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AfD-Sieg in Sonneberg | "Alarmsignal für alle demokratischen Kräfte"


AfD-Sieg in Sonneberg
"Die Leute haben der Politik einen Denkzettel verpasst"

Von dpa, mam, ann, mir

Aktualisiert am 25.06.2023Lesedauer: 3 Min.
AfD-Politiker Sesselmann: Er wurde zum Landrat gewählt – Bewohner in Sonneberg melden sich zur Ausrichtung der Partei zu Wort. (Quelle: Glomex)

Erstmals wurde in Deutschland ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt. Was bei der AfD für Jubel sorgt, ist für die anderen Parteien Grund zur Sorge.

Schon das vorläufige Endergebnis der Landratswahl im Thüringer Kreis Sonneberg sorgte bei der AfD für Jubel: "Ja!", rief etwa Falko Graf, Vorsitzender des AfD-Gebietsverbandes im Landkreis Sonneberg in den Raum. "Das ist Demokratie!", fügte er an und freute sich sichtlich.

Mit dem Landtagsabgeordneten und Rechtsanwalt Robert Sesselmann hat die AfD das erste Mal seit ihrer Gründung vor zehn Jahren ein kommunales Spitzenamt erobert. Sesselmann setzte sich bei der Stichwahl am Sonntag im Thüringer Kreis Sonneberg mit 52,8 Prozent der Stimmen gegen den bislang amtierenden CDU-Politiker Jürgen Köpper durch und erhielt damit die nötige absolute Mehrheit. Die Thüringer AfD gilt laut Verfassungsschutz als rechtsextrem. Mehr zu der Landratswahl in Sonneberg lesen Sie hier.

Doch was bei der AfD für Freude sorgt, ist für die anderen Parteien Grund zur Sorge.

CDU bezeichnet AfD-Sieg als "Art des Protestes gegen Berlin"

Der unterlegene CDU-Kandidat Jürgen Köpper bezeichnete den Wahlausgang als "enttäuschend" und sprach von einem schlechten Tag für den Landkreis Sonneberg und Thüringen. "Trotz einer höchst engagierten Arbeit von unzähligen Wahlhelfern haben die Sonneberger heute anders entschieden", sagte er laut einer Mitteilung vom Sonntagabend. Am Ende sei auch der Wahlkampf durch die schlechte Politik der Bundesregierung überlagert worden.

Thüringens CDU-Generalsekretär Christian Herrgott sieht das ähnlich: "Mit dem Wahlergebnis ist klar, dass wir jetzt alle die Aufgabe haben, Lösungen gegen diese Art des Protestes gegen Berlin zu finden. Jeder ist dabei gefragt."

Das Wahlergebnis sei ein "Alarmsignal für alle demokratischen Kräfte", sagte Thüringens Innenminister und SPD-Vorsitzender Georg Maier. Nun heiße es, "parteipolitische Interessen hintan zu stellen und gemeinsam die Demokratie zu verteidigen". Politik und Demokratie seien der Wettstreit um die besten Ideen und nicht um die größte Empörung, erklärte der SPD-Politiker.

"Das führt zu einer Trotzreaktion bei den Menschen"

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) rechnet damit, dass es künftig noch häufiger auf kommunaler Ebene zur Wahl von AfD-Kandidaten kommt: "Das Tabu ist jetzt gebrochen", sagte er zu t-online.

Zugleich ärgert er sich über den Vorwurf, in Sonneberg seien die Wähler überwiegend rechtsextrem. "Die Leute haben der Politik einen Denkzettel verpasst". Überrascht habe ihn dies nicht: "Seit Jahren werden ostdeutsche Lebenserfahrungen ignoriert und Ostdeutsche nicht eingebunden. Geschaut wird auf den Osten nur, wenn dort etwas Negatives passiert, die Erfolge aber übersehen. Das führt zu einer Trotzreaktion bei den Menschen."

Ramelow forderte als Konsequenz ein Umdenken im Westen: "Die Bundesrepublik muss mehr auf den Osten schauen, auf das, was dort geleistet wird." Auch müssten Ostdeutsche stärker in politische Entscheidungen und in Führungspositionen eingebunden werden.
Als Beispiel nannte er die geplante Krankenhausreform: "Da hat der Osten eine hohe Kompetenz mit Modellen wie der 'Schwester Agnes' oder den Polikliniken und diese wird einfach ignoriert statt diese Ostkompetenz aktiv und positiv einzubeziehen."

"Ein allerletzter Warnschuss für alle Bundestagsparteien"

Der Linken-Ostbeauftragte Sören Pellmann bezeichnete den Sieg der AfD als "politische Zäsur". "Das muss ein allerletzter Warnschuss für alle Bundestagsparteien sein", forderte der Leipziger Bundestagsabgeordnete am Sonntagabend. "Insbesondere die Bundesregierung darf nicht länger eine Politik machen, die keine Probleme löst, sondern zusätzliche schafft."

Es gelte nun, Landtagswahlsiege der AfD in Ostdeutschland im kommenden Jahr zu verhindern. Dafür müsse die Politik Normalbürger in den Mittelpunkt rücken. "Wer die AfD klein machen will, muss die Wähler zurückgewinnen", meinte Pellmann. "Dafür braucht es eine Politik der ausgestreckten Hand."

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Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang bezeichnete das Wahlergebnis als "bestürzend". "Und es ist eine Warnung an alle demokratischen Kräfte: Spätestens jetzt ist die Zeit, wo – bei allem Streit in der Sache – alle demokratischen Kräfte zusammen die Demokratie verteidigen müssen", schrieb sie am Sonntagabend auf Twitter.

Die AfD füttere bewusst Ängste und schüre auf dieser Basis Hass. "Sie hat kein Interesse daran, dass es dem Land gut geht. Wir müssen besser darin werden, in Zeiten der Veränderung Sicherheit, gerade auch in sozialen und wirtschaftlichen Fragen, zu geben."

Linke, SPD, Grüne und FDP hatten allesamt für den Gegenkandidaten Jürgen Köpper getrommelt. Bei den bisherigen Anläufen der AfD auf kommunale Spitzenämter in Schwerin und in Brandenburg hatte das noch gezogen. Doch diesmal reichte selbst diese breite Allianz nicht, um den Sieg der AfD zu verhindern.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Anfrage an Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow
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