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Reiner Haseloff kritisiert Ampel deutlich: “Daraus speist sich der Frust!"


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Ministerpräsident über Ampel-Politik
"Da kommt kein Mensch mehr mit"

InterviewVon Tim Kummert

Aktualisiert am 01.07.2023Lesedauer: 3 Min.
Ministerpräsident Haseloff: "Da kommt kein Mensch mehr mit"Vergrößern des Bildes
Ministerpräsident Haseloff: "Da kommt kein Mensch mehr mit." (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)
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Reiner Haseloff regiert seit zwölf Jahren in Sachsen-Anhalt. Ein Gespräch über die Angleichung der Ostrenten, die erstarkte AfD und das Heizungsgesetz der Ampelkoalition.

Wer erfahren möchte, wie es in den sogenannten "neuen Bundesländern" aussieht, muss mit Reiner Haseloff reden. Haseloff ist 69 Jahre alt, graue Haare, klarer Blick, er spricht seine Sätze sorgsam und bedacht. Er ist der dienstälteste CDU-Ministerpräsident in Deutschland: Seit über zwölf Jahren regiert er Sachsen-Anhalt.

Vor einigen Jahren feuerte er seinen Innenminister Holger Stahlknecht, als dieser indirekt signalisiert hatte, er könne sich eine Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen. Da ist die Grenze für Haseloff. Ein Gespräch über die Angleichung zwischen Ost- und Westrenten, die erstarkten Rechtspopulisten und die Frage, ob jeder fünfte Deutsche "brauner Bodensatz" ist.

t-online: Herr Haseloff, ab diesem Wochenende gibt es einen einheitlichen Rentenwert in Ost- und Westdeutschland. Welche Rolle spielt das, um Unterschiede zu überwinden?

Reiner Haseloff: Eine große. Mit der Rentenhöhe verbinden Menschen immer auch die Würdigung ihrer Lebensleistung. Sie ist ein emotional wichtiges Thema.

Also ein positives Ende der unterschiedlichen Behandlung von Ostdeutschen?

Wenn Sie es so ausdrücken wollen: ja. Die Menschen waren zuvor identifizierbar als Ostdeutsche aufgrund ihrer Rentenunterlagen. Jetzt ist die Ost-West-Angleichung der Rentenwerte durch die erfreuliche Lohnentwicklung geschafft. Aber ...

Aber?

Es sind die weiterhin bestehenden Unterschiede, wie bei der Mütterrente, die für heutige und künftige Rentnergenerationen im Osten die Lage schwieriger machen. Und natürlich wird es noch lange dauern, bis auch gesellschaftlich und wirtschaftlich die letzten Unterschiede verschwunden sind.

Am vergangenen Sonntag wurde der erste AfD-Landrat in Thüringen gewählt. Hat Sie das überrascht?

Nein.

Warum nicht?

Die Stimmungslage in Deutschland ist insgesamt angespannt. Bundesweit liegt die AfD vor der SPD, in manchen Umfragen kommt die Partei auf über 20 Prozent. Im Übrigen ist das kein explizit ostdeutsches Problem. Der Trend bei der AfD geht auch im Westen stark nach oben.

In den östlichen Bundesländern sind die Werte der AfD aber besonders hoch.

Hier sind auch die Sorgen der Menschen um den Erhalt des gerade erreichten Lebensstandards und die Sensibilität für Ungerechtigkeiten besonders groß.

Wie erklären Sie sich den Erfolg der Rechtspopulisten?

Das Vertrauen in die Politik sinkt generell. Auch was den Menschen als Regierungshandeln präsentiert wird, stärkt nicht das Vertrauen in die Politik. Dagegen wollen viele protestieren.

Sie meinen jetzt das geplante Heizungsgesetz der Bundesregierung.

Unter anderem, ja.

Haben Sie eigentlich verstanden, was die Ampel dabei genau plant?

Nein. Und ich glaube, viele Bürger haben das auch nicht. Daraus speist sich ja der Frust! Der Glaube, dass 'die da oben' es im Griff haben, der bröckelt. Und das treibt die Menschen in die Arme von Rechtspopulisten. Dass die AfD keine wirklichen Lösungen aufzeigt, wird übersehen.

Wie sollte man denn mit der erstarkten AfD umgehen?

Die Wahl des AfD-Landrats in Sonneberg war schon eine Art Warnschuss. Wir müssen jetzt insgesamt als Politik unsere Hausaufgaben besser machen und die Wähler zurückgewinnen. Kooperationen darf es mit der AfD nicht geben. Ihre Wähler aber zu diffamieren, ist ein schlechter Weg.

Das Nachrichtenformat "funk" von ARD/ZDF hat in einem Instagram-Post geschrieben: "Björn Höcke, Alice Weidel, Friedrich Merz und Markus Söder haben was gemeinsam: Sie sind rechts." Was denken Sie, wenn Sie so etwas lesen?

"Funk" ist kein Nachrichtensender, sondern ein Format für Jugendliche. Gerade deshalb verbietet sich einseitige politische Parteinahme, wie sie gerade wieder stattgefunden hat. Der federführende Intendant Gniffke hat reagiert. Das ist auch dringend erforderlich.

Laut Thüringens Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer sei jeder fünfte Deutsche "brauner Bodensatz". Stimmen Sie dem zu?

Das ist schlichtweg falsch. Herr Kramer wäre gut beraten, sich mal mit seriösen Analysen zu beschäftigen, die differenzierter urteilen. Wir erleben einfach Enttäuschung über die Unprofessionalität der Politik, das halte ich für den Hauptmotor der AfD.

Sie zielen auf die Grünen ab.

Nicht nur. Diese ganze Koalition läuft doch nicht rund. Ich halte das einfach für kein kluges Konzept, wenn man sich im Kabinett auf etwas verständigt, aber die Parteien dann im wöchentlichen Rhythmus grundsätzlich Änderungen erwirken. Da kommt kein Mensch mehr mit.

Was muss geschehen, damit die AfD wieder an Zustimmung verliert?

Indem die Politik die gesellschaftliche Realität aufnimmt, darauf aufbauend verständliche Lösungen anbietet und mit klarer und verständlicher Sprache um jede Wählerstimme kämpft. Ich kann nur sagen: Die erste deutsche Demokratie wurde durch schlechtes Handwerk im Regieren zerstört. Anfang des 20. Jahrhunderts war das. Das sollte uns eine Warnung sein.

Herr Haseloff, herzlichen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Reiner Haseloff
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