FDP-Vize sieht "liberalen Kern" Wirtschaftsinstitut fordert deutliche Korrekturen bei Bürgergeld
Das Institut der deutschen Wirtschaft sieht beim Bürgergeld erheblichen Nachbesserungsbedarf. Der Vize-Chef der FDP verteidigt hingegen das Vorhaben.
Angesichts der laufenden Verhandlungen von Bund und Ländern über das geplante Bürgergeld hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) deutliche Korrekturen bei Sanktionen, Karenzzeit und Hinzuverdienst-Möglichkeiten gefordert. "Wir bewegen uns mit dem Bürgergeld zwar nicht in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens, aber schon in die Richtung eines bedingungsarmen Grundeinkommens", sagte IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstagsausgabe).
Mit der nahezu sanktionsfreien sogenannten Vertrauenszeit werde Neuzugängen das Signal gegeben, dass sie sich bei der Jobsuche erst einmal Zeit lassen können, sagte Schäfer. Dabei zähle bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt jeder Tag. "Je länger jemand arbeitslos ist, desto schlechter werden seine Chancen", sagte der IW-Forscher.
Das Bürgergeld ist ein zentrales Reformvorhaben der Ampel-Koalition und soll zum Jahreswechsel das Hartz-IV-System ersetzen. Im Bundestag wurde das entsprechende Gesetz verabschiedet, im Bundesrat scheiterte es am Montag am Widerstand der Union. Der Vermittlungsausschuss beider Parlamentskammern versucht nun, am kommenden Mittwoch einen Kompromiss zu finden.
"Mehr Arbeitsstunden sollen sich lohnen"
Das geplante höhere Schonvermögen erschließe sich ihm nicht, denn dieses sei "bereits im Status quo großzügig bemessen", fügte er hinzu. "Zum Beispiel muss ein Ehepaar im Alter von 50 Jahren seine Altersvorsorge bis zu einem Betrag von 75.000 Euro schon heute nicht antasten", erklärte Schäfer.
Auch beim Thema Hinzuverdienste sei der Gesetzentwurf enttäuschend: "Richtig wäre es, Verdienste im Mini-Job-Bereich komplett anzurechnen, dafür aber höhere Freibeträge im oberen Einkommensbereich zuzulassen. Ziel muss es doch sein, dass sich mehr Arbeitsstunden mehr lohnen, wenn wir wirklich etwas gegen den Arbeitskräftemangel tun wollen", sagte er.
FDP-Vitze: "Bürgergeld hat liberalen Kern"
Angesichts heftiger Kritik der Union am geplanten Bürgergeld hat der stellvertretende FDP-Vorsitzende Johannes Vogel auf die geplanten Leistungsanreize durch die Reform hingewiesen. "Das Bürgergeld hat einen starken liberalen Kern – und das ist der stärkere Arbeits- und Leistungsanreiz für die Betroffenen", sagte Vogel der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Als Beispiel nannte der frühere Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Solingen-Wuppertal: "Wenn beispielsweise eine Tochter oder ein Sohn von Hartz-IV-Beziehern heute eine Ausbildung anfangen, dürfen sie nur 200 Euro behalten. Künftig sollen es über 600 Euro sein." Weiter sagte er: "Heute kann zum Beispiel Annika, die in einer Hartz-IV-Familie groß wird und im Minijob arbeitet, von 520 Euro nur 184 Euro behalten. Wenn Ayse, deren Eltern finanziell auf eigenen Beinen stehen, denselben Minijob macht, dann kann sie 520 Euro behalten."
CDU/CSU sind gegen die geplante Reform, die Hartz IV in seiner heutigen Form ablösen soll. Aus Unionssicht sollen Betroffene zu viel Vermögen behalten dürfen und zu wenig Sanktionsmöglichkeiten fürchten müssen, wenn sie Vorgaben des Jobcenters nicht befolgen. Die Unionsfraktion erwägt nach Aussage ihres Parlamentarischen Geschäftsführers Thorsten Frei (CDU) deshalb, erneut zu beantragen, dass zum 1. Januar nur die Regelsätze erhöht werden.
Esken optimistisch über Einigung
Im Streit um das Bürgergeld rechnet SPD-Chefin Saskia Esken mit einer schnellen Einigung zwischen den Ampel-Parteien und der Union. "Ich bin sehr zuversichtlich und wir sind es den Menschen schuldig, dass das Bürgergeld am 1. Januar starten kann", sagte Esken dem "Tagesspiegel" (Samstag). Es werde im Vermittlungsausschuss einen guten Kompromiss geben. Man sei bereit, über Details zu verhandeln. "Die Grundprinzipien müssen erhalten werden", betonte Esken. Wichtig sei, dass "wir eine Veränderung der Kultur im Umgang mit erwerbslosen Menschen erzielen wollen".
- Nachrichtenagentur afp