Alexander Osang enttäuschte Die Gewinnerin und der Verlierer des Merkel-Interviews
Angela Merkel sprach nach langer Pause über die Ukraine, Putin und ihre Zeit als Nicht-mehr-Kanzlerin. Das Interview kam in der Öffentlichkeit gut an, Kritik gab es vor allem am Interviewer.
Der letzte große öffentliche Auftritt von Angela Merkel war der Große Zapfenstreich Anfang Dezember, mit dem sie offiziell aus dem Amt als Bundeskanzlerin schied. Mehr als ein halbes Jahr später wagte sie am Dienstagabend den Weg zurück in die Öffentlichkeit.
Im Interview mit dem Journalisten Alexander Osang auf der Bühne des Berliner Ensembles sprach sie – wenig überraschend – vor allem über den Ukraine-Krieg. Aber auch ein paar ungewohnt persönliche Einblicke gab sie. Viele t-online-Leser freuten sich über die Rückkehr der Altkanzlerin ins Rampenlicht.
"Sie würde ihr altes Amt wieder übernehmen können"
"Man merkt, die halbjährige Auszeit hat ihr gutgetan", findet t-online-Leser Herwig Huener. "So rational und nachvollziehbar, wie sie denkt, würde sie aus dem Stand heraus ihr altes Amt wieder übernehmen können. Aber sie hat natürlich für ihr Leben genug getan."
"Mir fehlt Merkel"
t-online-Leser Johannes Schöllhorn schreibt: "Ich fand das Gespräch einfach klasse und vor allem tatsächlich unterhaltsam. Merkels trockener Witz ist einmalig. Mich fasziniert, wie loyal und integer sie ist. Natürlich ist heute jeder schlauer, aber jede Entscheidung ist im Kontext ihrer Zeit zu betrachten. Welche Fehler sie gemacht hat, werden Historiker beurteilen, aber sie hat gut erklärt, dass sie immer abgewogen und aus der damaligen Sicht entschieden hat."
Im Interview machte die 67-Jährige auf Johannes Schöllhorn einen angenehmen und souveränen Eindruck, wie er uns mitteilt. "Sie war entspannt, dennoch war jede politische Äußerung wohlüberlegt, weil sie weiß, dass ihr Wort auch heute noch Bedeutung hat und wörtlich zitiert wird.
Sie ist ein wirklicher Kontrast zu Altkanzler Schröder. Als Steuerzahler finanziere ich gerne ihr Büro – im Gegensatz zu seinem. Mir fehlt Merkel, aber alles ist nun mal endlich. Danke, Frau Merkel, Sie haben meine absolute Hochachtung."
"Journalistisch gesehen eine Katastrophe"
"Dieses Interview hätte einen anderen Moderator verdient", meint t-online-Leser Rüdiger Kramer. "Herr Osang konnte nicht mal zwei Sätze unfallfrei von sich geben – journalistisch gesehen eine Katastrophe. Dort, wo Nachfragen angebracht gewesen wären, kam nichts. Es wäre schon zu hinterfragen gewesen, dass jetzt – einschließlich der Kanzlerin a. D. – alle angeblich schon immer wussten, dass Putin uns nicht leiden kann.
"Es gibt durchaus gute Moderatoren. Für mich stellt sich also eine Frage: Warum Herr Osang?"
Rüdiger Kramer ist nicht der Einzige, der sich dies fragt. Hin und wieder war von Kritik an Alexander Osang zu lesen. So merkt t-online-Leser D. S. Vogelhuber an: "Der Interviewer war schwach, stotternd und anscheinend nicht gut vorbereitet. Das geht viel besser."
"Was dieser Herr sprachlich von sich gab, war meines Erachtens völlig daneben und eines Journalisten unwürdig", urteilt auch t-online-Leser J. Schader. "Es drängte sich der Eindruck auf, dass er entweder völlig unvorbereitet oder der Sache nicht gewachsen war." Weitere Interviews von ihm wolle sich er sich "verkneifen".
"Ich werde ihre Herangehensweise vermissen"
t-online-Leserin Liane Dunkel hat das Gespräch genossen, wie sie uns erzählt, und freut sich für Angela Merkel, "dass sie ihren wohlverdienten Ruhestand genießen kann. Ich werde ihre selbstlose, ruhige und diplomatische Herangehensweise in der Politik vermissen – gerade in der heutigen Zeit, wo es so viele Machthaber gibt, die nur an sich selbst denken."
"Enttäuschend ist ihr Blick zurück"
"Frau Merkel ist im Prinzip so zugeknöpft, wie wir sie zur Kanzlerinnen-Zeit erlebt haben", stellt t-online-Leser Jürgen Hosse fest. "Aber es ist müßig, jetzt nachzutreten. Sie hat viel gearbeitet; und wer viel arbeitet, macht auch Fehler. Etwas enttäuschend ist ihr Blick zurück.
Hoffentlich ist sie so fair, nicht auch gleich über die Ampel herzufallen. Man sollte denen etwas mehr Zeit lassen. Die Umstände sind doch sehr komplex und nicht immer sofort zu lösen."
"Sie unterscheidet sich nicht von diversen Vorgängern"
"Bin ich nun klüger geworden? Hat das Gerede von Frau Merkel etwas gebracht, beziehungsweise wird es etwas bringen? War dieses Interview überhaupt notwendig oder von irgendeiner Relevanz?" Auf alle drei von t-online-Leserin Sophie Eberhardt gestellten Fragen lautet ihre eigene Antwort "Nein!".
"Wenn ein(e) abgetretene(r) Politiker(in) nichts von Belang zu sagen hat, dann sollte sie/er still sein und sich aufs Altenteil zurückziehen, statt Belanglosigkeiten von sich zu geben. Aber gut, was kann man von Opportunisten anderes erwarten? 'Im Gespräch bleiben', das gilt anscheinend auch für eine angeblich so sehr rational und kühl denkende Ex-Physikerin. Da unterscheidet sie sich unwohltuend nicht von diversen Vorgängern."
"Sehr souverän und sehr datensicher"
Bedeutend positiver nahm t-online-Leser Heiner Toenne ihren Auftritt wahr: "Frau Merkel wirkte auf mich sehr souverän und, was mich stark überrascht hat, sehr 'datensicher', was zum Beispiel die Jahreszahlen in Verbindung mit verschiedenen Ereignissen/Treffen angeht."
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