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FDP-Politiker Kubicki: Corona-Impfpflicht? "Das sind Rachegelüste"


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Kubicki über Impfpflicht
Ein "Zeichen" an die Geimpften? Das sind Rachegelüste

MeinungEin Gastbeitrag von Wolfgang Kubicki

Aktualisiert am 24.01.2022Lesedauer: 4 Min.
FDP-Politiker Kubicki: "Die Widersprüche häufen sich."Vergrößern des Bildes
FDP-Politiker Kubicki: "Die Widersprüche häufen sich." (Quelle: IMAGO / photothek)
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Er ist gegen eine Impfpflicht – über die diese Woche der Bundestag diskutiert. Denn eine Mehrheit dürfe nicht der Minderheit erklären, was vernünftig sei. Ein Gastbeitrag von FDP-Politiker Wolfgang Kubicki.

Verschaffen wir uns einen Überblick über die aktuelle mediale Corona-Debatte, so fällt Folgendes auf: Die öffentlich sehr breit getragene Diskussion über die allgemeine Impfpflicht wirkt wie der Versuch, wieder Klarheit in der Verworrenheit des coronapolitischen Alltags zu schaffen. Die Widersprüche häufen sich – und mit ihnen sinkt die allgemeine Bereitschaft, den Vorstellungen der Ministerpräsidentenkonferenz noch gedanklich und logisch zu folgen. Nach fast zwei Jahren unter Pandemiebedingungen ist dieser Umstand ziemlich bemerkenswert.

Wolfgang Kubicki, 69 Jahre alt, ist Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Der FDP-Politiker spricht sich seit mehreren Wochen gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht aus. Gemeinsam mit anderen Parlamentariern hat er dazu einen entsprechenden Antrag vorgelegt, über den im Bundestag abgestimmt werden soll. Zunächst findet an diesem Mittwoch jedoch eine offene Aussprache zu dem Thema statt.

Ein paar Beispiele: In Berliner U-Bahnen gilt man als genesen, wenn die Corona-Infektion nicht länger als drei Monate her ist. In Berliner Restaurants hingegen gilt man als genesen, wenn die Infektion nicht länger als sechs Monate her ist. Bei Veranstaltungen unter 2G-plus-Bedingungen ist der Antigen-Schnelltest bei Geimpften zuverlässig, bei Ungeimpften jedoch grundsätzlich nicht.

Die Impfung schützt uns sicher vor einer schweren Erkrankung, aber selbst Geboosterte müssen unter "2G plus" vor den doppelt Geimpften mittels eines Tests geschützt werden. Vor dem Hintergrund dieser merkwürdigen Wirrungen fühlt sich die mit deutlich weniger Dimensionen ausgestattete Diskussion über die allgemeine Impfpflicht wie mentaler Balsam an.

Wen wollen wir mit der Impfpflicht eigentlich noch erreichen?

Es ist nicht lange her, da hat das Robert Koch-Institut die deutsche Öffentlichkeit mit Zahlen überrascht, die in der aktuellen Debatte bisher kaum Erwähnung fanden. Das "COVID-19 Impfquoten-Monitoring in Deutschland", die COVIMO-Studie, stellte fest, dass die sogenannte "Impflücke" in der relevanten Altersgruppe ab 60 Jahren ziemlich klein ist. Bei der Impfquotenschätzung ergab sich bereits Mitte Oktober für die Altersgruppe von 60 bis 69 Jahren eine Quote von 93,5 Prozent, zwischen 70 und 79 Jahren von 95,5 Prozent und die über 80-Jährigen lagen bei sage und schreibe 96,6 Prozent.

Es steht zu erwarten, dass innerhalb der vergangenen drei Monate die Impflücke noch weiter geschlossen wurde. Wen wollen wir in der hauptsächlich betroffenen Altersgruppe mit einer Impfpflicht eigentlich noch erreichen? Und wenn wir die Vulnerablen bereits so stark geschützt haben, wie hilft es ihnen, wenn wir jetzt andere, weniger Gefährdete zu einer Impfung verpflichten?

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Wir sehen weiterhin, dass die bisherige Erklärung, die Ungeimpften schadeten der Allgemeinheit, nicht mehr richtig greift. Denn auch Geimpfte und Geboosterte liegen leider auf Intensivstationen und können ansteckend sein. Zum Glück sehen wir gleichzeitig, dass Omikron deutlich weniger schwer wirkt und die Intensivbelegung Welten entfernt ist von der Winterwelle 2020/21.

Eine Zielmarke ist enorm wichtig – nur so lässt sich die Maßnahme rechtfertigen

Aus diesem Grund sprechen die Ministerpräsidenten in ihren interessanten Beschlusspapieren nicht mehr von einer Abwendung einer Überlastung des Gesundheitssystems, sondern nur von einer Abwendung einer Belastung des Gesundheitssystems. Es stellt sich dabei unweigerlich die Frage: Kann es ein ausreichender Grund für flächendeckende massive Grundrechtseinschränkungen sein, eine saisonale systemische Belastung zu verhindern? Wohl kaum.

Die Befürworter einer Impfpflicht haben sich jetzt offen zu Wort gemeldet. Das begrüße ich sehr, denn nun kann die offene Debatte beginnen. Leider habe ich bisher von ihnen aber noch nicht gehört, welche Impfquote insgesamt angestrebt wird. Diese Zielmarke ist alles andere als unwichtig, vielmehr muss sie definiert werden, um den schweren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit rechtfertigen zu können.

Eine Impfpflicht als "Zeichen" an die Geimpften, dass die Ungeimpften jetzt mal dran sind, wie es der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wüst bei "Anne Will" erklärte, dient wohl eher individuellen Rachegelüsten als dass es eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung wäre.

Die Mehrheit kann nicht der Minderheit sagen, was angeblich vernünftig ist

Es ist häufig zu hören, dass eine Impfung vernünftig ist und deshalb eine staatliche Verpflichtung ein Gebot der Notwendigkeit sei. Wenngleich ich es teile, dass eine Impfung vernünftig ist und zuverlässig vor einer schweren Erkrankung sowie dem Tod schützt, halte ich die Idee, der Staat lege fest, was vernünftig ist, für problematisch. Denn es gibt eine Fülle von individuellen Gründen, sich nicht impfen zu lassen. Das muss nicht immer der Querdenker sein, der meint, Bill Gates übernehme digital die Fernsteuerung über den Körper des Geimpften.

Es gibt durchaus zu beachtende psychologische oder religiöse Gründe, eine Impfpflicht für sich persönlich abzulehnen. Wer wären wir, wenn wir diese Gründe im Sinne der Allgemeinheit als nicht zulässig erachten würden – insbesondere nachdem das Fremdschutzargument durch die Impfung nicht mehr trägt?

Im Kern geht es daher selbstverständlich auch um den Minderheitenschutz, der durch eine Impfpflicht tangiert werden kann. Ich möchte jedenfalls nicht, dass die Mehrheit für die Minderheit festlegt, was man als vernünftig anzusehen hat. Denn dann sollte man sich tunlichst stets auf der Seite der Mehrheit befinden, um nicht irgendwann die grundrechtlichen Nachteile einer überstimmten Minderheit zu spüren zu bekommen.

Ich werde mir die Argumente der Befürworter einer Impfpflicht selbstverständlich genau anschauen. Aber eine Impfpflicht, die nach den aktuellen Plänen auf massenhaft anlasslose Kontrollen setzt, um eine Ordnungswidrigkeit zu verfolgen, halte ich im freiheitlichen Staat aus rechtlichen wie politischen Gründen für falsch.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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