Corona-Plan für den Winter Scholz: "Sehr, sehr viele werden sich infizieren"
Die Inzidenzen steigen, die Intensivstationen sind zunehmend ausgelastet. Mitten in den Koalitionsgesprächen müssen SPD, Grüne und FDP nun in der Corona-Krise handeln. Die Kritik ist groß.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hat für kommende Woche eine Ministerpräsidentenkonferenz zur Corona-Lage angekündigt. Darüber sei er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einig, sagte Scholz am Donnerstag im Bundestag. Dabei sollten Bund und Länder über die Umsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen sprechen.
Der Bundestag berät an diesem Donnerstag die Pläne von SPD, Grünen und FDP angesichts der teilweise drastisch steigenden Corona-Zahlen in Deutschland. Nach wochenlanger öffentlicher Zurückhaltung hat dabei erstmals auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zum Thema gesprochen.
Deutschland sei in der schwierigen Situation, dass sich nun jeder impfen lassen könne, dass genügend Impfstoff da sei. Doch nicht alle nähmen diese Chance wahr, so Scholz. "Sehr, sehr viele von denen, die sich nicht impfen lassen, werden sich infizieren." Man müsse eine "Abwägungsentscheidung" treffen.
"Wir müssen unser Land winterfest machen"
Scholz befürwortete in seiner Rede eine bessere Ausstattung der Krankenhäuser, die Ausweitung der 2G-Regel, beispielsweise in der Gastronomie, sowie die 3G-Regel am Arbeitsplatz. Die Einhaltung der Regeln müsste außerdem konsequent kontrolliert werden, forderte der SPD-Politiker. Das sei derzeit nicht überall der Fall.
"Wir müssen gewissermaßen unser Land winterfest machen", so Scholz. "Das Virus ist noch unter uns und bedroht die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger." Deshalb sollten Maßnahmen wie Maskenpflicht und Hygieneregeln weiter durchgesetzt werden können. Scholz sprach sich zudem für eine "große gemeinsame Kampagne" für mehr Impfungen aus.
Neue Impfkampagne und kostenlose Bürgertests
Er beendete seine Rede mit einem besonderen Appell an alle Ungeimpften: "Lassen Sie sich impfen! Das ist wichtig für Sie und wichtig für unser Land."
Die voraussichtlichen Ampelpartner wollen gegen den Willen der noch amtierenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die epidemische Lage von nationaler Tragweite am 25. November auslaufen lassen. Diese Rechtsbasis für Corona-Beschränkungen soll ersetzt werden durch einen kleineren Katalog möglicher Maßnahmen, die die Länder ergreifen können.
Neben der 3G-Regel am Arbeitsplatz wollen SPD, FDP und Grüne unter anderem die kostenlosen "Bürgertests" ab kommender Woche wieder einführen.
"Völlig falsches Signal"
Für die Pläne der Ampel hatte es bereits vorab reichlich Kritik gegeben. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus attackierte den Corona-Kurs für den Winter denn auch am Donnerstag im Parlament. Das geplante Auslaufen der vom Parlament festgestellten "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" als Rechtsgrundlage für Corona-Maßnahmen sei angesichts steigender Zahlen "Realitätsverweigerung", sagte der CDU-Politiker. Dies sende kommunikativ "das völlig falsche Signal". Damit werde den Leuten gesagt, es sei nicht mehr so schlimm, obwohl man nun vorsichtiger sein müsse.
Brinkhaus kritisierte außerdem die von den voraussichtlichen Koalitionspartnern vorgesehene neue Rechtsbasis für Beschränkungen. Damit würden den Ländern Handlungsoptionen in der Krise genommen. Der CDU-Politiker mahnte angesichts dramatischer Corona-Zahlen Schutz für Pflegeheimbewohner sowie Kinder und Jugendliche an.
Katrin Göring-Eckardt: "Dramatische Lage"
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt verteidigte die geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz. Im Bundestag sprach sie von einer "dramatischen Lage". Notwendig seien deshalb Maßnahmen, die sowohl wirksam als auch rechtssicher sind. Im Kampf gegen Corona sei es nicht sinnvoll, Regelungen zu beschließen, die anschließend von den Gerichten wieder gekippt würden.
Kritik von CDU und CSU wies Göring-Eckardt als "schäbig" und "verantwortungslos" zurück. Die designierten Ampelpartner müssten viel nachholen, weil von der unionsgeführten Vorgängerregierung "nichts vorbereitet" worden sei.
"Unser Land hat versagt beim Schutz der Älteren", sagte der FDP-Politiker Marco Buschmann im Bundestag. Das müsse nun besser werden, etwa mit einer Testpflicht in Alten- und Pflegeheimen, über die momentan geredet werde. Es gebe mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes robuste Maßnahmen gegen das Coronavirus. Der freiheitliche Rechtsstaat müsse aber erhalten bleiben.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
- Bundestagssitzung am 11. November 2021