Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tod der Queen Was soll die ganze Aufregung?
Die Queen ist tot – und die Welt scheint durchzudrehen. Unsere Autorin kann das nicht nachvollziehen. Sie wünscht sich das Ende der Monarchie.
Die Queen ist tot – und die Medienwelt ist in heller Aufregung. "Als wäre der Mond vom Himmel gefallen", schreibt die "Bild". "Sogar der Himmel weint", berichtet RTL. Liveticker versorgen die Leserinnen und Leser über jeden Schritt, den Mitglieder des Königshauses gerade tun. Redaktionen entsenden Korrespondenten, um Zeit vor Palästen zu verbringen.
Das gehört zu unserem Job als Journalisten dazu. Aber ich muss mich outen: Mir ist das alles phänomenal egal.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Natürlich tut mir leid, dass da ein Mensch von uns gegangen ist. Ein Mensch, mit dem jeder von uns aufgewachsen ist. Der fast ein Jahrhundert gelebt hat und auf seine eigene, zurückhaltende Art Geschichte geschrieben hat.
Ein bisschen Voyeurismus, ein bisschen Träumen
Aber ich habe den Eindruck, dass in den Stunden nach dem Tod der Queen mehr Texte über ihre Kostüme entstanden sein könnten als nach dem Tod von Michail Gorbatschow insgesamt. Diesen Royal-Fetisch empfinde ich als unverhältnismäßig.
Nachzuvollziehen ist er, natürlich. Intime News über die Familie, die ein ganzes Land repräsentieren soll, lesen sich leichter, sind unterhaltsamer als die nächste Abhandlung zum Ukraine-Krieg. Ein bisschen Voyeurismus, ein bisschen Träumen vom Prinzessin-Sein – fertig ist die Wolke aus konservativem Wohlgefühl, von der sich Millionen Menschen weltweit gerade in Krisenzeiten gern einhüllen lassen. Diese Ablenkung sei ihnen gegönnt.
Erlaubt sein müssen aber auch Gedankenspiele außerhalb dieser Wolke. Zum Beispiel: Gehört die Monarchie nicht abgeschafft? Und wäre der Tod der wichtigsten Monarchin der Welt nicht ein guter Zeitpunkt, es nun auch endlich in Großbritannien zu tun?
Nichts ist weniger repräsentativ als das Leben der Royals
Es gibt viele Argumente, die für ein Ende der Monarchie sprechen. Da wäre zuallererst der Kostenfaktor: Umgerechnet mehr als 100 Millionen Euro hat die britische Regierung dem Königshaus im vergangenen Jahr überwiesen. Davon werden unter anderem die Paläste und die Angestellten bezahlt. Denn auf nicht einmal 20 Royals kommen 500 Mitarbeiter. Ein Betreuungsschlüssel, von dem britische Pflegeheime nur träumen können.
Sie drücken den Prinzen morgens die Zahnpasta auf die Bürste, bügeln ihnen die Schnürsenkel und tragen für sie neue Schuhe ein. Dieses blasenlose Leben wird zu großen Teilen aus der Staatskasse bezahlt, obwohl das Privatvermögen der königlichen Familie gerüchteweise beträchtlich ist: Experten schätzen allein das Vermögen der Queen auf 500 Millionen, das der gesamten Familie auf 28 Milliarden Euro. Nichts ist weniger repräsentativ für die britische Durchschnittsfamilie als das Leben ihrer Repräsentanten.
Viele Skandale, viel Schweigen im Sturm
Das britische Volk bekommt dafür in den vergangenen Jahren allerdings vor allem Skandale serviert. Da lässt sich Prinz Charles Geldkoffer und Taschen gefüllt mit Bargeld aus Katar übergeben. Da wird Prinz Andrew in den USA angeklagt, weil er im Ring des Serienvergewaltigers Jeffrey Epstein eine 17-Jährige mehrfach sexuell missbraucht haben soll. Da erhebt mit Meghan ein Mitglied der Familie Rassismusvorwürfe gegen das eigene Haus.
In die aktuelle Politik hingegen greift die Familie nicht ein, das Staatsoberhaupt ist zur Neutralität verpflichtet. Protest gegen die Linie des populistischen Hallodris Boris Johnson in Zeiten des Brexits konnte man der Queen deswegen nicht von den Lippen, sondern nur mit viel gutem Willen vom Outfit ablesen, als sie mit EU-blauem Hut erschien. Im Ernstfall bleibt die Monarchie stumm.
Schluss mit dem Prassen für wenige!
Ist das genug, ist es das wert? Ich finde nicht. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt, um endlich Schluss zu machen mit dem Prassen für wenige – und ein Staatsoberhaupt einzuführen, das sich durch Können und eine demokratische Wahl qualifiziert und nicht allein durch Geburt.
Die Zahl der Briten, die das so sehen, ist zuletzt gewachsen. Zum Thronjubiläum der Queen wollten einer Umfrage zufolge immerhin 27 Prozent die Königin durch ein gewähltes Staatsoberhaupt ersetzen. Der Rückhalt für das Königshaus aber war noch immer wesentlich größer: 60 Prozent wollten nach wie vor an der Monarchie festhalten.
Ob sich das nun mit Elizabeths Tod ändert? Es wäre den Briten zu wünschen – im Sinne des Haushalts und im Sinne der Demokratie.
- Eigene Recherchen