach Strafanzeige gegen Scholz gestellt, weil er davon überzeugt ist, dass Scholz vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gelogen hat – die Anzeige blieb ohne Erfolg. Die Staatsanwaltschaft Hamburg zeichnet sich laut Strate nicht durch großen Ermittlungseifer aus und sieht keinen Anfangsverdacht einer Falschaussage.

Neue Enthüllungen

Neueste Enthüllungen legen den Schluss nahe, dass sich Scholz in seiner Darstellung der Ereignisse verzettelt haben könnte. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken, Fabio de Masi, hat deshalb bereits einen neuen Strafantrag gestellt.

Denn Scholz hatte nach langem Zögern durch seinen Sprecher Steffen Hebestreit 2020 verkünden lassen, dass er ein Gespräch mit Olearius im November 2017 bestätigen könne, da dieses aus seinem Kalender hervorgehe und dieses auch "aus dem Kalender des Ersten Bürgermeisters hervorgeht, der der Senatskanzlei" in Hamburg vorliege. Er stützte sich also nicht auf eigene Erinnerungen, sondern auf einen Kalendereintrag.

Doch dieser Kalendereintrag soll nie existiert haben. Dafür gibt es mehrere Belege. Zwei davon sind erst in den letzten Wochen bekannt geworden.

Zwei Belege für mögliche Falschaussage

Der erste Beleg: Der Hamburger Senat hat vor gut einem Monat auf eine Anfrage der Linken eingeräumt, dass er Scholz' Kalender von damals gar nicht mehr einsehen kann. Denn als Scholz im März 2020 als Finanzminister nach Berlin ging, sei ihm sein Kalender als Erster Bürgermeister Hamburgs auf einem Datenträger mitgegeben worden. Ein Back-up innerhalb der Behörde gebe es nicht.

Der zweite Beleg: Das Magazin "Stern" hat vor Kurzem E-Mails von Scholz' Büroleitung veröffentlicht, in der sie an den heutigen Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt offenbar wörtlich schreibt: "Ich habe noch nie einen Termin mit Olearius von November 2017 im Kalender gesehen."

Wie kann sich Scholz also auf einen Kalendereintrag berufen, der gar nicht existiert? Und warum spielte der heutige Regierungssprecher Hebestreit den Ball zurück an den Hamburger Senat, obwohl er wissen musste, dass es keinen Eintrag mehr gibt?

"Scholz ist ein Pinocchio-Kanzler"

Grund genug für Fabio de Masi Scholz wegen einer Falschaussage anzuzeigen. "Scholz ist ein Pinocchio-Kanzler, dessen behauptete Erinnerungslücke logisch widerlegt ist", sagt De Masi t-online. "Er hat im Februar 2020 einen Termin bestätigen lassen, der nicht mehr in seinem Kalender stand und muss sich daher folglich erinnert haben."

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Auf Fragen von t-online antwortet das Bundespresseamt ausweichend. Verweist auf eine Bundespressekonferenz, bei der sich Hebestreit am Mittwoch vergangener Woche zu dem Thema eingelassen habe. Jedoch ohne auf die Fragen der Journalisten zu antworten. "Der Regierungssprecher weigert sich, diese Unwahrheiten aufzuklären, weil er es nicht kann. Denn Scholz und Hebestreit haben die Öffentlichkeit bewusst getäuscht", sagt De Masi.

Hoffnung, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg jetzt endlich gegen Scholz ermittelt, hat De Masi nicht. Die Behörde sei "politisch weisungsgebunden", sagt er und habe bei der Cum-Ex und Warburg-Affäre immer auf der Bremse gestanden.

"Märchenstunde"

De Masi hofft daher auf den Prozess gegen Christian Olearius. Denn wenn Scholz als Zeuge geladen würde, säße ihm dann ein Richter gegenüber. Nicht andere Abgeordnete in Finanzausschüssen oder dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss: "Vor Gericht würden Scholz und Hebestreit mit ihrer Märchenstunde niemals durchkommen", ist De Masi überzeugt.

Verwendete Quellen
  • Telefonate Fabio De Masi
  • Anzeige Fabio De Masi
  • Berichte Managermagazin
  • Parlamentarische Anfrage, Die Linke, Hamburgische Bürgerschaft
  • Eigene Recherche
  • Strafanzeigen Gerhard Strate
  • Weitere Telefonate mit anonymen Quellen
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