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Lässt der Staat Familien im Stich? Kritik an Grünen-Politikerin: "Sie legen schon die Axt an"


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Lässt der Staat Familien im Stich?
"Wir sprechen da von den zwei Prozent Topverdienern"


10.07.2023Lesedauer: 4 Min.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) musste sich bei "Anne Will" einige Kritik gefallen lassen (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) musste sich bei "Anne Will" einige Kritik gefallen lassen (Archivbild). (Quelle: IMAGO/Frederic Kern)
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Familienministerin Lisa Paus wehrt sich gegen Angriffe aus der Ampel und Berlins CDU-Bürgermeister findet: Seine Partei versagt gerade als Opposition.

Kaum scheint der Zwist um das Heizungsgesetz beigelegt, streitet die Ampelkoalition offen über die Unterstützung für Familien. Bei der geplanten Kindergrundsicherung hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kürzlich im "Handelsblatt" moniert, es gebe noch kein Konzept. Die zuständige Ministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) widersprach da bei "Anne Will" – und verteidigte die Streichung des Elterngeldes für Besserverdiener.

Die Gäste

  • Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesfamilienministerin
  • Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin
  • Johannes Vogel, stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender
  • Julia Friedrichs, Journalistin, Autorin
  • Helene Bubrowski, "Frankfurter Allgemeine Zeitung"

"Ich habe ein Konzept vorgelegt", beteuerte die Bundesfamilienministerin am Sonntagabend in der ARD-Talkshow. Die Bundesregierung sei sich aber noch nicht einig, welche Leistungen genau in der Kindergrundsicherung zusammengelegt werden sollen, um den Antrag für berechtigte Familien einfacher zu machen.

Strittig sei auch, wie genau das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum für Kinder neu berechnet werden solle. Gemeint ist die Summe, die Kinder benötigen, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und damit die Chance auf Aufstieg zu haben.

Paus verteidigte bei "Anne Will" ihren Plan, das Elterngeld für Paare ab 150.000 Euro zu versteuerndem Einkommen zu streichen. "Das Elterngeld hat einen wichtigen Platz", beteuerte die Grünen-Politikerin. Sie habe aber die Sparvorgaben des Bundeswirtschaftsministeriums zum Haushalt 2024 erfüllen müssen: "Ich hatte wirklich keine Alternative."

"Wollen Sie das Elterngeld abschaffen?"

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kritisierte das geplante Aus als falsches Signal an junge Menschen, was die Vereinbarkeit von Karriere und Familie in Deutschland anbelangt. "Sie legen schon die Axt an", warf er Paus in der ARD-Talkshow vor. "Das (Elterngeld) jetzt wieder abzuschaffen, nachdem es wirkt, halte ich für wirklich die falsche Entscheidung", kritisierte der Christdemokrat. "Wollen Sie es abschaffen, Frau Paus?", fragte Will. "Natürlich nicht", erwiderte die Ministerin. "Es ist der erste Schritt", beharrte Wegner.

Kritik an den Plänen kam in der Runde ebenfalls vom FDP-Vize Johannes Vogel. Die Einkommensgrenze wird auch Ärzte und Ingenieure treffen. "Das ist noch die Mitte der Gesellschaft", sagte er. Paus könne stattdessen lieber bei zahlreichen Förderprogrammen in ihrem Ministerium sparen. Vogel betonte außerdem, dass es sich beim Elterngeld nicht um eine Sozialleistung handelt: "Das 49 Euro-Ticket wird auch nicht nach Einkommen gekappt."

Die Journalistin Julia Friedrichs wies an dieser Stelle darauf hin, dass es beim Elterngeld sehr wohl eine Einkommensgrenze gibt. Sie liegt derzeit bei 300.000 Euro. Sie hielt auch eine halb so hohe Summe für vertretbar. "Wir sprechen da von den zwei Prozent Topverdienern", sagte die Macherin der NDR-Doku "Wir waren mal Mittelschicht" bei "Anne Will". Paare mit 180.000 Euro Bruttoeinkommen pro Jahr seien wirklich nicht auf finanzielle Anreize angewiesen, um sich um ihre Kinder zu kümmern.

Für Friedrichs beweist die ganze Debatte, wie fehlgeleitet der Kampf gegen Kinderarmut in Deutschland geführt wird. "Wir fördern in ganz vielen Fällen die Ehe und nicht die Kinder", kritisierte die Journalistin, die seit Jahren bedürftige Familien begleitet. Dass der Grundbedarf von Kindern, um Armut zu entfliehen, noch immer nicht definiert wurde, zeigt laut Friedrichs, dass der wahre Kern des Problems noch gar nicht angegangen wurde und "dass der Staat nicht denen hilft, denen er eigentlich helfen muss".

Will rekapitulierte: FDP-Finanzminister Lindner habe im Haushalt erst einmal zwei Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung vorgemerkt. Paus wollte ursprünglich zwölf Milliarden Euro. Einige Experten würden allerdings mindestens 20 Milliarden Euro für den Kampf gegen Kinderarmut veranschlagen.

Diese ständige Diskussion über Zahlen sei der völlig falsche Ansatz, kritisierte Lindners Parteifreund Vogel. "Wir müssen erst mal über Ziele reden", verlangte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP. So müssten bedürftige Familien zunächst einmal bekommen, was ihnen jetzt schon zustehe.

"Wir brauchen beides: Chancen und Geld, um Armut zu bekämpfen", unterstrich hingegen Friedrichs. Kürzungen für Kinder wie gerade in Berlin-Neukölln seien fatal. "Da frage ich mich: Will man Öl ins Feuer gießen?", sagte sie. "Dann wundert man sich Silvester, wenn die Wut wieder explodiert", verwies die Autorin zudem auf die Ausschreitungen in Berlin.

"Da müssen wir aufpassen"

"Im Stil können wir besser werden", hatte Vogel die anhaltenden Querelen in der Ampelkoalition kommentiert. "Profitieren tut vor allem die AfD, die Union deutlich weniger als sie es könnte", attestierte Helene Bubrowski von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" der größten Opposition. Wegner übte hier deutliche Kritik an den Verantwortlichen in den eigenen Reihen.

"Wir kriegen es zurzeit nicht hin, die die Antworten zu geben, die die Menschen von der Opposition erwarten", räumte er ein. "Einfach nur zu sagen 'Das geht nicht, das ist schlecht', das reicht nicht. Wir müssen schon Lösungen anbieten, um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen." Will stellte die naheliegende Frage: "An wem liegt es, dass Sie es nicht machen?"

Wegner stockte hier kurz. Den CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz nannte er dann zwar nicht, legte aber bei seiner Kritik an den Parteistrategen nach. Einst sei es normal gewesen, dass die führende Oppositionspartei profitiert, wenn die Wähler mit der Regierung unzufrieden waren. "Jetzt gibt es einen direkten Durchlauf zu einer anderen Partei. Da müssen wir aufpassen und da müssen wir besser werden", mahnte der Berliner Regierungschef.

Verwendete Quellen
  • "Anne Will" vom 9. Juli 2023
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