Absprachen bei Skandal-WM in Katar? Faeser traf Flick und Bierhoff direkt vor Armbinden-Eklat
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Politische Auseinandersetzungen haben den WM-Auftritt der Nationalelf überschattet. Stimmten sich Innenministerium und DFB über Proteste ab? Ein Abendessen könnte Spekulationen anheizen.
Öffentlich betonen DFB und Bundesinnenministerium neuerdings ein Zerwürfnis über die deutschen Proteste gegen das WM-Gastgeberland Katar. Doch ein gemeinsames Abendessen der Teamspitze mit Innenministerin Nancy Faeser wirft Fragen auf. Direkt am Vorabend des Auftaktspiels gegen Japan kamen laut Recherchen von t-online Nationaltrainer Hansi Flick, Sportdirektor Oliver Bierhoff und DFB-Präsident Bernd Neuendorf mit der Ministerin zusammen. Gab es doch Absprachen zwischen Verband und Politik?
Binde auf der Tribüne
Stein des Anstoßes ist die viel kritisierte Fußball-Weltmeisterschaft in Katar – und mittlerweile die Proteste der DFB-Elf und der Innenministerin. Als Reaktion auf die Unterdrückung von sexuellen Minderheiten in dem Golfstaat und als Zeichen für Menschenrechte hatte die Mannschaft ursprünglich die sogenannte "One Love"-Binde tragen wollen – die bereits ein Kompromiss war, um Gastgeberland und Fifa nicht zu sehr mit der Regenbogenflagge zu düpieren.
Als die Fifa jedoch mit erheblichen Sanktionen drohte, knickten DFB und weitere beteiligte Nationalverbände ein und verzichteten auf den Protest. Stattdessen posierte das Nationalteam beim Gruppenfoto zum Auftaktspiel gegen Japan mit zugehaltenen Mündern, um seinen Unmut über das Verbot der Fifa auszudrücken. Auch um diese Protestform hatte es laut Spielern zuvor erhebliche Diskussionen im Team gegeben. Zeitgleich erschien Innenministerin Faeser mit der "One Love"-Binde auf der Tribüne.
DFB kritisiert Faeser, Faeser kritisiert Völler
Ob die politischen Debatten auch Auswirkungen auf die sportliche Leistung hatten, ist nach wie vor umstritten – die Mannschaft schied in der Vorrunde aus. Im Anschluss musste DFB-Direktor Bierhoff abtreten. Sein Nachfolger Rudi Völler kritisierte am Wochenende Faeser für ihre Protestaktion. Sie "hätte das ein oder andere lassen sollen", sagte er in einer Pressekonferenz. DFB-Präsident Neuendorf betonte bezüglich Faesers Binden-Protest: "Das war in keinster Weise mit uns abgesprochen."
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Der Eklat zwischen Verband und Ministerium kommt zu einem erstaunlichen Zeitpunkt. Seit wenigen Tagen liegt t-online ein Schriftwechsel zwischen DFB und Ministerium aus der Zeit kurz vor dem WM-Auftakt vor. Darin wird ein Abendessen zwischen der DFB-Spitze und Faeser im Team-Transfer-Hotel in Doha für den Vorabend des Japan-Spiels vereinbart. Das Innenministerium bestätigte am Freitag auf Anfrage von t-online: Sowohl DFB-Präsident Neuendorf als auch die Teamspitze mit Flick und Bierhoff nahmen teil. Es bestreitet jedoch, dass über Protestformen gesprochen worden sei.
"Gesten der Mannschaft wurden in Gesprächen vor und während der WM weder vonseiten des DFB noch vonseiten des BMI thematisiert", teilte ein Sprecher mit. "Das BMI achtet die Autonomie des Sports und gibt keine Empfehlungen ab." Neueste Einlassungen der Ministerin lassen allerdings Zweifel daran aufkommen, dass es keinerlei Absprachen gab.
Wochen vor der WM hatte sie unter anderem mit Neuendorf Katar besucht, um die Mannschaft während des Turniers nicht mit politischen Vorgängen zu belasten. In Reaktion auf die neue Kritik von Völler und Neuendorf konterte die Ministerin in einem Interview mit der "FAZ", Völler solle "nicht die Arbeit der Fifa machen" und weiter: "Die 'One-Love'-Binde hatte ich natürlich vom Deutschen Fußball-Bund. Von wem sonst?"
- Eigene Recherchen