Einmalzahlung und Preishebel Das ist der Expertenplan für die Gaspreisbremse
Experten haben sich auf Vorschläge für die Gaspreisbremse verständigt. Mit diesen Maßnahmen sollen Privathaushalte und Unternehmen entlastet werden.
Die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission hat sich am Montagmorgen auf Vorschläge für eine Dämpfung des Anstiegs der Gaspreise verständigt. Nach rund 35-stündigen Beratungen habe man einstimmig einen Zwischenbericht beschlossen, hieß es am Montagmorgen in einer Mitteilung der Kommission, die t-online vorliegt.
In einer Pressekonferenz äußerten sich die Experten nun zu ihren Empfehlungen an die Bundesregierung. Der Expertenplan im Überblick:
Experten schlagen Zwei-Stufen-Plan vor
Der Anstieg der Gaspreise soll in zwei Stufen abgefedert werden: In einem ersten Schritt sollen Privathaushalte im Dezember eine Einmalzahlung erhalten, mit der der Staat einen monatlichen Abschlag für Gas und Fernwärme übernehmen würde. In einer zweiten Phase soll von März 2023 bis April 2024 eine Gaspreisbremse greifen. Der Gaspreis solle dabei für einen Grundbedarf von 80 Prozent des Verbrauchs auf zwölf Cent pro Kilowattstunde begrenzt werden, bei Fernwärme auf 9,5 Cent. "Man bekommt also jeden Monat einen staatlichen Zuschuss auf die Abschlagszahlung", erläuterte Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, die Preisbremse.
Für etwa 25.000 industrielle Kunden soll der Beschaffungspreis beim Gas bereits ab Januar bei sieben Cent gedeckelt werden. Dies sei der Nettopreis, der laut Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie e. V., etwa den zwölf Cent brutto für Privathaushalte entspricht. Auch hier soll es einen Sparanreiz geben indem nur für 70 Prozent des Verbrauchs der Preis gedeckelt wird.
Nach Angaben von Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, belaufen sich die von der Kommission vorgeschlagenen Entlastungen auf etwa 96 Milliarden Euro bis Ende April 2024. Der für Dezember vorgesehene erste Schritt mit der Übernahme des monatlichen Abschlages für Gas und Fernwärme belaufe sich auf etwa fünf Milliarden Euro. Danach stünden die Entlastungen bei etwa 25 Milliarden Euro für die Industrie und etwa 60 Milliarden Euro für Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen.
Schnelle Entlastung im Fokus
Vassiliadis erklärte vorab, dass sich die Kommission bei diesem Zwischenbericht von folgenden Grundsätzen habe leiten lassen: Erstens in der Entlastungswirkung schnell zu sein, zweitens einen wirksamen Schutz vor der finanziellen Belastung zu bringen und drittens Sparanreize zu setzen. Die Experten betonten zudem, dass der Zwischenbericht nicht "gegen Europa" gerichtet sei. Wenn man deutschen Mietern helfe, heiße das nicht, dass man sich nicht an einer europäischen Lösung beteilige.
Mehrmalige Zahlungen an Verbraucher werde es allerdings aus bürokratischen Gründen nicht geben, sagte unter anderem Grimm. Stattdessen solle die Einmalzahlung im Dezember auch Belastungen in den Folgemonaten Januar und Februar abdecken.
In einem Abschlussbericht, der in drei Wochen erwartet wird, wolle man weitere Vorschläge machen. Es solle vor allem darum gehen, das Gasangebot auszuweiten und die Nachfrage nach Gas zu senken, hieß es. Auch sollten Missbrauchsrisiken minimiert und Details verfeinert werden.
Lindner will Vorschläge "sehr rasch und weitgehend" umsetzen
Wie über die vorgeschlagene Entlastung entschieden wird, liege nun bei der Bundesregierung, so Russwurm: "Entscheiden muss die Politik. Wir konnten nur Empfehlungen geben." Man habe bis zum Sonneraufgang getagt. "Wir haben gerungen, aber wir haben ein Ergebnis erreicht, das wir für belastar halten." Auf diesem Ergebnis könne die Bundesregierung aufsetzen. Deutschland drifte in eine Rezession. Daher sei das Anliegen der Regierung richtig, die Belastung der Industrie durch hohe Gaspreise zu dämpfen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner sagte, die Bundesregierung werde die Vorschläge der Gaskomission jetzt zunächst sichten. Sie würden dann aber "sehr rasch und weitgehend" umgesetzt. Ein Regierungssprecher sprach von "mehreren Tagen" Zeitnahme für eine Bewertung.
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch forderte zuvor eine rasche Umsetzung der Vorschläge. "Für die SPD-Bundestagsfraktion ist entscheidend, dass wir schnell für die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen Sicherheit bekommen und ihnen die Sorgen nehmen, die Energiekosten nicht mehr tragen zu können", teilt Miersch mit, der selbst Berater in dem Gremium ist. Die SPD-Fraktion habe diese Mischung aus schnell-wirksamen und systemischen Eingriffen schon auf ihrer Klausurtagung in Dresden gefordert.
Lob und Kritik für den Expertenplan
In ersten Stellungnahmen erhielt die Kommission Lob und Kritik für ihre Vorschläge. Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen IMK erhofft sich davon auch eine Stützung der Konjunktur und eine Dämpfung der von den hohen Energiepreisen getriebenen Inflation. Die Entlastung der Privathaushalte bis Frühjahr 2024 bezifferte er auf etwa 35 Milliarden Euro.
Der Ökonom Jens Südekum kritisierte indes Fehlanreize: "Die volle Erstattung der Nebenkosten bietet gerade keine Einsparanreize und fördert reiche Haushalte mit hohen Energieverbräuchen besonders stark." Auch Dullien sprach von Schwächen mit Blick auf die Preisbremse ab Frühjahr. "Der vorgeschlagene pauschale 80-Prozent-Rabatt entlastet Haushalte mit hohem Gasverbrauch deutlich stärker als jene mit geringem Gasverbrauch", so Dullien. "Das ist besonders problematisch bei den Hocheinkommenshaushalten mit hohem Gasverbrauch, etwa den Bewohnern von Villen aus den 1970er Jahren mit Schwimmbad." Vassiliadis räumte Unwuchten ein. Die Kommission mache dies aber transparent: "Uns war die Geschwindigkeit wichtiger."
Der Bundesverband der Elektrizitätswirtschaft und die Caritas begrüßten das Ergebnis. Beide waren in der Kommission vertreten. "Die Abschlagszahlung für den Dezember bringt genau das, was akut gebraucht wird: schnelle Entlastung", sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.
- Pressekonferenz der Expertenkommission Gas und Wärme am 10.10.2022
- Pressemitteilung der Expertenkommission Gas und Wärme
- Nachrichtenagentur Reuters