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Kindergrundsicherung: Ampel einigt sich – der nächste Streit wartet


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Koalition
Und der nächste Knall


Aktualisiert am 29.08.2023Lesedauer: 4 Min.
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Heute mal gemeinsam: Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Christian Lindner (FDP) auf dem Weg in die Bundespressekonferenz. (Quelle: Christian Ditsch/imago-images-bilder)

Der Streit um die Kindergrundsicherung ist beigelegt. Bleibt der Ampel in Meseberg also nur noch die pure Harmonie? Wohl eher nicht.

Am Montagvormittag versucht es die Ampelkoalition einfach noch mal mit dem Neustart und der Einigkeit. "Ich kann hier heute verkünden", sagt die grüne Familienministerin Lisa Paus, "die Kindergrundsicherung kommt." Kurze Kunstpause, ihre Augenbrauen gehen nach oben. Sie will ihre Worte wirken lassen: Da seht ihr mal, geht doch!

Geht tatsächlich. Irgendwie. Unglücklich für die Ampel ist allerdings, dass es überhaupt eine nennenswerte Nachricht ist, dass die Kindergrundsicherung jetzt wirklich kommt. Denn darauf hatten sich die Koalitionäre eigentlich schon im Koalitionsvertrag verständigt. Theoretisch.

Praktisch streiten sie seit Monaten darüber, wie sie konkret aussehen soll. Zuletzt hatte sich dieser Streit zu einer Blockade verschärft. Und das, obwohl es die Ampel nach der Sommerpause endlich besser machen wollte. Weniger Streit, stattdessen Neustart. Gemeinsam.

Nun ist das Schöne an Neustarts, dass man sie immer wieder versuchen kann. Und so sitzen an diesem Montag neben Paus auch der FDP-Finanzminister Christian Lindner und der SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil in der Bundespressekonferenz und freuen sich mit der Grünen Lisa Paus. Die Ampel vereint – das ist das gewünschte Signal.

Es ist ein Signal, das die Klausur der Ampelregierung am Dienstag und Mittwoch auf Schloss Meseberg einfacher machen dürfte, angenehmer, versöhnlicher. Dass sich dort nun aber auch andere große Streitpunkte in wohlig warmer Neustartstimmung auflösen – daran glauben selbst die Koalitionäre nicht.

Die Stimmung bleibt angespannt

Prächtig ist die Stimmung in der Ampel nämlich auch jetzt nicht. Das ist selbst auf der Pressekonferenz am Montagvormittag spürbar. Familienministerin Paus spricht schon gleich zu Beginn von "sehr harten Verhandlungen", versucht also noch nicht mal, den heftigen Streit der vergangenen Monate kleinzureden.

Als Lindner nach ihr dran ist, widerspricht er ihr prompt und sagt, er habe die Verhandlungen als "konstruktiv" empfunden. Später triezt er Paus weiter. Als er gefragt wird, wie es mit dem Zeitplan des Wachstumschancengesetzes aussehe, sagt Lindner: "Das kann nur Frau Paus beantworten. Ohne dich wär' es beim letzten Mal ja schon durchgegangen."

Paus hatte diesem Gesetz, das mit Steuersenkungen die Wirtschaft ankurbeln soll, in der vergangenen Sitzung des Bundeskabinetts die Zustimmung verweigert – um so mehr Geld für die Kindergrundsicherung zu erzwingen. Nachdem die FDP vor der Sommerpause das Heizungsgesetz von Grünen-Vizekanzler Robert Habeck blockiert hatte, standen nun zum Ende der Sommerpause plötzlich die Grünen selbst als Blockierer da.

Sogar Vizekanzler Habeck tadelte seine Parteifreundin Paus dafür anschließend öffentlich. Im ZDF-"heute journal" sagte er, das sei "kein Glanzstück gewesen". Das Ganze sei ärgerlich, weil man eigentlich permanent wichtige Dinge beschließe. "Wir versauen es uns permanent selbst. Und das ist natürlich auf Dauer kein Erfolgsgeheimnis."

Selbst in Lisa Paus' linkem Parteiflügel wird die Aktion hinter vorgehaltener Hand inzwischen von manchem kritisiert, an weiterem Streit will man nun wirklich nicht schuld sein. Hinzu kommt, dass mancher Grüne nun auch noch bezweifelt, dass die Blockade in den Verhandlungen überhaupt irgendeine positive Wirkung hatte.

Deutlich mehr Geld gibt es nicht

Denn die Kindergrundsicherung kommt zwar. Aber so richtig zufrieden können die Grünen eigentlich nicht sein, auch wenn sie sich nach all dem Ärger gerade viel Mühe geben, das Gegenteil auszustrahlen. Das lässt sich schon an den Zahlen ablesen: Von den zwölf Milliarden Euro mehr pro Jahr, die Lisa Paus anfangs gefordert hatte, sind 2,4 Milliarden Euro für 2025 übrig geblieben.

Bei diesen 2,4 Milliarden Euro wird es in den nächsten Jahren zwar nicht bleiben. Weitere Milliarden werden wohl allein deshalb gebraucht, weil die Kindergrundsicherung ja dazu führen soll, dass mehr Menschen das Geld in Anspruch nehmen, das ihnen zusteht. Es ist der "Systemwechsel", den die Grünen nun feiern: Das Geld soll durch viel weniger Bürokratie an viel mehr Menschen fließen.

Aber die Grünen wollten ursprünglich eben mehr. Sie wollten, dass auch die Beträge noch einmal deutlich ansteigen, die arme Kinder bekommen. Davon ist nun im Kern nur noch übrig geblieben, was ohnehin schon vereinbart war: eine neue Art der Berechnung und eine Anpassung der Beträge an die Inflation.

Finanzminister Lindner betont auf der Pressekonferenz dann auch, man habe "keine generellen Leistungserhöhungen verabredet". Und Familienministerin Paus gesteht, es sei "kein Geheimnis, dass ich im Einklang mit vielen Wissenschaftlern einen noch größeren Schritt im Kampf gegen Kinderarmut für notwendig erachte".

Kommt der Industriestrompreis?

Was ist nötig? Was ist finanziell möglich? Darüber gehen die Meinungen in der Ampelkoalition nach wie vor weit auseinander. Besonders zwischen FDP und Grünen. Aber eben nicht nur. Das zeigt sich am zweiten Streitpunkt, den mancher Koalitionär am Dienstag und Mittwoch auf der Klausur in Meseberg gerne gelöst sähe: dem Streit um den Industriestrompreis.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte vorgeschlagen, den Strompreis für energieintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb für ein paar Jahre auf sechs Cent pro Kilowattstunde zu deckeln. Die FDP und einige Ökonomen sind dagegen. FDP-Chef Lindner will die Wirtschaft vor allem mit Steuersenkungen anschieben – mit eben jenem Wachstumschancengesetz, das Lisa Paus zunächst blockiert hatte.

Dagegen sperren sich die Grünen auch gar nicht. Nur glauben sie, dass das Gesetz bei weitem nicht ausreicht. "Wir hoffen, dass es auf der Kabinettsklausur ein wirtschaftspolitisches Gesamtpaket gibt", sagte Fraktionschefin Katharina Dröge am Montag auf der Klausur der Grünen in Berlin. Und zwar inklusive Industriestrompreis.

Nur dass sich die Koalition in Meseberg wirklich darauf einigen kann, daran zweifeln viele Grüne. Das liegt vor allem an Bundeskanzler Olaf Scholz. Der hatte sich in der jüngeren Vergangenheit wiederholt skeptisch gezeigt. Und das, obwohl auch seine SPD-Fraktion im Bundestag inzwischen offensiv für den Rabatt wirbt.

Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil Scholz im Bundestagswahlkampf selbst für einen Industriestrompreis geworben hatte. Sogar einen von nur vier Cent. Und das im Sommer 2021, als es noch keinen Krieg gegen die Ukraine und die sich anschließenden energiepolitischen Verwerfungen gab.

Derzeit aber, so glauben sie bei den Grünen, wolle der Kanzler den Industriestrompreis tatsächlich nicht. Mit der trauten Einigkeit wird es also wohl auch in Meseberg nichts werden. Ein Glück, dass es Neustarts im Plural gibt. Die Ampel kann es einfach immer weiter versuchen mit der Operation Neustart.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen
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