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Neue Corona-Regeln: Die Ruhe vor dem Sturm


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Neue Corona-Regeln
Wann knallt es?


Aktualisiert am 24.08.2022Lesedauer: 5 Min.
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Lauterbach: In diesem Szenario gilt wieder eine Maskenpflicht. (Quelle: reuters)

Justiz- und Gesundheitsminister haben sich auf eine Corona-Strategie im Herbst geeinigt. Doch der Kompromiss könnte schon bald ins Wanken geraten.

Da sitzen zwei an diesem Mittwoch, die sehr zufrieden aussehen. Es ist kurz nach 12.30 Uhr, FDP-Justizminister Marco Buschmann und SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach haben gerade vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz Platz genommen. Buschmann lächelt ab und zu. Lauterbach nickt bedeutungsschwer, er sagt: "Insgesamt ist das, glaube ich, ein gutes Instrumentarium." Buschmann ergänzt: "Ein gutes, moderates und maßvolles Konzept." Das hört sich nach Einigkeit an. Alles paletti.

Wüsste man es nicht besser, könnte man glauben: Die beiden haben dieselben Ziele. Aber das stimmt nicht. Es sind harmlos klingende Sätze, an denen sich das zeigt. Zum Beispiel als Buschmann sagt, der Gesundheitsminister kümmere sich eben "um die Gesundheit" und er als Justizminister darum, dass "der Grundrechtsschutz ausreichend gewährleistet ist".

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Die nun vorgestellte neue Linie in der Corona-Politik ist eine Art Burgfrieden der Bundesregierung, mit dem alle zufrieden sind. Noch. Denn schon bald könnte der Konsens wackeln. Die Liberalen deuten bereits an, dass sie über die gerade frisch gemachten Regelungen nochmal verhandeln möchten. Und damit könnte der Kompromiss in die Luft fliegen wie ein Schnellkochtopf.

Bei der größten Änderung sind beide Verlierer

Nach dem aktuellen Plan gilt künftig eine FFP2-Maskenpflicht in Flugzeugen und dem öffentlichen Personenfernverkehr, ebenso wie beim Zutritt zu Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Dort ist zudem ein negativer Coronatest Pflicht. Außerdem können die Länder verschiedene weitergehende Maßnahmen einführen, beispielsweise eine Maskenpflicht für Innenräume. Auch eine generelle Maskenpflicht in Innenräumen ist dann denkbar, wenn eine "zweite Stufe" gezündet wird bei den Ländern, wie sich Lauterbach ausdrückte. (Mehr zu den Maßnahmen lesen Sie hier.)

So zufrieden sich beide auch am Mittwoch gaben: Bei der größten Änderung am Gesetzentwurf sind Buschmann und Lauterbach beide Verlierer. Die Bundesregierung wollte ursprünglich eine Ausnahme von der Maskenpflicht in Innenräumen machen, wenn die Menschen eine Impfung oder Genesung vorweisen können, die frischer als drei Monate ist.

Doch Masken- und Impfgegner sahen darin den Versuch, die Leute alle drei Monate zu einer neuen Impfung zu bewegen. Auch die Bundesländer protestierten lautstark: Zu kompliziert, nicht praktikabel, lautete die Kritik. Jetzt sollen die Länder selbst entscheiden können, ob sie die Ausnahme wollen – oder nicht. Die Bundesländer setzen sich durch – und tragen künftig die Hauptverantwortung wie bei den meisten Regeln.

Grüne wollen ein bisschen nachbessern

Bei SPD und Grünen zeigen sich nun viele betont zufrieden. Das könnte allerdings auch ein Hinweis darauf sein, wie niedrig die Erwartungen an die FDP inzwischen sind. Die Beschlüsse "bilden eine gute Grundlage, um Deutschland winterfest zu machen", sagt etwa SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt. Den Ländern gebe man "einen sehr gut ausgestatteten Instrumentenkasten an die Hand".

Also alles super? So wie die kurzzeitige Einigkeit von Buschmann und Lauterbach bei der Pressekonferenz nahelegt? Mancher in der SPD merkt hinter vorgehaltener Hand dann schon an, dass man nun in der Corona-Politik stärker ins Risiko gehe. Das ist bei den Grünen ähnlich. Mehr noch als bei der SPD hätten sich hier viele deutlich mehr Sicherheit vorstellen können.

Die neuen Corona-Regeln seien "ein guter Kompromiss, gerade wenn man die unterschiedlichen Haltungen der Koalitionsparteien bedenkt", sagt Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen t-online deshalb und mahnt zugleich: "Wir haben eine deutlich schwerere Sommerwelle als in den vergangenen Jahren hinter uns. Im Juli sind über 2.800 Menschen an Corona gestorben, mehr als in beiden vorangegangen Jahren im selben Zeitraum. Das sollte uns nun Warnung genug sein, mit einer soliden Rechtsgrundlage in den Herbst zu gehen.“

Solide lautet also die Formulierung. Aber nachbessern wollen auch die Grüne am liebsten noch ein bisschen. Er halte es "für sinnvoll, im parlamentarischen Verfahren die Datengrundlage durch den Pandemie-Radar noch weiter zu verbessern, damit die Corona-Lage noch besser regional beurteilt werden kann", sagt Dahmen. "Neben Dingen wie dem Status der kritischen Infrastruktur und der Bettenbelegung in Krankenhäusern sollte dort meines Erachtens auch die aktuelle Situation in den Notaufnahmen berücksichtigt werden." Es wäre ein Detail, aber eben schon eine kleine Verschärfung.

Die FDP und die Masken im Flugzeug

Auch Marco Buschmann sprach auf der Pressekonferenz bereits davon, die Vorschläge "rückkoppeln" zu können. Es ist eine Chiffre für: Darüber werden wir im Bundestag nochmal reden. Er meint aber eine ganz andere Richtung als Dahmen. Und damit das niemand missversteht, sagte Buschmann: "Was da beschrieben ist, ist der maximale Rahmen", die Länder könnten auch weniger Maßnahmen vorsehen. Zudem betonte der Justizminister: Künftig müsse niemand abzählen, wie viele Personen jetzt genau bei privaten Familienfeiern zusammensitzen. Im Privaten wolle man nicht herumrühren, das ist die Botschaft der FDP.

Die FDP-Abgeordnete Katja Adler twitterte bereits am Mittwoch: "Das Ergebnis zum Infektionsschutzgesetz ist das Maximum an Freiheit, das die FDP gegenüber den viel massiveren Einschränkungswünschen von Grünen und SPD verhandeln konnte." Und dann folgt ein bemerkenswerter Satz über die beiden Koalitionspartner: "Deren unbedingter Wille der Freiheitseinschränkungen wird kaum noch bemerkt und das ist das eigentlich Erschreckende." Der Tonfall in der Koalition wird schärfer.

Das Gesetz muss noch im Bundestag beraten werden. Und darin sieht mancher bei den Liberalen noch Möglichkeiten, an dem Kabinettsentwurf zu feilen. Bereits am Dienstag sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr dem "Spiegel": "Sollte es nicht beispielsweise auch auf kommerziellen Flügen Testausnahmen geben? Und wie sieht es eigentlich mit der europäischen Einheitlichkeit aus?"

Grüne: Gewichtige Gründe für Masken in Flugzeugen

Da kursierte gerade noch eine Aufnahme aus dem Regierungsflieger von Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck – wo weder die Politiker noch die anwesenden Journalisten eine Maske trugen. Justizminister Buschmann verkündete am Mittwoch zwar den Kompromiss, dass man nun FFP2-Masken im Flieger tragen müsse. Doch er sagte auch: "Mein Gefühl ist, dass sich das Parlament noch einmal damit beschäftigen wird." Am Ende entscheide der Gesetzgeber, also das Parlament. "Und das ist auch richtig so."

Bei SPD und Grünen gehen sie nicht davon aus, dass die FDP im Bundestag in dieser Sache noch etwas ändern kann. "Ich finde es als Arzt richtig, dass sich das Bundeskabinett aus gewichtigen Gründen eindeutig für die bundesweite Maskenpflicht in Flugzeugen und dem Fernverkehr entschieden hat", sagt Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen t-online. "Die Menschen erwarten zu Recht, dass wir mit einfachen und wirkungsvollen Maßnahmen verhindern, dass sich die Lage im Herbst überhaupt wieder stark verschlechtert.“

Doch sicher ist auch: Es gibt offenbar noch einigen Gesprächsbedarf. Das befürchtet auch Karl Lauterbach, der in der Pressekonferenz mehrmals mahnte. Er rechne "mit einer deutlichen Corona-Welle im Herbst", sagte er. "Ich gehe davon aus, dass wir im Oktober Schwierigkeiten bekommen werden." Und das sehen viele in der FDP dann doch anders.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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