Neues Paket Arbeitsminister Heil plant "drei Quellen" für die Rente
Bald erreichen die "Babyboomer"-Jahrgänge das Rentenalter. Die Reformpläne der Regierung stoßen auch auf Kritik.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) setzt für eine langfristige Absicherung der Rente in Deutschland jetzt auch auf den Kapitalmarkt. Vor der mit Spannung erwarteten Vorlage seines zweiten Rentenpakets sagte Heil der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: "Um langfristig Vorsorge zu treffen, schaffen wir ein Generationenkapital in Form einer Aktienrücklage für die gesetzliche Rentenversicherung."
Mit der Aktienrücklage will die Ampel-Koalition Neuland in der Geschichte der Bundesrepublik betreten. Bisher wird die Rente nur durch Beiträge und Steuern finanziert. Die FDP hatte bereits vor der Bundestagswahl 2021 für eine Aktienrente geworben, wobei ein Teil der Rentenbeiträge direkt in einen Fonds fließen sollte. Im Koalitionsvertrag kündigten SPD, Grüne und FDP dann einen Kapitalstock von zunächst 10 Milliarden Euro an. Heil betonte: "Wichtig ist, dass das Geld gut, sicher und langfristig angelegt wird."
Kritik: "Menschen brauchen Sicherheit"
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) äußerte grundsätzliche Kritik. Die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Der SoVD ist davon überzeugt, dass auf dem Aktienmarkt keine gute Rentenpolitik zu machen ist! Die Menschen brauchen für ihre Altersvorsorge Sicherheit. Dafür ist das umlagefinanzierte System der gesetzlichen Rentenversicherung die beste Option.
Minister Heil bekräftigte, in den nächsten Wochen ein Rentenpaket II auf den Weg bringen und damit das Rentenniveau dauerhaft sichern zu wollen. Das Rentenniveau beschreibt die Sicherungskraft der Renten im Verhältnis zu den Löhnen und liegt heute bei 48,1 Prozent. Vergangenes Jahr hatte die Koalition ihre erste Rentenreform beschlossen, die unter anderem Menschen mit Erwerbsminderung besserstellte. Nun geht es laut Heil darum, "dass wir die gesetzliche Rente (...) langfristig stabilisieren".
Babyboomer vor der Rente
Das Problem, das das Ampelbündnis anpacken will: Ab 2025 werden die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge Schritt für Schritt in Rente gehen. Weniger Einzahler kommen dann auf mehr Rentenbeziehende – Rentenkürzungen hatten SPD, Grüne und FDP aber ausgeschlossen.
Vor dem Hintergrund unterstützt Heil einen möglichen weiteren Ausbau der geplanten Kapitalrücklage, wie er deutlich machte. "Das ist langfristig gut angelegtes Geld, um den Beitrag in den Dreißigerjahren zu stützen", sagte Heil. Die Erträge aus den Wertpapieren sollen die Rente ab Mitte der 2030er Jahre stärken.
Lindner: "Das kann nur der Beginn sein"
Bundesfinanzminister Christian Lindner sprach sich am Freitag dafür aus, einen dreistelligen Milliardenbetrag am Kapitalmarkt anzulegen, um ab Ende der 2030er Jahre das Rentensystem zu stabilisieren. Seiner Vorstellung nach sollten es über einen Zeitraum von 15 Jahren zehn Milliarden Euro pro Jahr sein, sagte der FDP-Vorsitzende. Es werde dazu Verabredungen innerhalb der Ampel-Regierung geben. Sein Eindruck sei, es gebe dafür einen gemeinsamen politischen Willen, so Lindner.
Im Bundeshaushalt 2023 sind jetzt für den Aufbau eines Stiftungsvermögens, mit dem dann langfristig das Rentensystem stabilisiert werden soll, Kredite in Höhe von zehn Milliarden Euro vorgesehen. "Das kann nur der Beginn sein", sagte Lindner. Es sollte gesetzlich vorgeschrieben werden, nicht zu früh Erträge aus Investitionen am Kapitalmarkt zu entnehmen. Das sollte es erst ab 2037 geben oder etwas später. "Solange brauchen wir als Anlauf." Die Zeit solle für langfristige Investitionen genutzt werden, um auch von Zinseszinseffekten zu profitieren.
Über die konkreten Investitionen sollten keinesfalls Politiker entscheiden, so Lindner. Hier seien Profis gefragt. Die öffentlich-rechtliche Stiftung Kenfo soll – unabhängig von der Regierung – bei der Anlage der Gelder helfen. Sie sollen langfristig angelegt werden, auch in Aktien. Nachhaltigkeitskriterien würden dabei berücksichtigt. Das Risiko für eventuelle Verluste trage der Bund.
Keine Beitragsbegrenzung
Eine neue Haltelinie für die Rentenbeiträge ist nicht im Gespräch. Bis 2025 gilt eine solche Obergrenze von maximal 20 Prozent für den Beitragssatz. "Wenn der Rentenbeitragssatz steigt, steigt automatisch auch der Bundeszuschuss", sagte Heil.
Er verwies darauf, dass der Beitragssatz seit 2018 stabil bei 18,6 Prozent liegt. "Der Beitragssatz wird auch länger stabil bleiben, als von einigen Wissenschaftlern prognostiziert", sagte er. Heil verwies auf die sprudelnden Beitragseinnahmen durch die Rekordbeschäftigung. "Wir haben heute fünf Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr als vor zehn Jahren." Für stabile Renten seien weitere Erfolge auf dem Arbeitsmarkt nötig – etwa bei der Fachkräftesicherung, der Beschäftigung von Frauen und mehr qualifizierter Zuwanderung.
Drei Quellen für die Rente
Künftig werde sich die gesetzliche Rente dann "aus drei Quellen" finanzieren, so der Arbeitsminister. Zu den Beiträgen und dem Steuerzuschuss kämen langfristig die Erträge aus dem "Generationenkapital" dazu. "Das sind die drei Standbeine für eine moderne und stabile gesetzliche Rente."
Bereits im Dezember hatte Heil die demografischen Herausforderungen als "riesig" bezeichnet. Arbeitgeber und Gewerkschaften zeigten sich zum Jahreswechsel alarmiert. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger verwies auf die mehr als 100 Milliarden Euro, die der Bund der Rentenkasse bereits jedes Jahr überweist. Die Rente werde zum "Bremsklotz für die wirtschaftliche Zukunft unserer Nation", warnte Dulger. Verdi hatte zur Vermeidung von Beitragssprüngen hingegen auf deutlich mehr Steuermittel für die Rente gepocht.
Rente mit 67 bleibt
Arbeitgeber-Forderungen, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu knüpfen, schmetterte Heil ab. "Das gesetzliche Renteneintrittsalter ist in der Vergangenheit deutlich erhöht worden", sagte er. "Eine Erhöhung über das 67. Lebensjahr hinaus wäre lebensfremd und würde für viele Menschen, die in diesem Alter nicht mehr arbeiten können, de facto eine Rentenkürzung bedeuten."
Heil sprach sich aber dafür aus, das tatsächliche Renteneintrittsalter von rund 64 Jahren statistisch stärker an das gesetzliche anzunähern. Bereits Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte im Dezember gesagt: "Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können."
Aufruf an Arbeitgeber
Heil erläuterte, der Anteil der Menschen im Alter zwischen 60 und 64 in Beschäftigung sei von rund 20 Prozent im Jahr 2000 auf heute 61 Prozent gestiegen. "Wir sind also auf dem richtigen Weg. Wenn wir es schaffen, diese Quote auf 70 Prozent zu bringen, dann wären das 700.000 beschäftigte Fachkräfte und damit Beitragszahler mehr", so Heil. Nötig sei dazu mehr Gesundheitsschutz. "Wir haben viel zu viele Menschen, die in der Arbeitswelt krank werden und deshalb frühzeitig ausscheiden müssen."
Heil rief die Unternehmen dazu auf, älteren Beschäftigten Chancen zu geben. "Dazu brauchen wir die Bereitschaft von Unternehmen, Beschäftigte über 60, die arbeitslos geworden sind, auch einzustellen." Eine Abkehr von der Möglichkeit zur Rente ohne Abschläge nach 45 Versicherungsjahren lehnte Heil ab.
- Nachrichtenagentur dpa