Heftige Reaktionen Merz bringt mit AfD-Aussagen eigene Partei gegen sich auf
Keine Kooperation mit der AfD. Das galt bislang in der CDU. Doch nun reißt Friedrich Merz die Brandmauer ein. Die Reaktionen sind eindeutig.
Bislang hatte sie Bestand, die Brandmauer. Der Begriff bezeichnet das Handlungsgebot der demokratischen Parteien in Deutschland, keine Zusammenarbeit mit der in Teilen rechtsextremen AfD zu ermöglichen. Egal, ob im Bundestag, dem obersten deutschen Parlament, oder in Landes- oder Kommunalparlamenten. Keine gemeinsame Sache mit den Rechten machen, das war parteiübergreifender Konsens unter allen Demokraten. Bislang.
Doch nun hat Friedrich Merz im "ZDF" ein Interview gegeben, in dem er genau diese Übereinkunft infrage stellt. Demnach solle man in der CDU durchaus über eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene nachdenken, so der CDU-Parteichef gegenüber dem Sender. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten, und sie kam nicht nur vom politischen Gegner.
"Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung. Wo soll es da ZUSAMMENarbeit geben?", schrieb Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner bei Twitter. "Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist", so der CDU-Politiker.
"Menschenverachtende Inhalte bleiben die gleichen"
Die Vizepräsidentin des Bundestages, Yvonne Magwas, die auch dem CDU-Präsidium angehört, schrieb ebenfalls auf Twitter: "Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale IMMER Feind!"
Auch die Bundesvorsitzende der Frauen Union, Annette Widmann-Mauz (CDU), verhehlte ihre Empörung über die Merz-Aussagen nicht: "Die Partei u. ihre menschenverachtenden & demokratiefeindlichen Inhalte bleiben die gleichen, egal auf welcher Ebene", schrieb sie mit Blick auf die AfD.
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CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen erinnerte hingegen an das Kooperationsverbot mit der AfD, das seine Partei beschlossen hatte. "Jeder, der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der #CDU eine Mehrheit finden."
In dem sogenannten Unvereinbarkeitsbeschluss vom 8. Dezember 2018 heißt es: "Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. (...). Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab." Auch Koalitionen mit der Linkspartei schiebt der Beschluss einen Riegel vor.
Merz rekurriert auf den Umstand demokratischer Wahlen
Diese deutliche Abgrenzung zu den antidemokratischen Inhalten, die die AfD in weiten Teilen verbreitet, war politisch bis auf wenige Ausnahmen bislang unumstritten. Lediglich einige Kommunalpolitiker aus Ostdeutschland, wie etwa der Bürgermeister von Waltershausen, Michael Brychcy (CDU), hatten sich zuletzt gegen die Bundesspitze ihrer Partei gestellt und für eine Zusammenarbeit mit der AfD plädiert.
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Thüringens ehemaliger CDU-Vorsitzende Mike Mohring hatte zuletzt hingegen den Unvereinbarkeitsbeschluss dahingehend infrage gestellt, als er eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht mehr ausschloss, um zu verhindern, dass die AfD an die Macht käme. Er begründete dies damit, dass die Linke im Osten nicht mit der AfD gleichzusetzen sei. "Bei der AfD sitzen Leute, die wegen Volksverhetzung angeklagt sind. Bei der Linken sitzen solche nicht", so Mohring gegenüber dem Portal The Pioneer.
Merz scheint mit seinem Vorstoß nun vor allem die eigene Partei gegen sich aufgebracht zu haben. Zwar schloss er auch weiterhin jegliche Kooperation mit der rechten Partei auf der Ebene "gesetzgebender Körperschaften" aus, also etwa auf europäischer, Bundes- oder Landesebene. Wenn in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen, meinte der CDU-Chef im "ZDF". "Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet." Was er damit genau meint, blieb in dem Interview jedoch offen.
"Er hat die Zerstörungsstrategien noch nicht realisiert"
Vielen von Merz' Parteifreunden ging die Ankündigung ihres Vorsitzenden zu weit. So schrieb der ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans auf Twitter zu den Aussagen von Merz: "Der Parteitagsbeschluss besagt, dass jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist. Das hier ist die schleichende Verwässerung von Parteitagsbeschlüssen nach Wahlerfolgen der extremen Rechten."
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Ähnlich empört reagierte CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler: "Keine Zusammenarbeit mit der #AfD heißt: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Auf keiner Ebene. Ganz einfach. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht." Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak schrieb auf Twitter, die AfD bedrohe den liberalen Rechtsstaat und die freiheitliche Gesellschaftsordnung – auch in den Kommunen. "Der #Unvereinbarkeitsbeschluss der @cdu ist eindeutig."
Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, teilte in Berlin mit, die "realitätsfernen und fahrlässigen Äußerungen von Friedrich Merz machen deutlich, dass er die Zerstörungsstrategien der AfD noch immer nicht realisiert hat". Diese AfD habe nicht das Gemeinwohl aller Bürgerinnen und Bürger und die Gestaltung der Demokratie im Sinn. "All denen aus seiner Partei und den anderen demokratischen Parteien, die ihm entschieden widersprechen, gebührt Respekt und Unterstützung."
Zuletzt hatte Merz noch zum Unvereinbarkeitsbeschluss gestanden
Auch Politiker anderer Parteien reagierten fassungslos auf den Merz-Vorschlag. Sowohl Vertreter der Ampel als auch der Linken äußerten große Besorgnis, dass Merz die demokratische Brandmauer nach rechts aufkündigen will. Nur die AfD selbst begrüßte den Vorschlag des CDU-Parteivorsitzenden ausdrücklich.
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Zu Beginn seiner Amtszeit als CDU-Chef hatte Merz die Brandmauer zur AfD noch ausdrücklich verteidigt. Auch in den vergangenen Monaten hatte er den Unvereinbarkeitsbeschluss noch befürwortet. Nun kam also offenbar die überraschende Kehrtwende mitten in der parlamentarischen Sommerpause.
Die AfD liegt in einer aktuellen Insa-Umfrage bundesweit bei 22 Prozent und damit nur noch vier Prozentpunkte hinter der Union. Damit legte die AfD in der wöchentlichen Umfrage im Auftrag der "Bild am Sonntag" um zwei Punkte zu. In den Erhebungen anderer Meinungsforschungsinstitute hatte die AfD zuletzt ebenfalls bei 20 Prozent gelegen. CDU/CSU kommen bei Insa auf 26 Prozent (minus 1 Punkt).
- zeit.de. "CDU-Vorstand Mike Mohring ist offen für Gespräche mit der Linken"
- mdr.de. "CDU und AfD: Brychcy für Umdenken, Voigt lehnt Zusammenarbeit ab"
- archiv.cdu.de: "Unsere Haltung zu Linkspartei und AfD"
- mdr.de: "CDU-Oberbürgermeister ruft seine Partei zum Umdenken auf"