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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neue Vorwürfe in "Cum-Ex-Affäre" "Das zeigt, dass Olaf Scholz gelogen hat"
Hat Scholz zu einem der größten Steuerskandale gelogen? Ein Strafrechtler legt nun Dokumente vor, die den Kanzler in Bedrängnis bringen könnten.
Der Hamburger Strafrechtler Gerhard Strate hat einen Lieblingsgegner: die Hamburger Staatsanwaltschaft. Immer wieder kritisiert er die Strafverfolger und hat sie zuletzt sogar als letzten "Schutz- und Trutzwall" der Regierenden der Hansestadt, also der seit vielen Jahrzehnten dominierenden SPD, bezeichnet.
Sein Vorwurf: Immer wieder hätten die Kollegen brisante Ermittlungen unterlassen. Auch gegen den ehemaligen ersten Bürgermeister der Stadt Hamburg und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz. Denn den hatte er im Februar dieses Jahres angezeigt, unter anderem wegen uneidlicher Falschaussage. Passiert ist bislang nichts. Es gibt keine Ermittlungen und die Staatsanwaltschaft wies den Vorwurf gegenüber Strate als unbegründet zurück.
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Anwalt legt Belege nach
Deshalb hat der Anwalt nachgelegt. Auf seine Webseite hat er bislang unveröffentlichte Dokumente gestellt, die Olaf Scholz unter Druck setzen könnten. Das Manager-Magazin hatte schon einmal aus den Akten zitiert, zu sehen waren sie bislang aber nicht. Konkret geht es darum, ob sich der heutige Bundeskanzler an ein Treffen mit dem Miteigentümer der Warburg-Bank, Christian Olearius, erinnern kann – oder eben nicht. Die Warburg-Bank hatte die hochumstrittenen und illegalen Cum-Ex-Geschäfte getätigt und nach Gesprächen mit mehreren Würdenträgern der Stadt Hamburg zunächst Steuerschulden in Millionenhöhe erlassen bekommen. Die Fragen, die alle Beteiligten seit Jahren beschäftigen: Was wusste Scholz über die Cum-Ex-Deals, was hat er mit dem Warburg-Banker besprochen, und kann er sich wirklich nicht mehr an die Inhalte des Gespräches erinnern?
Letzteres bezweifelt Anwalt Gerhard Strate und wirft Olaf Scholz vor, die Unwahrheit gesagt zu haben. Denn im April letzten Jahres hatte Bundeskanzler Scholz vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss zu einem Treffen am 10. November 2017 mit dem Banker Olearius laut vertraulichem Protokoll der Hamburger Bürgerschaft gesagt: "Insofern gehe ich davon aus, dass das Treffen stattgefunden haben wird, auch wenn ich daran keine eigenen Erinnerungen habe."
Ein Jahr zuvor aber hat er sich ganz anders geäußert. Am 4. März 2020 gab es in Berlin einen Finanzausschuss, auch hier war der größte Steuerraub der deutschen Geschichte, also Cum-Ex, Thema. Die Aussage von Scholz hörte sich aber dort ganz anders an. Über das Gespräch mit dem Banker sagte er laut Protokoll auf Nachfrage eines AfD-Abgeordneten: "Er habe sich angehört, was Herr Olearius zu diesem und anderen Themen zu sagen gehabt hätte. Mehr sei darüber nicht zu berichten."
Für Rechtsanwalt Gerhard Strate ein klarer Widerspruch: "Das zeigt, dass Olaf Scholz im Untersuchungsausschuss gelogen hat." Zumal Scholz im Finanzausschuss im Bundestag noch ergänzte, dass "ihn das Steuergeheimnis daran hindere, über Einzelheiten Auskunft zu geben. Deswegen könne er über das bereits Gesagte nicht hinausgehen".
Der Banker Olearius hat mittlerweile angekündigt, für bestimmte Punkte auf das Steuergeheimnis zu verzichten. Hier könnte dem Bundeskanzler neues Ungemach drohen. Gerhard Strate hofft, dass die Staatsanwaltschaft seine Veröffentlichungen jetzt zum Anlass nimmt, die Ermittlungen gegen Scholz aufzunehmen. Bislang hatten sie dies immer abgelehnt, mit der Begründung, dass der Bundeskanzler sehr viel zu tun habe und Erinnerungslücken deshalb nachvollziehbar seien. Diese Begründung kann nach den aktuellen Veröffentlichungen und dem Beleg, dass er sich an Details des Gesprächs erinnert, nun nicht mehr gelten.
- Eigene Recherche
- Dokumente von der Webseite des Gerhard Strate