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Kurs von Friedrich Merz: "Das wird ein erhebliches Problem"


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Kurs von Friedrich Merz
"Das wird ein erhebliches Problem"

  • Kati Degenhardt
InterviewVon Kati Degenhardt

Aktualisiert am 08.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Zwischen Migrationsdebatte und Maaßen: Parteichef Friedrich Merz. (Quelle: IMAGO)

Parteichef Friedrich Merz will Hans-Georg Maaßen aus der CDU drängen. Für die Union steht mehr auf dem Spiel als für ihr ungeliebtes Sorgenkind.

Der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hat ein Ultimatum seiner Partei zum freiwilligen Austritt verstreichen lassen. Während die CDU Maaßens politische Ansichten und seine rassistischen Äußerungen für unvereinbar mit den eigenen Werten hält, sieht sich der neu gewählte Chef der parteinahen, rechtskonservativen Werteunion im Aufwind.

Würde ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen eingeleitet, würde dies vermutlich lange dauern. Entsprechend groß wäre die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Das will die CDU natürlich verhindern. Aber was kann sie überhaupt tun?

t-online hat mit dem Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder über den Umgang der CDU mit ihrem Sorgenkind, den Risiken einer Migrationsdebatte und den Herausforderungen der Partei in der Opposition gesprochen.

t-online: Warum tut sich die CDU mit Hans-Georg Maaßen so schwer?

Wolfgang Schroeder: Heute ist er Chef der Werteunion und gilt als Hoffnungsträger dieser selbst ernannten Konservativen, die der Union in den vergangenen Jahren schon viel Ärger bereitete. Die Brisanz dieser Strömung, die ja keine innerparteiliche ist, sondern von außen Einfluss auf die CDU zu nehmen versucht, ist im Zusammenhang mit der Gründung und Entwicklung der AfD zu sehen.

Inwiefern?

Einerseits hat die unzureichende Würdigung dieser Strömung durch die CDU-Führung seinerzeit dazu beigetragen, die Gründung der AfD zu befördern. Das war damals der sogenannte Berliner Kreis, ein Vorläufer der Werteunion, der sich mit seinen Positionen durch Angela Merkel und den damaligen Generalsekretär Hermann Gröhe nicht akzeptiert fühlte. Aus ihrer Sicht war die Haltung der CDU gegenüber ihrer Arbeit: Wir brauchen euch nicht und wir können unser Programm nicht an euren Positionen ausrichten. Andererseits wirbt dieser Kreis, von dem man gar nicht weiß, wer von ihnen eigentlich CDU-Mitglied ist, für eine Annäherung der AfD.

Politikwissenschaftler an der Universität Kassel, Prof. Wolfgang Schroeder.
Wolfgang Schroeder (Quelle: David Ausserhofer/WZB Berlin/dpa/Archivbild/dpa)

Politikexperte und Wissenschaftler an der Uni Kassel

Wolfgang Schroeder ist Professor für das politische System der Bundesrepublik Deutschland an der Universität Kassel. Von 2009 bis 2014 war er Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg. Seit 2022 ist er Vorsitzender der Denkfabrik "Das progressive Zentrum".

Hängt die Ablehnung der CDU um Merkel gegenüber den wertkonservativen und wirtschaftsliberalen Positionen damit zusammen, dass man durch die Bezugnahme auf diese Gruppierung vielleicht fünf Prozent Stimmen gewonnen, dafür aber 25 Prozent eingebüßt hätte?

Das war damals die Perspektive, die auch heute noch zur Debatte steht, weshalb die Union sehr sensibilisiert ist. Dass die Partei den Berliner Kreis so brüsk abwies, hat aber eben auch die Gründung der AfD mit befördert. Das war sicherlich nicht die entscheidende Quelle für die Gründung, aber eben auch eine.

Die konservative Werteunion hat die Partei also ein Stück weit in der Hand?

Die Strategie der Werteunion gegenüber der CDU läuft darauf hinaus, sich als Opfer zu inszenieren - nach dem Prinzip: "Wir werden von der Union nicht nur nicht ernst genommen. Wir werden sogar für die Modernisierung der CDU geopfert. Dabei sind wir eigentlich Gralshüter der CDU, die aus dem wirtschaftsliberalen Teil, aus dem christlich-sozialen Teil und aus dem durchaus konservativen bürgerlich-nationalen Teil besteht. Und dieser bürgerlich-nationale Teil spielt überhaupt keine Rolle mehr."

Was droht nun mit dem Versuch, Maaßen aus der Partei auszuschließen?

Protagonisten, die den Markenkern einer Partei bespielen, emphatisch besetzen, und in Konkurrenz zur Parteiführung besetzen, sind für jede Parteiführung eine schwierige Herausforderung. Wenn es dann noch so ist, dass eine Parteiführung diese Protagonisten bekämpft, weil sie die eigene Deutungsmacht infrage stellen, dann kann dies zu einem langwierigen Kleinkrieg führen. Dabei ist keinesfalls immer ausgemacht, wer diesen Kampf gewinnt. Auf jeden Fall versucht so eine Gruppe wie die Werteunion, die Parteiführung durch die Manege zu ziehen und vor sich herzutreiben. Klein beigeben gibt es nicht. In diesem Sinne agiert ja auch Maaßen.

Und das hätte die Union vermeiden können?

Das ist schwierig zu sagen. Aber die Union hätte ja ihrerseits auch loyale Leute in die Werteunion schicken können, um bestimmte Entwicklungen abzumildern oder ins Leere laufen zu lassen. Solche Möglichkeiten hat die Partei wohl zu wenig genutzt. Stattdessen wird die Union ein erhebliches Problem über einen längeren Zeitraum bekommen.

Aktuell befördert die Union die Debatte um die Migration. Was verspricht sie sich davon?

Die Union hat sehr unterschiedliche Flügel und Stimmungen in ihren Reihen. Wenn sie gegen Flüchtlinge Stimmung macht, bringt sie einen Teil gegen sich auf und ist gleichzeitig wieder ein Stück näher bei jenen Kräften, die eine offene Republik ablehnen. Die Äußerungen von Merz zum Sozialtourismus haben ihm unterm Strich eher geschadet. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Union nicht mit sich im Reinen ist und nicht weiß, in welche Richtung sie wirklich blinken will. Und in alle Richtungen gleichzeitig zu blinken, ist bei bestimmten Themen schwierig.


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Die Union will deutlich machen, dass sie auch Anwalt der skeptischen Stimmen ist, derjenigen, die Vorbehalte haben.


Wolfgang Schroeder


Die Union blinkt doch nach rechts: Es gab die Debatte nach Silvester über kriminelle Migranten, danach die Aussage von Merz über die kleinen Paschas.

Dahinter steckt Kalkül: Wegen der aktuellen Multi-Krisensituation beobachten wir seit einigen Monaten eine pessimistischere gesellschaftliche Grundhaltung – und da will die Union anknüpfen. Tatsächlich besteht mit einer Million Zugewanderter aus der Ukraine und starken Gruppen, die weiterhin aus Syrien, Afghanistan und so weiter kommen, eine erhebliche Belastung für die aufnehmenden Kommunen. Vor diesem Hintergrund will die Union deutlich machen, dass sie auch Anwalt der skeptischen Stimmen ist, derjenigen, die Vorbehalte haben.

Warum debattiert die Union vor allem über die Probleme, sagt aber fast nichts über ihre Lösungsvorschläge?

Sie will nicht einfach wiederholen, was die Regierung macht. Eine moderne, konstruktive Einwanderungs- und Integrationspolitik zu unterstützen, würde ihr kaum gutgeschrieben. Das ist ihre Sicht. Also müssen sie schon mindestens an den Defiziten der Regierungspolitik ansetzen. Wenn aber aus der Defizitanalyse nachher eine grundlegendere Infragestellung von Einwanderung wird, dann ist das Ziel verfehlt. Also vor allem jene sich bestätigt sehen, die das Lied "Das Boot ist voll" singen. Dann würde nämlich übersehen, dass sich trotz aller immensen Probleme vor Ort die Bedingungen der Zuwanderung grundlegend verändert haben.

Also geht die Union mit der Themensetzung auch ein Risiko ein?

Der eklatante Arbeitskräftemangel einerseits und die Tatsache andererseits, dass sich die Zuwanderung weniger aus dem arabischen Bereich speist: Dies macht es viel schwieriger, alte Ressentiments so leicht zu entfachen, wie es 2015 der Fall war.

Wie hätte die Union bei dem Thema eine Chance?

Die Union könnte einmal sagen: Natürlich brauchen wir Zuwanderung, aber sie muss an Bedingungen geknüpft sein, daran führt kein Weg vorbei. Und die Regierung macht das auch. Aber wir müssen schärfer über die Bedingungen sprechen, die helfen, gute Einwanderung zu gewährleisten. Dieser Diskurs ist aber anstrengender.

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Merz hat sich das zu einfach vorgestellt.


Wolfgang Schroeder


Friedrich Merz wurde zugetraut, an die AfD verlorene Wähler zurückzugewinnen. Gelingt ihm das?

Merz hat sich das zu einfach vorgestellt: Dezimierung der AfD um die Hälfte, Brandmauer usw. Stattdessen ist er mit den besonderen Schwierigkeiten im Osten konfrontiert, seinen Glaubwürdigkeitsdefiziten, und zugleich sieht er auch, dass er mit seiner Rhetorik gar nicht durchdringt.

Was hat er übersehen?

Politik hat sich seit seinem Ausscheiden aus der Politik vor rund 20 Jahren und seinem Wiedereintritt stark verändert. Dazu hat der Rechtspopulismus maßgeblich beigetragen. Um das zu verstehen, muss man sich die Lage der rechtspopulistischen, rechtsextremen Parteien in den anderen europäischen Ländern anschauen. Die haben sich ja von rechtsextrem in Richtung rechtspopulistisch oder in Richtung der politischen Mitte entwickelt, etwa in Schweden, Ungarn, Frankreich und natürlich Italien. In Deutschland hat sich die AfD genau umgekehrt entwickelt. Sie ist gewissermaßen von einer konservativen, euroskeptischen Position in eine radikale, extreme Position gewandert. Zu dem Bild des Wandels gehört aber genauso, dass sich die beiden Volksparteien grundlegend verändert haben.

Was also kann der CDU-Chef überhaupt tun?

Sich auf die Begrifflichkeiten der AfD einzulassen, wird jedenfalls eher schaden. Es wird immer wieder kleine Erfolge geben. Aber der Preis dafür ist, dass die strategische Manövrierfähigkeit der Union insgesamt eher schwieriger wird.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Wolfgang Schroeder am 6. Februar
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