Aufnahme von Geflüchteten Kommunen überlastet – Faeser plant Spitzentreffen
Die Kommunen sind bei der Unterbringung von Geflüchteten und Asylbewerbern überlastet. Bundesinnenministerin Faeser hat nun ein Spitzentreffen angekündigt.
Wegen der Schwierigkeiten bei der Unterbringung von Flüchtlingen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser ein Spitzentreffen in ihrem Ministerium angekündigt. Sie sehe, "dass nach wie vor Handlungsbedarf besteht, und deswegen werde ich jetzt wieder alle Beteiligten zu einem erneuten Flüchtlingsgipfel zu mir ins Haus einladen", sagte die SPD-Politikerin am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Sie werde die Einladungen noch in dieser Woche verschicken, "weil ich glaube, wir müssen in einer gemeinsamen Kraftanstrengung alles dafür tun, die Kommunen zu entlasten". Einen Termin für das Treffen nannte sie nicht.
Die Spitze der Unionsfraktion hatte zuvor einen Flüchtlingsgipfel von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Bundesländern gefordert. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", dort müsse über eine "Begrenzung der Asylmigration und eine Lösung für Verteilung, Versorgung und Unterbringung" gesprochen werden. "Wir müssen endlich über effektive Maßnahmen zur Begrenzung der Asylmigration sprechen."
Wüst warnt vor Überlastung
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warnte wie bereits andere Vertreter von Ländern und Kommunen vor einer Überlastung durch steigende Flüchtlingszahlen. Zugesagte Mittel des Bundes müssten endlich fließen, weitere Hilfe sei nötig, forderte Wüst laut "Welt am Sonntag" in einem Brief an Faeser. Zudem bemängelte er, vom Bund bereitgestellte Immobilien zur Flüchtlingsunterbringung seien häufig in unbrauchbarem Zustand.
Im Oktober hatte es bereits ein Spitzentreffen von Innenministerin Faeser mit Vertretern von Ländern und Kommunen zum Thema Flüchtlinge gegeben. Sie sagte im ZDF, ihr Haus stehe im stetigen Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden, und betonte: "Wir haben schon einiges getan." So habe der Bund "weit über 300" Bundesliegenschaften zur Verfügung gestellt und helfe finanziell sehr stark. "Wir haben für das letzte Jahr allein 3,25 Milliarden für die Kommunen gegeben. Wir haben jetzt für das neue Jahr schon 2,7 Milliarden zur Verfügung gestellt. Aber wir drängen auch darauf, dass die Länder diese Gelder eins zu eins weiterzugeben, das ist nicht in jedem Bundesland der Fall." Sie setze sich zudem auf europäischer Ebene für eine "solidarischere Verteilung" von Geflüchteten ein.
So viele Asylanträge wie seit 2016 nicht mehr
In Deutschland beantragten im vergangenen Jahr so viele Menschen Asyl wie seit 2016 nicht mehr. Knapp 218.000 Menschen stellten laut Jahresstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmalig in Deutschland ein solches Schutzersuchen. Das waren knapp 47 Prozent mehr als 2021. Die rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die im vergangenen Jahr in Deutschland Aufnahme fanden, mussten keinen Asylantrag stellen. Sie erhalten auf Basis einer EU-Richtlinie unmittelbar vorübergehenden Schutz.
Die Unterkünfte für Asylsuchende in Deutschland sind nach Recherchen und Berechnungen der "Bild" (Samstag) derzeit insgesamt zu 64 Prozent (43.672 von 67.877 Plätzen) ausgelastet. Das berichtet die Zeitung unter Berufung auf eine Statistik aus dem Bundesinnenministerium vom Januar 2023. In den Bundesländern sei die Quote unterschiedlich hoch, am niedrigsten liege sie demnach in Sachsen mit 18 Prozent und am höchsten in Thüringen mit 96 Prozent. In NRW lag sie laut "Bild" bei 58 Prozent, aus Sachsen-Anhalt gab es keine Angaben.
Aufnahme von Flüchtlingen Umfrage zufolge umstritten
In der Bevölkerung ist die Aufnahme von Flüchtlingen einer Umfrage zufolge derzeit umstritten. Die repräsentative Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der "Bild am Sonntag" ergab, dass 51 Prozent der Bundesbürger der Meinung sind, Deutschland habe eher zu viele Geflüchtete aufgenommen. 33 Prozent halten die Anzahl demnach für angemessen, und 11 Prozent glauben, dass Deutschland mehr Menschen aufnehmen sollte.
Kanzler Scholz betonte im Interview der "Bild am Sonntag", Deutschland brauche Fachkräfte aus dem nicht europäischen Ausland. Gleichzeitig sprach er sich für konsequenteres Abschieben aus. "Wenn Deutschland Menschen Schutz garantiert, die verfolgt werden, müssen diejenigen, die diesen Schutz nicht beanspruchen können, wieder zurück in ihre Heimat gehen", sagte er. Voraussetzung dafür sei, dass die Heimatländer ihre Landsleute auch wieder zurücknehmen, "daran hapert es noch oft". Im Gegenzug eröffne man legale Wege, damit Fachkräfte aus diesen Ländern nach Deutschland kommen könnten.
Dafür plant die Ampel-Koalition neue migrationspolitische Maßnahmen. Der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, warb für Migrationsabkommen mit Partnerländern, die ein Kontingent von regulären deutschen Visa für ihre Bürger angeboten bekommen sollen - unter der Voraussetzung, dass sie Straftäter, Gefährder und illegal nach Deutschland eingereiste Staatsbürger zurücknehmen, also Abschiebungen ermöglichen. "Wir wollen Chancen schaffen, dass sich eine begrenzte und kontingentierte Anzahl regulär für den deutschen Arbeitsmarkt bewerben kann, sofern jene, die es auf eigene Faust versuchen und die hier kein Asylrecht haben, von ihren Herkunftsländern umstandslos wieder aufgenommen werden", sagte der FDP-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Zudem kündigte er an, eine Verlagerung von Asylverfahren ins Ausland prüfen zu wollen. Das solle unter Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention geschehen. "Dann würden auf dem Mittelmeer gerettete Menschen für ihre Verfahren nach Nordafrika gebracht werden", sagte Stamp. Das erfordere aber sehr viel Diplomatie und einen langen Vorlauf. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP hatten bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, zu prüfen, ob die Feststellung des Schutzstatus "in Ausnahmefällen" unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in Drittstaaten möglich ist.
- Nachrichtenagentur afp